Nubien

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Nubien ist das Gebiet zu beiden Seiten des Nil südlich des 1. Nilkatarakts bei Assuan in Ägypten. Die Südgrenze im Sudan wird unterschiedlich auf den großen Nilbogen südlich von Alt Dunqula und den 5. Katarakt oder auf Khartum südlich des 6. Katarakts festgelegt. Die geografische Bezeichnung Nubien fällt mit dem historischen Reich von Kusch zusammen.

Allgemeine Situation[Bearbeiten]

Namen[Bearbeiten]

Die Herleitung des Namens vom ägyptischen Wort nebu bzw. koptisch nub ist umstritten. Im Alten Reich stand die Bezeichnung Ta-seti sowohl für das sandige Bogenland von Nubien wie auch für den von Nubien eroberten ersten oberägyptischen Gau, der sich vom nördlichen Gebel es-Silsila bei Kom Ombo bis zum ersten Nilkatarakt erstreckte. Gut bezeugte Erwähnungen befanden sich in der „Weltkammer des Sonnenheiligtums“ von Niuserre (2.455 bis 2.420 v. Chr.). Das nubische Ta-seti galt als geheimnisvolle Ziel- und Herkunftsregion von Zugvögeln, Fisch- sowie anderer Tierarten. Seit dem Mittleren Reich wurde Nubien neben Ta-seti auch als Iuntiu-Seti, Nehset, Ta Nehsi, Kesch oder Kasch bezeichnet.

Lage[Bearbeiten]

Die geografische Abgrenzung richtet sich nach der von Ägypten unabhängigen politischen und kulturellen Einheit, die durch das kuschitische Reich geschaffen wurde und die bis zum Untergang der meroitischen Herrschaft im 5. Jahrhundert n. Chr. bestehen blieb. Im Osten reicht Nubien über die Nubische Wüste bis zum Roten Meer, im Westen endet die Region undefiniert in der Libyschen Wüste. Als Südgrenze wird 18° geographischer Breite beim 5. Katarakt angenommen, weil hier weiter westlich zwischen der früheren natürlichen Grenze des 4. Katarakts bei Karima und Alt Dunqula der Nil sich aus seiner südwestlichen Fließrichtung in einem großen Bogen nach Norden wendet. Diese Definition der Südgrenze wurde von der UNESCO in ihrer Übersicht zur Rettung der nubischen Denkmäler übernommen. Der ehemalige Ptolemäus-See trocknete im 3. Jahrtausend v. Chr. aus.

Das Gebiet zwischen dem 1. und 2. Katarakt gehört heute fast gänzlich (bis auf wenige Kilometer nördlich von Wadi Halfa) zu Ägypten und wird als Unternubien bezeichnet. Der südlich anschließende Teil im Sudan heißt Obernubien. Ab der Herrschaft von Ptolemaios IV. in Ägypten wurde das Grenzgebiet zu Nubien südlich des 1. Katarakts Dodekaschoinos („Zwölfmeilenland“) genannt. Es endete 126 km von Assuan entfernt, nur wenig nördlich von Sayala. In der um 150 n. Chr. verfassten Geographike Hyphegesis des Claudius Ptolemäus wird ein Triakontaschoinos („Dreißigmeilenland“) erwähnt, das weiter als das Zwölfmeilenland vermutlich bis zum 2. Katarakt reichte.

Nubien gilt als Schnittstelle zwischen dem eher dem Mittelmeerraum zuzurechnenden Ägypten und den südlicher liegenden Teilen von Afrika. Dies galt in der Vergangenheit ebenso wie heute.

Bevölkerung[Bearbeiten]

Die Noba waren ein antikes, nur begrenzt mit den heutigen Nubiern gleichzusetzendes Nomadenvolk. Damit entspricht Nubien geografisch der Mittleren Nil-Region. Diese Gleichsetzung wird von László Török und der Mehrzahl der Archäologen vertreten. Die Festlegung der Nordgrenze Nubiens auf den 24. Breitengrad bei Assuan und der Südgrenze Nubiens auf den 18. Breitengrad bei Khartum berücksichtigt die Ausdehnung der Nubisch sprechenden Volksgruppe der Noba bis ins 16. Jahrhundert.

Geschichte[Bearbeiten]

Vorgeschichte[Bearbeiten]

Die Vorgeschichte Nubiens (besonders Unternubiens) wird in einzelne Kulturgruppen eingeteilt, die mit Buchstaben bezeichnet werden.

  • Die A-Gruppe korrespondiert mit dem späten prähistorischen Ägypten sowie mit dem ägyptischen Alten Reich bis etwa zur 4. Dynastie (ca. 3500–2400 v. Chr.)
  • Die ehemals angenommene B-Gruppe existiert nach neueren Untersuchungen nicht. In Obernubien gab es die Kerma-Kultur, die in ihren Anfängen (um 3500 v. Chr.) stark mit der A-Gruppe verwandt war.
  • Die C-Gruppe existierte zur Zeit des ägyptischen späten Alten sowie Mittleren Reiches in Unternubien; in der 12. Dynastie wurde Unternubien bis zum 2. Nilkatarakt schrittweise von Ägypten erobert (ca. 2100–1750 v. Chr.).

In Obernubien nahe dem 3. Nilkatarakt entwickelte sich aus der Kerma-Kultur, das Königreich von Kerma, das neben Ägypten den frühesten uns bekannten afrikanischen Staat darstellt. Nach dem Ende des ägyptischen Mittleren Reiches (um 1750 v. Chr.) eroberten die Herrscher von Kerma Unternubien bis zur Grenze des ägyptischen Kernlandes und konnten in einzelnen Feldzügen sogar bis nach Ägypten vordringen. Um 1500 v. Chr. zerstörten die Pharaonen des ägyptischen Neuen Reiches das Reich von Kerma und eroberten Nubien bis zum 5. Nilkatarakt. Die nubischen Völker wurden kulturell weitgehend assimiliert. Die ägyptische Besatzung dauerte bis ca. 1000 v. Chr. an.

Das Reich von Kusch[Bearbeiten]

Napata und Meroe

Um 750 v. Chr. (eventuell auch bereits um 1.000 v. Chr.) gründeten nubische Fürsten in der Gegend von Karima einen Staat, der den altägyptischen Namen Kusch übernahm und rasch expandierte. Um 700 v. Chr. wurde Ägypten erobert. Die nubischen Könige herrschten als 25. Dynastie über Ägypten. Um 660 v. Chr. erlangte Ägypten mit assyrischer Hilfe die Unabhängigkeit von Nubien, das kuschitische Fürstenhaus herrschte jedoch weiterhin südlich von Ägypten. Der Regierungssitz lag in der Stadt Napata beim heutigen Karima. Um 300 v. Chr. wurde die Hauptstadt nach Meroe nördlich von Khartum verlegt. In dieser Zeit wird die kulturelle Anlehnung an Ägypten mehr und mehr aufgegeben, was sich u. a. in der Entwicklung einer eigenen Schrift und dem Gebrauch der meroitischen Sprache in offiziellen Texten äußert. Um 350 n. Chr. brach das Reich von Kusch zusammen, evtl. aufgrund einer Umweltkatastrophe oder einer militärischen Niederlage gegen das äthiopische Reich von Axum.

Pyramiden[Bearbeiten]

Von der Zeit der 25. Dynastie sowie des napatanisch-meroitischen Reiches zeugen in Sudan bis heute vor allem zahlreiche Pyramiden. Die älteste in Sudan errichtete Pyramide ist vermutlich die des nubischen Pharaos Piye auf dem Friedhof von al-Kurru. Vorbild waren wahrscheinlich nicht die ägyptischen Königspyramiden aus der Zeit des Alten und Mittleren Reiches, sondern die wesentlich jüngeren ägyptischen Privatpyramiden vor allem des thebanischen Raumes. Dafür spricht sowohl der steile Neigungswinkel der nubischen Pyramiden als auch die Tatsache, dass sie, wie die ägyptischen Privatpyramiden des Neuen Reiches, viel enger aneinandergebaut sind als die ägyptischen Königsgräber. Darüber hinaus war die Grabform der Pyramide in Nubien nicht den Königen vorbehalten, sondern auch wohlhabende Privatleute ließen sich in Pyramiden bestatten, was die nubischen Pyramiden ebenfalls in der Tradition der ägyptischen Privatpyramiden stehen lässt. Der steile Neigungswinkel hatte vermutlich auch konstruktive Gründe: Eine Ritzzeichnung aus den Ruinen von Meroe, nahe dem Dorf Begrawija, zeigt einen Schaduf (eine Art Kran) als Bauwerkzeug. Die Länge des Auslegers dieses Kranes begrenzte die Seitenlänge der Pyramiden. In Nubien sind über 200 Pyramiden gefunden worden; damit stehen in Sudan mehr Pyramiden als in Ägypten. Dies liegt vor allem daran, dass in Ägypten nur wenige der Privatpyramiden des Neuen Reiches bis heute erhalten sind.

Im vierten nachchristlichen Jahrhundert scheint das meroitische Reich in verschieden kleinere Fürstentümer oder Königreiche zerfallen zu sein. In kultureller Hinsicht stellen diese kleinen Reiche die Fortsetzung von Meroe dar.