Angelsachsen

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Die Angelsachsen waren ein germanisches Sammelvolk, das Großbritannien ab dem 5. Jahrhundert allmählich besiedelte und beherrschte. Mitte des 6. Jahrhunderts waren die Angelsachsen auf der Insel schon dominant, die römisch-keltische Bevölkerung verdrängt oder assimiliert worden. die Zeit von ca. 450 bis 1066 wird als angesächsische Periode in der britischen Geschichte angesehen.

Das Sammelvolk der Angelsachsen bestand hauptsächlich aus Sachsen und Angeln. Als Verband treten diese Stämme, mit aus Jüten, Friesen und Niederfranken bestehenden Gruppen, ab dem 5. Jahrhundert auf. Zur Ethnogenese der Angelsachsen kam es, als sie nach ihrer Einwanderung von Teilen der keltisch-romanischen Vorbevölkerung Britanniens aufgenommen wurden.

Aus diesem Völkerverband bildete sich zunächst eine angelsächsische Kultur heraus. Später, ergänzt um Skandinavier, Dänen und im 11. Jahrhundert frankophone Normannen, formierte sich im Laufe der Zeit und dieser Entwicklungen im Hochmittelalter eine kulturell-ethnische Konstellation, die später als englische Nation und Kultur interpretiert wurde. Das Angelsächsische hat seine wesentlichen sprachlichen Wurzeln in der altsächsischen Sprache. Trotz 1500-jähriger unterschiedlicher Entwicklung finden sich noch viele Gemeinsamkeiten zwischen der englischen und der niedersächsischen Sprache.

Oft wird der Begriff im übertragenen Sinn in Bezug auf die Bewohner der Britischen Inseln und auf die englischsprachigen Völker in Nordamerika und Ozeanien (US-Amerikaner, Kanadier, Australier, Neuseeländer) genutzt.

Herkunft der Angelsachsen[Bearbeiten]

Angeln und Sachsen[Bearbeiten]

Die Angelsachsen sind im Wesentlichen die Nachkommen zweier kontinentalgermanischer Stämme: Die Angeln wurden schon während der hohen römischen Kaiserzeit bei Tacitus 98 n. Chr. als Anglii und später bei Claudius Ptolemäus (2. Jahrhundert) als Angeiloi schriftlich erwähnt und siedelten wohl im Nordosten des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein, wo es noch die Landschaft Angeln gibt. Die Angeln werden von Tacitus in dessen Beschreibung der historisch-geografischen Verhältnisse Nordgermaniens mit anderen Stämmen zusammen aufgezählt. Stämme, die auf den dänischen Inseln, an der Ostseeküste und an der unteren Elbe zu lokalisieren sind und zusammen eine nördliche politisch-kultische Gruppe im Suebenverband bildeten, bei Ptolemaios eben als Suēboi Angeiloi.

Die antiken Sachsen sind nicht zu verwechseln mit den späteren Sachsen des Hochmittelalters und den Bewohnern des heutigen Bundeslandes Sachsen. Vielmehr handelt es sich um die Vorläufer des späteren Stammesherzogtums Sachsens (Altsachsen), welches im Gebiet des heutigen Niedersachsen sowie in Holstein, Westfalen und Ostfalen angesiedelt war. Die Altsachsen der beginnenden Völkerwanderungszeit waren sprachlich und in ihrer materiellen Kultur sehr viel enger mit den Friesen verwandt. Tacitus erwähnt in seiner Germania die Sachsen nicht, aber er zählt den Stamm der Chauken auf, die an der unterelbischen Nordseeküste siedelten und die auch Plinius der Ältere kennt, während Ptolemaios die eigentlichen Sachsen (Saxones) „… im Nacken der kimbrischen Halbinsel“ (wohl das heutige Holstein) lokalisiert. Im 3. Jahrhundert war die Vereinigung beider Völker zum nun größeren Stammesverband der Sachsen vollzogen. Der Wandel beschleunigte sich mit der Vereinigung zum großen sächsischen Stammes- und Volksverband mit der Assimilierung kleiner Stämme und Überreste einstiger bedeutender Stämme, wie der Cherusker im 3./4. Jahrhundert. Die sächsischen Gruppen, die später einen Teil der Angelsachsen bildeten, trennten sich bereits vor der Bildung des Großvolks der frühmittelalterlichen Sachsen durch die Übersiedlung nach Britannien ab.

Angeln und Sachsen waren wahrscheinlich eng miteinander verwandt, da sie der gleichen kontinentalgermanischen Kultgruppe der Ingwäonen angehörten oder entstammten, trotz bestehender kultureller Unterschiede wie unter anderem bei den Bestattungsriten. Der genaue Verlauf der angelsächsischen Ethnogenese ist wie bei allen gentes der spätantiken Völkerwanderungszeit umstritten. Dies gilt für die Frage, wie und ob materielle Kultur und Ethnizität zusammenhängen.

Die Stammesgruppen der Jüten waren zur damaligen Zeit von der Sprache und vom Kult her offenbar den westgermanischen Stämmen zugehörig. Die heutigen Jüten, auf Dänisch Jyder, sind hingegen wohl nordgermanischen Ursprungs und mit diesen Jüten nicht zu verwechseln. Die Friesen sind aus ihrer angestammten Heimat wohl nur mit Kleinstgruppen an der Bildung der Angelsachsen beteiligt gewesen. Besonders die Ortsnamenforschung hat Siedlungsräume dieser friesischen Siedlergruppen fixiert. Der spätantike Historiker Prokop (6. Jahrhundert) erwähnt die Friesen in seinem Werk über die Gotenkriege Justinians und nennt sief Frissones.

Ein fränkischer Anteil wird nur vermutet, unter anderem auf Basis unsicherer Ableitungen von Ortsnamen und der Analyse altenglischer Literatur und daran festgemachter Indizien, wie im Beowulf-Epos. Diese fränkischen Siedler kamen aber vermutlich erst mit der letzten Einwanderungswelle gegen Ende des 5. Jahrhunderts auf die britische Insel.

Der Name[Bearbeiten]

Die Herkunft und die Entwicklung hin zur Namensbildung Angelsachsen ist heute nicht mehr nachvollziehbar; dennoch lassen die vorhandenen Quellen Rückschlüsse zu, die daraus abgeleitete Annahmen plausibel machen. Grundsätzlich scheint bei den Kolonisten, besonders bei den Jüten und Angeln, die Bindung zu den kontinentalen Verwandten recht schnell Lockerungen unterworfen gewesen zu sein, bis hin zum Abbruch.

Beda Venerabilis (gest. 735), ein bedeutender angelsächsischer Gelehrter, lokalisierte die Jüten nach der Wanderung in Kent und gab sie in der Namensform Iutae wieder, die nicht aus heimischer altenglischer Überlieferung stammt. Die altenglische Form wäre *Eotas (vgl. Eotenas, bezeugt in Beowulf, Zeilen 1068–1159), wobei diese aber nirgends überliefert ist. Beda kannte also den korrekten Namen nicht mehr. Um 700 dürften nur noch schwache Erinnerungen an den Namen und die damit in Verbindung stehende „Urheimat“ existiert haben. Alfred der Große gab in seiner Übersetzung von Bedas Kirchengeschichte dann Iutae mit Gēatas wieder, dem Namen der Gauten aus Schweden.

Die häufige altenglische Form Ongle für Angle gab Alfred statt mit der korrekten Form Angli mit dem Namen der Landschaft wieder, Angel. Auch er kannte somit selbst nicht mehr die Namen für die alten Stämme.

Die Sachsen in Britannien behielten dagegen Kontakte zum Festland im Zusammenhang mit der dominanten kontinentalen Ausbreitung des Stammesverbandes. Die Sachsen der Insel nannten zur Unterscheidung des englischen Zweigs diese Eald-seaxan, Altsachsen.

Beda war nicht mehr klar, dass Angeln und Sachsen unterschiedliche Stämme waren. Er bezeichnete sie als Angli sive (vel) Saxones, als seien sie ein und dieselben unter verschiedenen Namen. Alfred berichtigte Beda hierin durch ein ond beziehungsweise durch ein „oder“. Bedas Grundlage für seine Wiedergaben und Annahmen mögen tradierte Sprüche und Merkreime in der Form des Stabreims gewesen sein.

Zitat
of Englum ond Eotum (Iutum) ond of Ealdseaxum - Quelle=Beda Hist. ecc. gen. Ang. I,15

Übersetzung: von den Angeln und den Jüten und den Altsachsen stammen die Angelsachsen

Dieser Typus eines Dreiklangs passt zu dem alten Muster germanischer Abstammungssagen wie der Stammbaum des Mannus in Tacitus’ Germania, Kapitel 2.

Der Name der Angeln dominierte schließlich den der Sachsen als vereinheitlichter Name für alle Germanen auf der britischen Insel, vielleicht zur besseren Unterscheidung von den kontinentalen Sachsen (denn jene Angeln, die nicht nach Britannien gezogen waren, waren von anderen Stämmen assimiliert worden, so dass keine Verwechslungsgefahr bestand). Die angelsächsischen Könige nannten sich rex Anglorum, oder rex Anglorum Saxonum. Papst Gregor I. nannte den König Æthelberht von Kent – selbst jütischer Abstammung – in einem Brief von 601 rex Anglorum. Um 1000 verdrängte der aus dem altnordischen und von den Wikingern eingeführte Begriff für Land und Volk, Englar und Englaland dann die älteren einheimischen Bezeichnungen wie unter anderem Āngelþeod („Angelvolk“). Diese neue Form tritt sowohl in den altnordischen Texten als auch in den angelsächsischen auf und führte schließlich zur Herausbildung der Kurzform England.

Die romanisierten Kelten haben die eindringenden Germanen dagegen insgesamt nach den Sachsen benannt, kymrisch Sais („Engländer“) für die Menschen und saesneg für die Sprache. Die lateinischen Schreiber des Kontinents haben anfänglich die Begriffe Saxones und lingua Saxonica verwendet.

Ein Hauptgrund für die Durchsetzung des Angelnamens mag ein politisch-kulturelles Übergewicht der Angeln in den ersten Jahrhunderten gewesen sein. Um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, wurde durch die Außenwahrnehmung sehr früh der Begriff Angelsachsen gebildet – bei Beda noch nicht direkt und klar, bei Paulus Diaconus um 775 Angli Saxones in der Bedeutung von „die englischen Sachsen“, um eine Unterscheidung zu den festländischen Sachsen darzustellen. Letztlich ist die Bildung des Namens Angelsachsen ein Produkt aus mehreren zusammenfließenden Faktoren: Zum einen ist es eine gelehrte lateinische Form, sodann eine Folge des Verlustes der angestammten kontinentalen Wurzeln, und schließlich haben auch das Vergessen der ursprünglich klaren Stammesidentität und die Außenwahrnehmung noch Anteil daran.