Saanenziege

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Die Saanenziege ist eine große, meist ungehörnte Ziege mit weißem, kurzen Fell, die ursprünglich aus Saanen im Berner Oberland stammt. Heute ist sie in der gesamten Schweiz und in vielen europäischen, amerikanischen und asiatischen Staaten verbreitet. Wegen ihrer hervorragenden Milchleistung wurde sie weltweit in viele Ziegenrassen eigekreuzt. Sie gilt als Stammrasse aller heutigen Hochleistungsmilchziegen und als erfolgreichste Ziegenrasse der Welt.

Eigenschaften[Bearbeiten]

Weiße Farbe[Bearbeiten]

Die helle Farbe hebt die Ziege stärker von ihrer Umgebung ab, aus der Entfernung ist sie so leichter auszumachen, das abendliche Auffinden ist damit erleichtert.

Hornlosigkeit[Bearbeiten]

Hornlose Tiere benötigen weniger Platz und sind untereinander friedlicher. Der Umgang mit den Ziegen ist für den Menschen unproblematischer. Sehr früh wurde schon auf genetische Hornlosigkeit gezüchtet, da diese Ziegen mehr Milch geben. Im 18. Jahrhundert war das Fell der weißen Ziegen noch wesentlich länger als bei der heutigen Saanenziege.

Hohe Milchleistung[Bearbeiten]

Die Milchleistung war das wichtigste Kriterium bei der Züchtung, Platz und Futter waren oft nicht genügend vorhanden. Die Saanenziege gibt im Schnitt fünfmal so viel Milch wie Ziegen die in großer Anzahl im subtropischen Klimazonen gehalten werden und dren Milch die wichtigste Ernährungsgrundlage für mehrere Millionen Menschen ist.

Geringer Bewegungstrieb[Bearbeiten]

Da die Ziegen ursprünglich jeden Abend heimgetrieben wurden war ein stark ausgeprägter Bewegungstrieb ausgeschlossen, da man oft lange nach den Tieren suchen musste. Ziegen die sich oft von der Gruppe entfernten wurden von der Zucht ausgeschlossen. Dieses Merkmal unterscheidet die Saanenziege von vielen Schweizer Gebirgsrassen, die auf Marschtüchtigkeit gezüchtet wurden.

Körperliche Merkmale[Bearbeiten]

Die Größe der Weibchen beträg 74-85 cm (Böcke 80-95 cm), sie haben ein Mindesgewicht von ca. 50 kg (Böcke 75 kg). Das Fell ist kurzhaarig, glatt anliegend und reinweiß. Kleine Pigmentflecken sind erlaubt und besonders auf dem Euter häufig.

Vor wenigen Jahrzehnten entdeckte man, dass die bei vielen genetisch hornlos gezüchteten Ziegenrassen häufig Geschlechtsanomalien autreten (Zwitterbildung, Unfruchbarkeit, Samenstau) die in direkten genetischen Zusammenhang mit der Hornlosigkeit stehen, bei gehörten Ziegen sind diese Probleme unbekannt. Darum werden nur gehörnte (bzw. enthornte) Ziegen zur Zucht zugelassen.

Neben dem Haupttyp gibt es in der Schweiz noch einige lokale Schläte. Meistens sind sie kleiner, gehörnt und mit längeren Fell. Sie besitzen eine bessere Anpassung an die Haltung im Gebirge auf Kosten einer geringeren Milchleistung.

Wesen[Bearbeiten]

Die Saaneziege ist von ruhigen, stoischen Gemüt. Sie ist gegenüber Menschen und Artgenossen kontaktfreudig, aber äußerst friedfertig und überlässt in gemischtrassigen Herden trotz ihrer Körpergröße bereitwillig anderen, agileren Ziegen die Leitpositionen. Auf Ziegenalpen, auf denen Ziegen mehrerer Rassen von verschiedenen Bauern gesömmert werden, haben die Vertreter der Saanenrasse oft Mühe bzw. ein geringes Interesse, mit den anderen Ziegen mitzuhalten. Ihr Herdentrieb ist eher schwach ausgeprägt, manche Individuen sind regelrechte Einzelgänger.

Ihr Bewegungsdrang mag in Vergleich gegenüber anderer (Gebirgs-)Ziegenrassen gering sein, ist aber dennoch so groß, dass ganzjährige Stallhaltung, besonders in Anbindehaltung heutzutage als nicht artgerecht gilt.

Leistung[Bearbeiten]

Saaneziegen geben in der Schweiz bei landestypischer Fütterung mit hohem Raufutteranteil pro Laktationsperiode durchschnittlich 856,1 kg Milch bei im Schnitt 271,4 Melktage, was 3,15 kg pro Melktag entspricht. Unter den Schweizer Ziegenrassen ist das ein Spitzenwert, 102 kg oder 12% höher als der der Gemsfarbigen. Solche Vergleiche besitzen aber nur beschränkte Aussagekraft, da für die Milchproduktion neben der Rasse die Art der Haltung eine wichtige Rolle spielt und Saaneziege häufiger intensiv gehalten werden als andere Rassen.

Die British Saanen, eine Ziegenrasse, die aus einer Kreuzung der Saaneziege mit englischen Landrassen hervorging, bringt bei britischer Fütterung durchschnittlich 1261 kg bei 3,68% Fett und 2,8% Milcheiweiß, was sie zu einer der ergiebigsten Rassen weltweit macht.

Spitzentiere der Saanerasse geben über 3000 kg Milch pro Laktation. Diese Exemplare sind nicht nur die besten Ziegen, sondern auch die effektivsten Milchnutztiere überhaupt, sowohl, wenn man ihr Körpergewicht als auch, wenn man die aufgenommene Futtermenge in Relation zur erbrachten Milchleistung setzt. (Aus ökonomischer Sicht (Arbeitsaufwand, Haltungskosten) ist jedoch Kuhmilch etwa ums doppelte profitabler.)

Solche Höchstleistungen werden durch einen im Verhältnis zur Körpergröße sehr großem Pansen ermöglicht, der die Voraussetzung zu einem hohen Energieumsatz schafft, sowie durch einen Stoffwechsel, der einen großen Teil der aufgenommenen Energie für die Milchproduktionen verwendet. Damit verbleiben dem Organismus der Hochleistungsziegen allerdings nur wenig Reserven, um auf körperliche Belastung, widrige Witterungsverhältnisse oder Krankheiten erfolgreich reagieren zu können. Deshalb fallen Saaneziegen harten Umweltbedingungen, (wie sie etwa auf Hochalpen vorherrschen, im Tal auch die nasskalten, in der Schweiz als „Geißenmörder“ bezeichneten Frühlingswinde), ausgesetzt, überdurchschnittlich häufig Krankheiten, Fehlgeburten oder gar dem Tod zum Opfer. Dies ist der Grund, weshalb sie bei den Schweizer Gebirgsbauern, die stolz auf ihre lokalen, robusten und marschtüchtigen Gebirgsziegen sind, keinen guten Ruf genießen. „Las chavras albas sun fallatschusas“ heißt es etwa im Engadin, „Die weißen Ziegen sind mißraten“ (im Sinne von wenig widerstandsfähig).

Bestand[Bearbeiten]

Im Zuge der allgemeinen Verbesserung der Lebensstandards, der Einführung der Schulpflicht, die die Kinder als Arbeitskraft für die Ziegenhaltung abzog und der Industrialisierung der Landwirtschaft nahm in Europa der Bestand an Ziegen seit den 1950er Jahren stark ab, da Ziegenhaltung zwar kostenarm, aber auch sehr arbeitsaufwändig ist. Von diesem Rückgang war die Saaneziege weniger stark betroffen als andere Schweizer Ziegenrassen, die an den Rand des Aussterbens gerieten, da ihre Eigenschaften, besonders die hohe Milchleistung und der relativ gering ausgeprägte Bewegungstrieb sie zur intensiven Haltung in industrialisierten Großbetrieben prädestiniert. Lange Zeit war sie die mit Abstand häufigste Rasse. Seit den 1990er Jahren nimmt in der Schweiz der Bestand an Ziegen wieder zu, nicht zuletzt weil man ihren Nutzen bei der Landschafts- und Weidepflege erkannte. Der Bestand an Saaneziege steigt seit dieser Zeit weniger stark, da sich immer mehr Züchter für robustere Ziegenrassen mit besserer Eignung zur extensiven Haltung entscheiden, allen voran die Gemsfarbige Gebirgsziege. Trotzdem bleibt die Saanerasse die zweithäufigste in der Schweiz und gilt selbstverständlich als nicht gefährdet.

Die Saaneziege wurde weltweit exportiert und in viele lokale Ziegenrassen eingekreuzt und konnte durch ihre Anlage zu sehr hoher Milchleistung sicherlich ihren Teil dazu betragen, Ziegenzucht insgesamt lukrativer zu machen und begründete maßgeblich den hervorragenden Ruf, den die Schweizer Zuchtziegen international genießen. Sie ist z. B. in Großbritannien, Südafrika, Tschechien, USA, Israel, Frankreich, Mexiko, China und Australien eine anerkannte Zuchtziege und stellt dort einen nennenswerten Anteil des nationalen Ziegenbestandes. Meist behielt sie ihren Namen auch im Ausland bei, nur in Deutschland wurden 1937 die Nachkommen importierter Saaneziegen kurzerhand in „Weiße Deutsche Edelziege“ umbenannt. Auch die Bestände von Ziegenzuchtbetrieben, die nicht rasserein züchten, sondern nach Leistung selektieren sind häufig stark vom Genmaterial der Saaneziegen beeinflusst.

Wenig sinnvoll bis kontraproduktiv ist jedoch das Einkreuzen von europäischen Hochleistungsmilchziegen in Rassen, die extensiv in Gebieten großer Hitze und Trockenheit gehalten werden. Die Milchleistung kann nur unwesentlich gesteigert werden und die genetisch bedingte Anpassung der dortigen Ziege an Hitze und Dürre kann verloren gehen. Gall berichtet von Entwicklungshelfern, die versuchten, die Versorgung mit Ziegenmilch der Bevölkerung in tropischen Ländern durch Einkreuzen von Saaneböcken zu verbessern. Die Ergebnisse wurden im Nachhinein als desaströs bezeichnet. Zwar konnte eine gewisse Steigerung der Milchmenge verzeichnet werden (die aber weit hinter den Erwartungen zurückblieb), dieser Vorteil wurde jedoch dadurch, dass die Nachkommen der Saaneböcke, wie sich bald herausstellte, dortzulande nur eine geringe Lebenserwartung besaßen ins Gegenteil gekehrt.