Verschwörungstheorien

Aus Twilight-Line Medien

Als Verschwörungstheorie wird im weitesten Sinne der Versuch bezeichnet, einen Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken einer meist kleinen Gruppe von Akteuren zu einem oftmals illegalen oder illegitimen Zweck.

In der Forschungsliteratur werden häufig unterschieden

  • Verschwörungshypothesen (auch Zentralsteuerungshypothesen) und
  • Verschwörungsideologien und Verschwörungsmythen

Verschwörungshypothesen machen rationale, überprüfbare und dadurch falsifizierbare oder verifizierbare Aussagen über angenommene Verschwörungen. Beispiele hierfür sind Vermutungen über die Watergate- oder die Iran-Contra-Affäre, die vor deren Aufklärung aufgestellt und schließlich bestätigt wurden. Verschwörungsideologien hingegen immunisieren ihre stereotypen und monokausalen Vorstellungen über Verschwörungen gegen kritische Revision. Ein Beispiel hierfür ist die Annahme, die Mondlandung 1969 hätte nicht wirklich stattgefunden, die Aufnahmen vom Mond wären auf der Erde gemacht worden. Verschwörungsmythen schließlich sind Verschwörungsideologien, deren angebliche Verschwörer zudem keine real existierenden, sondern erfundene Personen sind. Der in der breiten Öffentlichkeit verwendete Begriff Verschwörungstheorie wird zumeist im Sinne von Verschwörungsideologie oder Verschwörungsmythos benutzt und somit kritisch oder abwertend gebraucht.

Verschwörungstheorien kamen nach Vorläufern in Antike und Mittelalter gehäuft in der Zeit der Französischen Revolution auf. Seit dem Jahr 1798 ist die Verschwörungstheorie verbreitet, diese und zahlreiche andere als Übelstand eingeschätzte Phänomene seien das Werk des 1785 verbotenen bayrischen Illuminatenordens. Ähnliche Vorwürfe werden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Juden gemacht. Diese antisemitischen Verschwörungstheorien trugen zum Holocaust bei. Antisemitische und andere Verschwörungstheorien sind seit längerer Zeit in Teilen der islamischen Welt weit verbreitet. Verschwörungstheorien waren ein wichtiger Bestandteil der Herrschaftslegitimation des Stalinismus. Diese Beispiele zeigen, wie Verschwörungstheorien zur Konstruktion von Feindbildern und damit zur Legitimation von Gewalt benutzt werden können. Seit dem Zweiten Weltkrieg werden sie insbesondere in den Vereinigten Staaten gegen die Regierung gerichtet. Beispiele hierfür sind das Attentat auf John F. Kennedy oder Verschwörungstheorien zum 11. September 2001. Das Auftreten des Internets und des Rechtspopulismus haben die Verbreitung von Verschwörungstheorien sehr begünstigt. In diesem Kontext verbreiten sich Fehlinformationen und Verschwörungstheorien in Bezug auf aktuelle naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse, etwa zum Klimawandel oder zu Impfungen, schnell und unkontrolliert und können somit auch Politikpräferenzen beeinflussen.

Die Frage nach den Konjunkturen der Verschwörungstheorien, das heißt, wieso es zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern mal mehr, mal weniger davon gab, wird in der Forschung unterschiedlich beantwortet. So gelten sie etwa als ein Krisensymptom, als ein Überbleibsel mythischen, unaufgeklärten Denkens oder im Gegenteil als Begleitphänomen der Aufklärung. Psychologisch lassen sich Verschwörungstheorien als Paranoia deuten, wenngleich die Mehrzahl der Forscher den Anhängern von Verschwörungstheorien keine psychische Störung unterstellt. Häufiger sind Deutungen als Projektionen. Verschwörungstheorien dienen dem überlasteten Menschen in überfordernden Situationen zur Komplexitätsreduktion und zur Aufrechterhaltung des Glaubens an die Durchschaubarkeit der Realität und die Selbstwirksamkeit des Subjekts. Die Neigung, an Verschwörungstheorien zu glauben, scheint nach mehreren Untersuchungen ein Persönlichkeitsmerkmal zu sein: Für Menschen, die an eine Verschwörungstheorie glauben, besteht eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, auch an weitere zu glauben.

Aus wissenssoziologischer Perspektive werden Verschwörungstheorien als Form heterodoxen Wissens dargestellt; das heißt, sie werden vom gesellschaftlichen Mainstream als nicht-orthodox bzw. regelrecht falsch zurückgewiesen. Das Wort Verschwörungstheorie wird zum Teil sachlich-analytisch verwendet, oft aber abwertend oder als Kampfbegriff. In der postmodernen Literatur und in Unterhaltungsromanen sind Verschwörungstheorien ein beliebtes Sujet.

Merkmale und Haupttypen[Bearbeiten]

Wortbestandteile[Bearbeiten]

Dem Wortsinn nach ist eine Verschwörungstheorie eine Theorie über eine Verschwörung. Dieses Verständnis ist aber in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen sind Verschwörungstheorien nach dem gängigen Begriffsverständnis keine Theorien im wissenschaftstheoretischen Sinn des Wortes, also keine „Systeme begründeter Aussagen, die die Erklärung komplexer Phänomene zum Ziel haben und auf der Grundlage methodischer, d.h. zielgerichteter und planmäßiger Verfahren zustande kommen“. Weil sie weder auf einer ergebnisoffenen Fragestellung noch auf einer daraus abgeleiteten nachvollziehbaren Methodik basieren, bezeichnen die Historikerin Katrin Götz-Votteler und die Kunsthistorikerin Simone Hespers sie als „Resultat einer subjektiven Interpretation selektiver Wahrnehmungen“. Die Bezeichnung Verschwörungstheorie sei daher irreführend. Besser sollten sie als Verschwörungsideologien oder Verschwörungsmythen bezeichnet werden.

Laut dem amerikanischen Philosophen Brian L. Keeley handelt es sich bei so verstandenen Verschwörungstheorien aber durchaus um die Erklärungen von Ursachen von Phänomenen der Vergangenheit, weshalb die Bezeichnung Theorie in einem weiteren Sinn zutreffend sei. Der deutsche Philosoph Christian List und die britische Politikwissenschaftlerin Laura Valentini definieren Theorie als eine Menge von Aussagen, die geeignet sind, die Implikationen eines ihnen zugrundeliegenden Prinzips zu repräsentieren. Insofern sei auch eine extrem unplausible Verschwörungstheorie eine Theorie.

Der norwegische Religionswissenschaftler Asbjørn Dyrendal macht darauf aufmerksam, dass Verschwörungs-„theorie“ im alltäglichen Sprachgebrauch für eine Ansammlung locker aufeinander bezogener Vorstellungen oder Erzählungen über Agenten gebraucht wird, die in böses Tun verwickelt sind und von oft nebulösen, aber intrinsischen Motiven geleitet werden.

Auch Michael Butter weist die – nur in Deutschland geführte – Kritik an der Bezeichnung Verschwörungstheorie zurück, da Verschwörungstheorien mit Alltags- oder wissenschaftlichen Theorien auf einer formalen Ebene viel gemeinsam hätten. Die Bezeichnung Verschwörungstheorie sei als Oberbegriff im Gegensatz zu den vorgeschlagenen Alternativen „Verschwörungsmythos“ und „Verschwörungsideologie“ in allen Kontexten inhaltlich korrekt. Die meisten Autoren verwenden die Bezeichnung Verschwörungstheorie weiterhin, sie gilt als in der Forschung etabliert.

Auch der erste Bestandteil des Begriffs ist problematisch: Eine Verschwörung wird nämlich definiert als das geheime Zusammenwirken einer zumeist kleinen Gruppe zum Schaden anderer. Der Begriff ist also negativ konnotiert: Von „Verschwörungen zum Guten“ liest man nur selten. Seine englische Entsprechung conspiracy bezeichnet den Straftatbestand der kriminellen Vereinigung bzw. Beteiligung an einer Straftat. Verschwörungstheorien gehen oft mit einer dualistischen Weltsicht einher, sie laden dazu ein, die Welt in Gut und Böse, in „wir“ und „sie“ einzuteilen. Auch wenn sie vorgeben, rein deskriptiv vorzugehen, liefern sie keine positiven Aussagen, sondern agieren vor allem auf dem Feld normativer Aussagen.

Liste mit Verschwörungstheorien[Bearbeiten]