Dienstbote

Aus Twilight-Line Medien

Ein Dienstbote (im 17. und 18. Jahrhundert auch Ehehalt) ist im weiteren Sinne eine ständig im Haushalt wohnende angestellte Hilfskraft für Arbeiten in der Haus- und Landwirtschaft. Im engeren Sinne ist es eine im Haushalt beschäftigte Arbeitskraft. Als Blütezeit des Dienstbotenwesens in Westeuropa gilt das 19. und das beginnende 20. Jahrhundert. Für bürgerliche Haushalte in dieser Zeit war die Beschäftigung mindestens eines Dienstmädchens ein wesentliches Merkmal des eigenen Standes. Dienstboten sind heute noch in Ländern weit verbreitet, die ein starkes Einkommensgefälle aufweisen und in denen sich die Beschäftigungssituation zwischen städtischen und ländlichen Regionen stark unterscheidet.

Aufgaben[Bearbeiten]

In Westeuropa waren Dienstboten typischerweise weiblich. Einer Umfrage zufolge waren im Jahr 1882 in Berlin 96,8 % der Dienstboten weiblichen Geschlechts. Die Beschäftigung männlicher Dienstboten war auf großbürgerliche und adelige Haushalte beschränkt, da diese einen höheren Lohn erhielten. Dienstmädchen gehörten zum typischen Dienstpersonal in gut situierten bürgerlichen, aber auch kleinbürgerlichen Haushalten. Darin unterschieden sich Dienstmädchen von Mägden – weiblichen Dienstboten, die die „niedereren“ und körperlich härteren Arbeiten, typischerweise in landwirtschaftlichen Betrieben durchführten („Scheuermagd“, „Kuhmagd“). Das klassische Dienstmädchen des 19. Jahrhunderts war für jegliche Hausarbeit zuständig. Die Arbeitszeit betrug bis über 16 Stunden täglich, die Kost und Unterkunft galten als karg. Für nicht dauerhaft beschäftigte Frauen war Ende des 19. Jahrhunderts der Begriff „Stundenmädchen“ geläufig; waren in einem Haushalt mehrere Dienstmädchen angestellt, so gab es „Zweitmädchen“, die zum Beispiel nicht kochten oder sich nicht um die Kinder kümmerten, sondern putzten, aufräumten, die Wäsche wuschen und nähten.

Feminisierung und Verstädterung im 19. Jahrhundert[Bearbeiten]

Mit der Industrialisierung setzte in Westeuropa zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein starker Strukturwandel ein. Noch in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stellte das landwirtschaftlich-gewerbliche Gesinde die zahlenmäßige Übermacht. Durch die Industrialisierung entstanden Beschäftigungsmöglichkeiten, die es insbesondere der männlichen ländlichen Bevölkerung ermöglichte, Arbeit außerhalb der Landwirtschaft zu finden. Gleichzeitig gelangte ein städtisches Bildungs- und Besitzbürgertum bestehend aus Ärzten, Bankiers, Beamten, Pfarrern, Professoren, Anwälten und Unternehmern zu Wohlstand.

Dieser Schicht des Bürgertums erlaubten weder ihre Wohnsituation noch ihre finanziellen Ressourcen, ein mehrköpfiges Gesinde zu beherbergen und zu beschäftigen. Üblich wurde stattdessen die Beschäftigung von einem oder mehreren Dienstmädchen, die alle haushaltstypischen Arbeiten ausführten. In den 1880er Jahren waren in Europa zwischen 30 und 40 Prozent aller als erwerbstätig registrierten Frauen in privaten Haushalten tätig. Detaillierte Zahlen aus einzelnen europäischen Ländern bestätigen dies. So war 1851 jede dritte britische Frau im Alter zwischen fünfzehn und 24 Jahren als Dienstmädchen beschäftigt. Unabhängig vom Alter galt dies für mehr als jede sechste britische Frau. Insgesamt betrug der Anteil an Dienstboten unter der weiblichen Erwerbsbevölkerung 40 Prozent. Der Teil der Frauen, die dagegen mit Fabrikarbeit ihr Brot verdienten, lag im früh industrialisierten Großbritannien bereits 1851 etwas darüber. Um 1900 war der Anteil der Dienstboten nur geringfügig gefallen. Von den vier Millionen erwerbstätigen britischen Frauen arbeiteten rund anderthalb Millionen als Dienstboten.

Umgekehrt beschäftigten zwischen 1851 und 1871 von 100 britischen Haushalten je 35 einen Dienstboten und 25 hatten zwei. Einige der verbliebenen 40 Haushalte verfügten über mehr als zwei Dienstboten, der größte Teil jedoch keinen. Die Beschäftigung von Dienstboten war nicht notwendigerweise ein Indiz von Wohlhabenheit. Die Ende des 19. Jahrhunderts aufgewachsene britische Schauspielerin Sybil Thorndike, deren Vater Kanoniker an der Kathedrale von Rochester war, betonte in Interviews mehrfach, wie ärmlich ihre Kindheit und Jugend gewesen sei. Nichtsdestotrotz beschäftigte ihre Familie nicht weniger als vier Dienstboten. In E. M. Delafields überwiegend autobiografisch geprägten Roman Tagebuch einer Lady auf dem Lande, der das Leben einer britischen Familie der oberen Mittelschicht in den 1930er Jahren erzählt, wird trotz der finanziell angespannten Situation der Familie eine Köchin und ein Dienstmädchen beschäftigt sowie die Tochter des Hauses von einer französischen Gouvernante erzogen.

Die Historikerin Judith Flanders argumentiert auf Basis der verfügbaren Statistiken, dass konträr zur heutigen Vorstellung in zahlreichen bürgerlichen Haushalten des 19. Jahrhunderts Frauen, die der bürgerlichen Mittelschicht zuzurechnen waren, entweder gemeinsam mit ihrem Dienstmädchen die Hausarbeit leisteten beziehungsweise viele Bürgerfrauen ohne jegliche Hilfe auskommen mussten. Ratgeber um 1900 rieten tatsächlich Haushalten, die der unteren Mittelklasse zuzurechnen waren, von der Beschäftigung von Dienstboten ab. Für sinnvoller wurde es gehalten, wenn diese Haushalte gelegentlich für grobe Arbeiten Wäscherinnen und Zugehfrauen stundenweise beschäftigten. Nur die wohlhabendsten Haushalte konnten es sich erlauben, eine so große Zahl an Dienstboten zu beschäftigen, dass der weibliche Teil der Dienstherrschaft keinen Arbeitsanteil an der Hausarbeit übernahm.

Quellen[Bearbeiten]