Kritischer Punkt (Thermodynamik)

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In der Thermodynamik ist ein kritischer Punkt ein Extremwert einer Binodalen, an dem letztere ein Minimum oder ein Maximum des Drucks p und der Temperatur T durchläuft. Kritische Punkte treten in Zustandsräumen thermodynamischer Systeme auf, in denen eine Binodale ein Koexistenzgebiet, in dem koexistierende Phasen stabil sind, von einem Bereich abtrennt, in dem eine homogene Phase stabil ist. Bei thermodynamischen Systemen, die kritische Punkte aufweisen, kann es sich beispielsweise um Reinstoffe handeln, in deren Zustandsraum Koexistenzgebiete zwischen einer flüssigen Phase und einer Gasphase existieren. Weiterhin können flüssige Gemische, die eine Mischungslücke aufweisen, kritische Punkte besitzen.

Alle in der Umgebung des kritischen Punktes existierenden Phasen, also sowohl die koexistierenden Phasen des Koexistenzgebietes als auch die homogene Phase außerhalb, sind Fluide – also Phasen, in denen die einzelnen Teilchen sich frei im Raum bewegen können (physikalisch formuliert: Translationsbewegungen vollführen können). Hierunter fallen Gase, Flüssigkeiten inklusive flüssiger Mischungen sowie überkritische Fluide (siehe unten). Kritische Punkte sind dabei thermodynamische Zustände, in denen die koexistierenden Phasen des Koexistenzgebietes und die homogene Phase außerhalb ununterscheidbar werden.

Das Konzept "kritischer Punkt" wird in der Festkörperphysik analog angewendet, um das Phasenverhalten magnetischer und ferroelektrischer Materien unterhalb der Curie-Temperatur zu beschreiben.

Kritische Punkte in Zustandsraum thermodynamischer Systeme[Bearbeiten]

Binodalen trennen im Zustandsraum des betrachteten thermodynamischen Systems Zustände, in denen ein thermodynamisches System im Gleichgewicht als homogene Phase vorliegt, von Zuständen, in denen das thermodynamische System im Gleichgewicht koexistierende Phasen ausbildet. Koexistierende Phasen müssen im Gleichgewicht denselben Druck und dieselbe Temperatur aufweisen, unterscheiden sich aber zumindest in einer weiteren Zustandsgröße. Daher entsprechen den koexistierenden Phasen jeweils Zustandspunkte gleichen Drucks und gleicher Temperatur, die beiderseits des kritischen Punktes auf der Binodalen lokalisiert sind und die sich zumindest in einer weiteren Zustandsgröße unterscheiden. Diese Zustandspunkte werden jeweils durch Konoden verbunden, die innerhalb des Koexistenzgebietes auf den jeweiligen Isobaren und Isothermen liegen.

Die zu kritischen Punkten gehörenden Drücke werden als kritische Drücke, die zu kritischen Punkten gehörenden Temperaturen als kritische Temperaturen bezeichnet. Nähert man Druck und Temperatur des betrachteten thermodynamischen System an, wandern die den koexistierenden Phasen entsprechenden Zustandspunkte auf der Binodalen in Richtung des kritischen Punktes, bis sie sich dort treffen. Entsprechend nimmt die Länge der Konode immer weiter ab, bis diese im kritischen Punkt gleich null wird. Die Werte der Zustandsgrößen, in denen sich die koexistierenden Phasen unterscheiden, nähern sich ebenso wie deren chemische Potentiale einander an und werden im kritischen Punkt identisch. Da somit die koexistierenden Phasen als solche im kritischen Punkt identisch werden, bilden diese dort eine einheitliche homogene Phase. Am kritischen Punkt treffen sich die kritische Isobare, die kritische Isotherme und die kritischen Isolinien der Zustandsgrößen, in denen sich die koexistierenden Phasen unterscheiden. Die kritische Isobare sowie die kritische Isotherme weisen dabei am kritischen Punkt einen Horizontalwendepunkt auf. Weiterhin sind kritische Punkte die einzigen gemeinsamen Punkte von Binodalen und Spinodalen.

Projiziert man den Zustandsraum eines thermodynamischen Systems, das einen kritischen Punkt aufweist, in die Druck-Temperatur-Ebene, werden die Binodale sowie das Koexistenzgebiet im so erhaltenen Phasendiagramm durch eine Phasengrenzlinie repräsentiert, die am kritischen Punkt endet. Der Grund hierfür ist, dass die Äste der Binodalen beiderseits des kritischen Punktes in der Druck-Temperatur-Ebene aufeinander zu liegen kommen, da die koexistierenden Phasen jeweils den gleichen Druck und die gleiche Temperatur aufweisen müssen.

Kritische Phänomene[Bearbeiten]

In der Umgebung des kritischen Punktes werden die Eigenschaften einzelner Stoffe durch universelles kritisches Verhalten bezüglich diverser physikalischer Eigenschaften überlagert.

Ein Beispiel für kritisches Verhalten ist kritische Opaleszenz. Im Koexistenzgebiet in unmittelbarer Nähe des kritischen Punktes sind die Unterschiede zwischen den koexistierenden Phasen so klein, dass ein Übertritt von Teilchen von der einen zur anderen koexistierenden Phase nur mehr mit geringen Übertrittsbarrieren verbunden ist. Als Folge wechseln viele Teilchen die Phase. Aufgrund dessen verschwindet die makroskopische Trennung der koexistierenden Phasen in große homogene Bereiche, in denen nur jeweils eine der beiden Phasen vorliegt. Stattdessen tritt eine sehr feine Struktur aus beiden koexistierenden Phasen auf, deren charakteristische Längenskalen in der Nähe des kritischen Punktes so klein werden, dass es an diesen zur Streuung von sichtbarem Licht kommt. Als Folge bildet das betrachtete fluide thermodynamische System Schlieren und/oder wird trüb beziehungsweise opak.

In Gegenwart einer nichtkritischen (also unveränderlichen) Grenzfläche kann sich in der Umgebung des kritischen Punktes durch Benetzungsübergänge das Benetzungsverhalten einer flüssigen Mischung ändern.