Materie (Physik)

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Unter Materie versteht man in der klassischen Physik und der Chemie alles, was Platz braucht und Masse hat, also etwa chemische Stoffe beziehungsweise Materialien sowie deren Bausteine. Demgegenüber stehen die Begriffe Vakuum und Kraftfeld, die unabhängig von der Anwesenheit von Materie einen Zustand des Raums beschreiben, der nicht mit einer Masse verbunden ist.

In der modernen Physik wird der Begriff Materie heute gegenüber den Begriffen Vakuum und Feld nicht mehr einheitlich abgegrenzt. In den Lehrbüchern der Physik wird der Materiebegriff überwiegend ohne eine genauere Definition vorausgesetzt. In seiner engsten Bedeutung meint man mit dem Begriff Materie alle Elementarteilchen mit Spin, also Quarks und Leptonen, sowie alles daraus aufgebaute, wie Atome, Moleküle, feste, flüssige und gasförmige Stoffe, bis hin zu Sternen und Galaxien.

Die Entwicklung des physikalischen Materiebegriffs[Bearbeiten]

Herausbildung[Bearbeiten]

Ein konkreter physikalischer Begriff der Materie festigte sich innerhalb des äußerst vielschichtigen philosophischen Begriffs von Materie, als gegen 1600 die experimentellen Naturwissenschaften entstanden. In seiner allgemeinsten, ontologischen Bedeutung bezeichnete der philosophische Begriff als Materie alles, was im weitesten Sinn geformt werden kann und im Extremfall überhaupt erst einer Formung bedarf, damit etwas Bestimmtes, das wir erkennen können, entstehen kann. In der engeren Bedeutung bezeichnete er die stoffliche Materie, aus der die Körper bestehen. Auf diese Materie konzentrierte sich die mit Galilei beginnende Entwicklung der Physik. Zu den primären Eigenschaften der stofflichen Materie, also den allgemeinsten Eigenschaften der materiellen Körper, wurden Ausdehnung, Teilbarkeit, Fähigkeit zur Ruhe oder Bewegung und Widerstand gegenüber Bewegung gezählt. Für die Gesamtmenge der Materie wurde auch bereits ein Erhaltungssatz angenommen, was unter anderem die Frage aufwarf, wodurch die Menge zu bestimmen sei. Das Gewicht eines Körpers schied als Maß für die in ihm enthaltene Materiemenge zunächst aus, denn nach der zu Galileis Zeiten noch stark von Aristoteles beeinflussten Lehre galt Schwere gar nicht als Eigenschaft aller materiellen Körper.

Johannes Kepler näherte sich dem gesuchten Maß über die Trägheit der Körper gegenüber Bewegungen, während René Descartes die rein geometrische Eigenschaft der Raumerfüllung für das eigentliche Maß hielt. Isaac Newton war Atomist und sah folglich materielle Körper zusammengesetzt aus unteilbaren Teilchen sowie dazwischen liegendem leerem Raum. Die Menge der Teilchen (lat. quantitas materiae) bestimmte er mathematisch durch das Produkt aus Volumen und Dichte des Körpers, wobei die Dichte offensichtlich als Teilchenmenge pro Volumeneinheit verstanden wurde. In seiner Mechanik gab er der Materiemenge unter dem Namen „Körper“ oder „Masse“ eine zentrale Rolle: die Masse eines materiellen Objekts zieht sowohl seine Trägheit als auch sein Gewicht nach sich. Erst hierdurch wurde aus der Masse bzw. der Menge an Materie eine naturwissenschaftlich definierte Größe. Für die Erklärung der mechanischen Vorgänge auf der Erde wie auch der Bewegungen der Himmelskörper hatte die so begründete Newtonsche Mechanik einen überragenden Erfolg, der auch wesentlich zur Ausbreitung des naturwissenschaftlichen Weltbilds beigetragen hat.

Im Einklang mit dem alltäglichen Umgang mit materiellen Körpern, und mit den Möglichkeiten damaliger Experimentierkunst, hielt man deren Masse und Raumbedarf für weitgehend unveränderlich, jedenfalls im Hinblick auf mechanische Vorgänge mit einem gegebenen Stück fester Materie. Erst als von Robert Boyle, Edme Mariotte, Blaise Pascal und anderen entdeckt wurde, dass auch Luft wohlbestimmte mechanische Eigenschaften hat, darunter sogar auch Gewicht, wurden die Gase zu physikalischen Körpern, die allerdings im Unterschied zu festen und flüssigen Körpern nicht mehr das Kriterium eines bestimmten Raumbedarfs erfüllten, da sie bestrebt sind, jeden zur Verfügung gestellten Raum einzunehmen.

Damit rückten im 17. Jahrhundert auch „chemische“ Vorgänge wie Verdampfen, Kondensieren und Sublimieren in den Bereich der Physik. Boyle konnte diese Umwandlungen mit der Annahme einer atomistischen Struktur der Materie (nach Pierre Gassendi, Lukrez, Demokrit) in dem noch heute gültigen Bild als rein mechanische Vorgänge deuten:Atome, die wieder wie feste Körper als undurchdringlich angenommen wurden, können sich verschieden anordnen und haben in Gasen einen großen Abstand voneinander. Boyle bereitete auch die Begriffe des chemischen Elements und des Moleküls und damit die Überwindung der Alchemie vor. Er vermutete, dass jeder homogene Stoff aus kleinen gleichen Teilchen – nach heutiger Bezeichnung eben den Molekülen –, bestünde, und dass die Moleküle ihrerseits aus Atomen aufgebaut seien. Dabei seien die Moleküle verschiedener Stoffe verschieden, die Anordnung der Atome in den Molekülen aber je nach Stoff genau festgelegt. Dann würden wenige verschiedene Arten von Atomen ausreichen, die große Vielfalt verschiedener Stoffe zu erklären, nämlich durch die Vielfalt der möglichen Kombinationen und räumlichen Anordnungen der Atome in den Molekülen. Nachdem gegen Ende des 18. Jahrhunderts Antoine de Lavoisier die Erhaltung der Masse bei chemischen Stoffumwandlungen – vor allem auch bei Reaktionen mit Entstehung oder Verbrauch von Gasen – nachgewiesen hatte, machte John Dalton ab 1803 die Annahme unveränderlicher und unvergänglicher Atome endgültig zur Grundlage einer neuen Chemie. Diese konnte mit außerordentlichem Erfolg die Vielzahl der Stoffe und ihr Verhalten detailliert erklären und daher im Laufe des 19. Jahrhunderts die Alchemie aus der Wissenschaft verdrängen.

Quellen[Bearbeiten]

  • Max Jammer: Der Begriff der Masse in der Physik. 3. Aufl., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, ISBN 3-534-01501-0.