Zweite Lautverschiebung

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Die Zweite Lautverschiebung, in der Literatur auch deutsche, hochdeutsche, althochdeutsche und zweite germanische Lautverschiebung genannt, ist die sprachwissenschaftliche Beschreibung eines regelhaften Lautwandels im Bereich des Konsonantismus, durch den sich die nachmaligen hochdeutschen Dialekte von den übrigen altgermanischen Varietäten fortentwickelten.

Zwei Konsonantenverschiebungen haben geschichtlich vom Indogermanischen über das Germanische zum Hochdeutschen geführt: die erste und die zweite Lautverschiebung. Durch die zweite Lautverschiebung wurde aus den südlichen westgermanischen Dialekten die althochdeutsche Sprache. Die Grenze dieser Lautverschiebung verläuft von West nach Ost, heute mehr oder weniger am Mittelgebirgsrand; sie wird als Benrather Linie bezeichnet.

Der Beginn dieser Veränderung wurde traditionell (etwa mit Hilfe von ehemals lateinischen Ortsnamen, bei denen die Gründung der Orte archäologisch datierbar ist) auf das frühe 6. Jahrhundert n. Chr. datiert. Nach mehreren neu gefundenen Inschriften, wie etwa der Runenschnalle von Pforzen, begann sie jedoch erst ab ca. 600 (falls nicht die Schreibung konservativ ist und die neuen Laute noch nicht wiedergibt).

Bei der zweiten Lautverschiebung handelte es sich um einen längerfristigen und mehrphasigen Prozess, der zu Beginn der Überlieferung des Althochdeutschen im 8. Jahrhundert n. Chr. noch nicht ganz abgeschlossen war. Die Ursachen für diese Lautverschiebung werden in der Forschung seit langem kontrovers diskutiert.

Mögliche Ursachen[Bearbeiten]

Für die Ursachen des Lautwandels gibt es verschiedene Hypothesen. Jacob Grimm vermutete, dass die Zweite Lautverschiebung vom physiologischen Stress der Völkerwanderungszeit verursacht wurde. Er hielt es für unmöglich, dass „ein so heftiger Aufbruch des Volkes nicht auch seine Sprache erregt hätte, sie zugleich aus hergebrachter Fuge rückend und erhöhend“. Julius Pokorny behauptete, dass der Lautwandel von einem Klimawandel verursacht worden sei. Er meinte, es habe um die Mitte des 1. Jahrtausends vor Christus in Europa einen Klimasturz gegeben. Die Menschen in den Höhenzügen Süddeutschlands und im Alpenraum seien deshalb gezwungen gewesen, mit festem Mundverschluss zu artikulieren, was eine Verstärkung der Aspiration zur Folge hatte. Sigmund Feist, Autor der germanischen Substrathypothese, vermutete, die Änderungen im Hochdeutschen seien von einem nicht-indogermanischen Substrat verursacht worden, spezifisch der – möglicherweise dem Etruskischen verwandten – rätischen Sprache. Für all diese Hypothesen gibt es jedoch kaum oder keine empirischen Belege.

Im Jahr 1949 postulierte der deutsche Sprachforscher Karl Meisen, die hochdeutschen Dialekte hätten sich erst in der Zeit der Völkerwanderung im ehemals germanischen Kolonialgebiet Süddeutschlands auf hauptsächlich keltischer Grundlage (d.h. auf einem Substrat) entwickelt Stefan Sonderegger hielt es für denkbar, dass die Hochdeutsche Lautverschiebung als Folge germanischer Superstratsiedlung auf galloromanischem Substrat nördlich der Alpen entstanden sei. Norbert Richard Wolf war der Meinung, dass ein (unspezifiziertes) sprachliches Substrat am wahrscheinlichsten sei.