Chemische Waffe: Unterschied zwischen den Versionen

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Frankreich setzte als erste der kriegführenden Nationen am 22.02.1916 [[Phosgen]] (COCl<sub>2</sub>) in Reinform ein, nachdem [[Deutsche Gastruppen im Ersten Weltkrieg|deutsche Gastruppen]] eine Mischung aus Chlorgas mit einem etwa fünfprozentigen Zusatz von Phosgen bereits Ende Mai 1915 an der Ostfront in [[Bolimów]] an der [[Bzura]] gegen russische Truppen sowie an der Westfront am 31.05.Mai 1915 bei [[Ypern]] gegen französische Truppen verwendet hatten. Phosgen wird der größte Anteil an allen Gasverletzten zugeschrieben. Später wurden die Kampfstoffe mittels [[Giftgasgranate]]n verschossen, bei denen durch farbige Kreuze ([[Nasen- und Rachenkampfstoff|Blaukreuz]], [[Gelbkreuz]], [[Grünkreuz]] und [[Weißkreuz]]) erkennbar war, welche Art von Kampfstoff sie enthielten.
Frankreich setzte als erste der kriegführenden Nationen am 22.02.1916 [[Phosgen]] (COCl<sub>2</sub>) in Reinform ein, nachdem [[Deutsche Gastruppen im Ersten Weltkrieg|deutsche Gastruppen]] eine Mischung aus Chlorgas mit einem etwa fünfprozentigen Zusatz von Phosgen bereits Ende Mai 1915 an der Ostfront in [[Bolimów]] an der [[Bzura]] gegen russische Truppen sowie an der Westfront am 31.05.Mai 1915 bei [[Ypern]] gegen französische Truppen verwendet hatten. Phosgen wird der größte Anteil an allen Gasverletzten zugeschrieben. Später wurden die Kampfstoffe mittels [[Giftgasgranate]]n verschossen, bei denen durch farbige Kreuze ([[Nasen- und Rachenkampfstoff|Blaukreuz]], [[Gelbkreuz]], [[Grünkreuz]] und [[Weißkreuz]]) erkennbar war, welche Art von Kampfstoff sie enthielten.
An der Westfront wurde verstärkt „Gelbkreuz“ eingesetzt, das für Hautkampfstoffe stand.
An der Westfront wurde verstärkt „Gelbkreuz“ eingesetzt, das für Hautkampfstoffe stand.
==== Buntschießen ====
Während des Ersten Weltkrieges wurden Kampfstoffe in der Spätphase häufig kombiniert eingesetzt. Stark reizend wirkende Kampfstoffe in Aerosol- oder Pulverform wie [[Nasen- und Rachenkampfstoff|Blaukreuz]] konnten die Filter der Gasmasken durchdringen und zwangen die Träger, die Gasmaske abzunehmen. Gleichzeitig mit diesen [[Maskenbrecher]]n wurden lungenschädigende Kampfstoffe wie [[Grünkreuz]] eingesetzt. Der kombinierte Einsatz verschiedener Kampfstoffe zu diesem Zweck wurde als „Buntschießen“ oder „Buntkreuz“ bezeichnet.
Bei der Offensive deutscher und [[Österreich-Ungarns Armee im Ersten Weltkrieg|österreichisch-ungarischer Verbände]] im Raum [[Bovec|Flitsch]]-[[Tolmin|Tolmein]] (Schlacht von Karfreit oder auch [[Zwölfte Isonzoschlacht]]) am 24.&nbsp;Oktober 1917 wurde der Angriff durch „Buntschießen“ von Gas[[Batterie (Militär)|batterien]] vorbereitet. Die italienischen Soldaten verfügten nur über ungenügende oder gar keine Schutzbekleidung – in diesem Abschnitt starben durch den Gasangriff über 5.000 Italiener. Die angreifenden Verbände hatten es dadurch erheblich leichter, den Durchbruch durch die italienische Front zu erreichen. Auch die psychische Wirkung auf die Italiener war verheerend. Sehr viele Soldaten ergaben sich den Angreifern, die [[Kampfmoral]] sank drastisch. Die italienische Front musste bis an den [[Piave]] zurückgenommen werden; zur Verstärkung wurden französische und britische Verbände an diese Front verlegt. Die Italiener konnten die Lage nach einer Reorganisation später selbst wieder stabilisieren. Im Juni 1918 versuchte Österreich-Ungarn in einer [[Zweite Schlacht am Piave|letzten Offensive]], den Piave zu überschreiten. Der Angriff war jedoch nicht erfolgreich, da zum einen die Italiener besser gegen Gasangriffe gerüstet waren und zum anderen ein Teil der chemischen Waffen zu lange gelagert worden war und damit seine Wirksamkeit verloren hatte.
Ein weiterer militärisch erfolgreicher Fall von Buntschießen, wie von Oberst [[Georg Bruchmüller]] erfunden, erfolgte bei der [[Deutsche Frühjahrsoffensive 1918|Deutschen Frühjahrsoffensive]] vom 21.&nbsp;März bis 17.&nbsp;Juli 1918 an der Westfront in Nordfrankreich. Dabei lag das Augenmerk nicht auf einer langen [[Artillerie]]vorbereitung und einem schwerfälligen Angriff auf breiter Front, sondern auf einem kurzen, aber zusätzlich durch gemischten Einsatz von [[Gasgranate]]n effektiven Artillerieschlag. Danach sollten die sogenannten [[Sturmbataillon]]e nachrücken und verbliebene [[Widerstandsnest]]er ausräumen. Der gemischte Gaseinsatz lähmte dabei die Widerstandskraft des Gegners entscheidend.


[[Kategorie:Chemische Waffen]]
[[Kategorie:Chemische Waffen]]

Version vom 28. September 2023, 08:28 Uhr

Chemische Waffen (auch Chemiewaffen) sind toxisch wirkende feste, flüssige oder (als Giftgas) gasförmige Substanzen oder Gemische, die – in Verbindung mit der notwendigen Waffentechnik zur Ausbringung (Granaten, Sprühvorrichtungen) – ursprünglich hergestellt wurden, um Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen sowie bei Terror- und Sabotageakten zeitweilig kampf- bzw. handlungsunfähig zu machen oder zu töten. In der 1997 in Kraft getretenen Chemiewaffenkonvention wird die Verwendung auf jede Chemikalie in Waffen erweitert, deren toxische Eigenschaften Menschen oder Tieren zeitweiligen oder permanenten Schaden zufügen, und auch die zu ihrer Produktion verwendeten Vorgängerstoffe werden, sofern sie nicht für eine andere Form der Weiterverarbeitung vorgesehen sind, zu den chemischen Waffen gezählt. Im erweiterten Sinn werden auch Brand- (Napalm), Nebel- und Rauchstoffe sowie Entlaubungsmittel (Herbizide) und Nesselstoffe zu den chemischen Waffen gerechnet. Chemische Waffen gehören zu den Massenvernichtungswaffen (CBRN-Waffen).

Geschichte

Bereits im Peloponnesischen Krieg 431 bis 404 v. Chr. setzten die Spartaner Brandkörper ein, die hohe Luftkonzentrationen von Schwefeldioxid verursachten. Bei der Eroberung von Dura Europos setzten die Sassaniden 256 n. Chr. gegen die Römer auch Naphtha ein. In der Schlacht bei Liegnitz (1241) wurden die christlichen Ritter von den Mongolen durch „dampfausstoßende Kriegsmaschinen“ in Schrecken versetzt.

Die ersten modernen chemischen Waffen sind im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden. Es handelte sich um unmittelbar einsatzbereite unitäre Kampfstoffe, die zunächst auf Substanzen basierten, die bereits in der chemischen Industrie verwendet wurden, also in ausreichend großen Mengen vorhanden waren; das waren Gase wie Chlor, Phosgen, Cyanwasserstoff (Blausäure) oder Arsin. Diese hatten jedoch zwei große Nachteile: Zum einen waren sie durch wechselnde Windrichtungen unberechenbar (so konnte eine Gaswolke auf die eigene Stellung zurückgeweht werden), und andererseits verflüchtigte sich das Gas relativ schnell. Daher sind die meisten späteren chemischen Kampfstoffe Flüssigkeiten, die als Aerosole versprüht werden. Das hat zur Folge, dass die Substanzen an Boden, Kleidung, Haut und Gasmasken klebenbleiben und auch in die Filter eindringen können. Deshalb ist die Verweildauer viel länger als bei Gas.

Das Hauptziel der neueren Kampfstoffe ist nicht allein die Lunge, sondern auch die Haut. Ein solcher Kampfstoff diffundiert durch die Haut hindurch in die Blutbahn und wird so schnell im ganzen Organismus verteilt. Daher stellen nur Ganzkörperschutzanzüge einen ausreichenden Schutz gegen Kampfstoffe dar. Ein bekannter und wichtiger Kampfstoff dieser Gruppe ist Schwefellost, auch bekannt unter dem Namen Senfgas.

Dass bereits 21 Jahre vor dem Ersten Weltkrieg die Entwicklung von Chemiewaffen politisch relevant war, zeigt ein Artikel der Times von 1893, in dem das War Office Explosives Committee die Unmöglichkeit thematisierte, Tests der neuen Waffen geheim zu halten:

„Die Experimente müssen teilweise in den eigenen Labors durchgeführt werden, die an öffentliche Einrichtungen angegliedert sind, an deren Angestellte kein offizieller Anspruch auf Geheimhaltung gestellt werden kann; teilweise im Gebäude des War Department Chemical Establishments, wo Angestellte verschiedenster Grade arbeiten und wo laufend Beamte aller Art vorbeischauen, sowie Privatpersonen; gleichzeitig muss die Einrichtung ihre praktischen Experimente im Freien auf dem Gelände des Waffenlagers ausführen, wozu die Zeitungsreporter und ihre Agenten freien Zugang haben.“

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg kam es zum ersten Einsatz von chemischen Kampfstoffen im August 1914 durch französische Truppen, die Xylylbromid – ein für die Pariser Polizei entwickeltes Tränengas – gegen deutsche Truppen einsetzten. Erste Versuche beider Seiten mit Stoffen wie Bromessigsäureethylester (durch Frankreich im März 1915) und o-Dianisidinchlorsulfonat, einem feinkristallinen Pulver, das Schleimhäute der Augen und Nase reizte (durch Deutschland am 27.10.1914 bei Neuve-Chapelle), verliefen nicht zufriedenstellend, da die Stoffe sich beim Abschuss durch die entstehende Hitze zersetzten.

In großem Umfang setzte zuerst das deutsche Heer Kampfgase ein, als Ende Januar 1915 an der Ostfront bei Bolimów in Polen bei einer Offensive der 9. Armee mit Xylylbromid gefüllte Geschosse gegen russische Truppen abgefeuert wurden. 18.000 Gasgranaten waren bereitgestellt worden, deren Wirkung aber durch Kälte und Schnee nahezu aufgehoben wurde. Ungleich bekannter wurde jedoch der erste wirkungsvolle Einsatz von chemischen Waffen an der Westfront vom 22. April 1915 in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern. Das deutsche XV. Armee-Korps unter General der Infanterie von Deimling ließ 150 Tonnen Chlorgas nach dem so genannten Haberschen Blasverfahren aus Flaschen entweichen. Eingeatmetes Chlorgas führt zu einem lebensbedrohlichen toxischen Lungenödem. Da Chlor schwerer als Luft ist, sank das Gas in die französischen Schützengräben und forderte dort angeblich rund 5000 Tote und 10.000 Verletzte; heute geht man von 1.200 Toten und 3.000 Verwundeten aus.

Frankreich setzte als erste der kriegführenden Nationen am 22.02.1916 Phosgen (COCl2) in Reinform ein, nachdem deutsche Gastruppen eine Mischung aus Chlorgas mit einem etwa fünfprozentigen Zusatz von Phosgen bereits Ende Mai 1915 an der Ostfront in Bolimów an der Bzura gegen russische Truppen sowie an der Westfront am 31.05.Mai 1915 bei Ypern gegen französische Truppen verwendet hatten. Phosgen wird der größte Anteil an allen Gasverletzten zugeschrieben. Später wurden die Kampfstoffe mittels Giftgasgranaten verschossen, bei denen durch farbige Kreuze (Blaukreuz, Gelbkreuz, Grünkreuz und Weißkreuz) erkennbar war, welche Art von Kampfstoff sie enthielten. An der Westfront wurde verstärkt „Gelbkreuz“ eingesetzt, das für Hautkampfstoffe stand.

Buntschießen

Während des Ersten Weltkrieges wurden Kampfstoffe in der Spätphase häufig kombiniert eingesetzt. Stark reizend wirkende Kampfstoffe in Aerosol- oder Pulverform wie Blaukreuz konnten die Filter der Gasmasken durchdringen und zwangen die Träger, die Gasmaske abzunehmen. Gleichzeitig mit diesen Maskenbrechern wurden lungenschädigende Kampfstoffe wie Grünkreuz eingesetzt. Der kombinierte Einsatz verschiedener Kampfstoffe zu diesem Zweck wurde als „Buntschießen“ oder „Buntkreuz“ bezeichnet.

Bei der Offensive deutscher und österreichisch-ungarischer Verbände im Raum Flitsch-Tolmein (Schlacht von Karfreit oder auch Zwölfte Isonzoschlacht) am 24. Oktober 1917 wurde der Angriff durch „Buntschießen“ von Gasbatterien vorbereitet. Die italienischen Soldaten verfügten nur über ungenügende oder gar keine Schutzbekleidung – in diesem Abschnitt starben durch den Gasangriff über 5.000 Italiener. Die angreifenden Verbände hatten es dadurch erheblich leichter, den Durchbruch durch die italienische Front zu erreichen. Auch die psychische Wirkung auf die Italiener war verheerend. Sehr viele Soldaten ergaben sich den Angreifern, die Kampfmoral sank drastisch. Die italienische Front musste bis an den Piave zurückgenommen werden; zur Verstärkung wurden französische und britische Verbände an diese Front verlegt. Die Italiener konnten die Lage nach einer Reorganisation später selbst wieder stabilisieren. Im Juni 1918 versuchte Österreich-Ungarn in einer letzten Offensive, den Piave zu überschreiten. Der Angriff war jedoch nicht erfolgreich, da zum einen die Italiener besser gegen Gasangriffe gerüstet waren und zum anderen ein Teil der chemischen Waffen zu lange gelagert worden war und damit seine Wirksamkeit verloren hatte.

Ein weiterer militärisch erfolgreicher Fall von Buntschießen, wie von Oberst Georg Bruchmüller erfunden, erfolgte bei der Deutschen Frühjahrsoffensive vom 21. März bis 17. Juli 1918 an der Westfront in Nordfrankreich. Dabei lag das Augenmerk nicht auf einer langen Artillerievorbereitung und einem schwerfälligen Angriff auf breiter Front, sondern auf einem kurzen, aber zusätzlich durch gemischten Einsatz von Gasgranaten effektiven Artillerieschlag. Danach sollten die sogenannten Sturmbataillone nachrücken und verbliebene Widerstandsnester ausräumen. Der gemischte Gaseinsatz lähmte dabei die Widerstandskraft des Gegners entscheidend.