Ätiologie (Erzählung)

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Als Aitiologie oder Ätiologie (gr. αἰτιολογία, aus aitía „Ursache“, und -logie: etwa „Darlegung einer Ursache“) wird von der Erzählforschung und Religionswissenschaft ein Erzählprinzip (Narrativ) bezeichnet. Sie setzt gegenwärtige Gegebenheiten in eine ursächliche Verbindung (gr. αἴτιον aítion, lat. causa) zu einem ursprünglichen Zustand (gr. ἀρχή archē, lat. origo) und erklärt diese so. Häufige Verwendung findet sie bei markanten Naturerscheinungen (z.B. einer Landschaftsformation, die wie von urzeitlichen Kreaturen geschaffen erscheint), Bräuchen oder Orts- und Eigennamen.

Als Erklärungserzählung im eigentlichen Sinn ist sie ein zentraler Bestandteil von Sagen, Legenden, Mythen und fiktionaler Literatur. Dagegen verstehen schon die frühen griechischen Philosophen Aitiologie als einen Versuch, den „Ursprung der Dinge“ (gr. ἀρχὴ τῶν ὄντων, archē tōn ontōn) über eine rationale Ursachendarlegung – in bewusster Opposition zu mythologischen Erklärungen – zu begreifen. Die Frage, ob dies in der Philosophie noch eine narrative Aitiologie oder nicht doch bereits eine bloße Ursachenerklärung ist, kann nicht immer klar beantwortet werden, insbesondere Vorsokratikern, die ihre Gedanken in gebundener Sprache festhalten und mitunter ansprechend als Erzählung ausgestalten.

Aitiologien weisen wesentliche Ähnlichkeiten zu Herkunftssagen von Personen und Völkern und Gründungsmythen von Orten auf, können sich aber durch den Zweck unterscheiden, zu dem sie erzählt werden. Der Unterschied zur medizinischen Ätiologie liegt in der Eigenschaft, dass das eine eine spezifische Form des Erzählens ist und das andere eine sachliche Ursachenbeschreibung.