Austauschwechselwirkung

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Die Austauschwechselwirkung (besser spricht man nur von der Austauschenergie oder allgemeiner vom Austauschterm) erhöht oder erniedrigt die Energie eines physikalischen Systems aus mehreren wechselwirkenden identischen Teilchen gegenüber dem Wert, der für den Fall gelten würde, dass die Teilchen nicht identisch, sondern unterscheidbar sind. Die Austauschenergie wird nicht durch eine eigene Art der Wechselwirkung neben den fundamentalen Wechselwirkungen hervorgerufen, sondern durch die besondere Art, in der mehrere Teilchen einen verschränkten quantenmechanischen Zustand bilden, wenn es sich um identische Teilchen handelt. In der Atomhülle z.B. beruht die Austauschenergie hauptsächlich darauf, dass die elektrostatische Abstoßung zwischen zwei nicht unterscheidbaren Elektronen sich anders auswirkt als wenn es sich um unterscheidbare Teilchen handeln würde. Sie ergibt einen, je nach Zustand verschieden großen, zusätzlichen Energiebeitrag, der z.B. beim Atomaufbau und für die chemische Bindung große Bedeutung hat und auch beim Zustandekommen des Ferromagnetismus eine Rolle spielt.

Entsprechende Austauschterme sind auch bei der Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten in Reaktionen und Wirkungsquerschnitten in Stoßvorgängen zu berücksichtigen, falls es sich um identische Teilchen handelt. Je nach Teilchenart (Boson oder Fermion) kann dadurch beispielsweise bei Stößen die Wahrscheinlichkeit einer 90°-Ablenkung um das Vierfache verstärkt oder im Gegenteil vollkommen unterdrückt werden.

Der Austauschterm ist der zusätzliche Summand, der in quantenmechanischen Formeln für Energie oder Übergangswahrscheinlichkeit durch eine 2-Teilchen-Wechselwirkung immer dann auftritt, wenn es sich um zwei identische Teilchen handelt: Während die betreffende Wechselwirkung im ersten Summanden sich genau so auswirkt wie bei unterscheidbaren Teilchen, sieht der neue Summand – der Austauschterm – so aus, als ob die Wechselwirkung die beiden identischen Teilchen veranlasst hätte, ihre Plätze zu vertauschen, was wegen deren Ununterscheidbarkeit aber denselben physikalischen Zustand darstellt. Der erste Beitrag heißt auch direkter Term (oder direktes Integral) und stellt die direkte quantenmechanische Analogie zu dem Ergebnis dar, das man nach der klassischen Physik für die jeweilige Wechselwirkung erhält. Der zweite Beitrag heißt auch Austauschintegral und entspricht der eigentlichen Austauschenergie, die kein klassisches Gegenstück hat und ein rein quantenmechanisches Phänomen bildet.

Beziehung zu Pauliprinzip, Spin und Symmetrie der Wellenfunktion[Bearbeiten]

Die Austauschenergie (oder der Austauschterm) wird oft mit dem Pauli-Prinzip in Zusammenhang gebracht, ist aber ein davon unabhängiges, eigenständiges Phänomen. Der Austauschterm tritt immer auf, wenn die Berechnung einer bestimmten Wechselwirkung für ein System mit zwei (oder mehr) identischen Teilchen durchgeführt wird. Nur das Vorzeichen des Austauschterms hängt davon ab, ob diese Teilchen dem Pauli-Prinzip unterliegen oder nicht. (Für Beispiele des Austauschterms mit und ohne Geltung des Pauli-Prinzips siehe die Streuung zweier identischer Teilchen weiter unten.)

Auch mit den Spins der betreffenden Teilchen wird der Austauschterm oft in Zusammenhang gebracht, weil seine Auswirkungen in manchen Fällen so erscheinen, als ob sie durch eine zusätzliche Wechselwirkung eigener Art zwischen den Spins hervorgerufen würden. Dies gilt z. B. bei der LS-Kopplung der Elektronen in der Atomhülle oder beim Ferromagnetismus. Dieser Zusammenhang entsteht aber mittelbar aufgrund einer Verkettung von einzelnen Umständen und ohne zusätzliche Wechselwirkung.

Der Austauschterm beruht allein auf der Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen, die in der Quantenmechanik auf besondere Weise berücksichtigt wird. Berechnet man die Folge einer bestimmten Wechselwirkung (z. B. die potentielle Energie aufgrund der elektrostatischen Abstoßung) zunächst für zwei unterscheidbare Teilchen in wohlbestimmten Einteilchenzuständen, so ergibt sich das quantenmechanische Analogon zum klassischen Ergebnis, das hier auch als der direkte Term bezeichnet wird. Für ein Paar identischer Teilchen gilt jedoch, dass an keiner Stelle festgelegt werden darf, welches der Teilchen welchen der vorkommenden Einteilchenzustände einnimmt. In der Folge sind für das System mehrerer identischer Teilchen nur Zustandsvektoren möglich, die beim Vertauschen zweier identischer Bosonen gleich bleiben (symmetrische Wellenfunktion) bzw. beim Vertauschen zweier identischer Fermionen ihr Vorzeichen wechseln (antisymmetrische Wellenfunktion). Bei der Berechnung mit einer solchen Wellenfunktion erhält man automatisch zusätzlich zum direkten Term den Austauschterm, wobei je nach Symmetrie das Vorzeichen positiv oder negativ herauskommt. Der Austauschterm hat ein Aussehen, als würde man die Übergangsamplitude für den Prozess berechnen, in dem zwei unterscheidbare Teilchen aufgrund der gerade betrachteten Wechselwirkung gleichzeitig in den Einteilchenzustand des jeweils anderen überwechseln. (Für identische Teilchen ist so ein Prozess physikalisch sinnlos.)

Quellen[Bearbeiten]

  • Werner Heisenberg: Mehrkörperproblem und Resonanz in der Quantenmechanik. Zeitschr. f. Phys. A 38(6) (1926) 411–426