Gen

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Als Gen wird meist ein Abschnitt auf der Desoxyribonukleinsäure (englische Abkürzung: DNA) bezeichnet, der Grundinformationen für die Entwicklung von Eigenschaften eines Individuums und zur Herstellung einer biologisch aktiven Ribonukleinsäure (englische Abkürzung: RNA) enthält. Bei diesem Prozess der Transkription wird vom codogenen DNA-Strangabschnitt eine komplementäre Kopie in Form einer RNA hergestellt.

Es gibt verschiedene Arten der RNA. Bei der Translation, einem Teilvorgang der Proteinbiosynthese, wird die Aminosäuresequenz des betreffenden Proteins von der mRNA abgelesen. Die Proteine übernehmen im Körper jeweils spezifische Funktionen, mit denen sich die Merkmale ausprägen können. Der Aktivitätszustand eines Gens bzw. dessen Ausprägung, seine Expression, kann in einzelnen Zellen verschieden reguliert werden.

Als Erbanlage oder Erbfaktor werden allgemein die nur elektronenmikroskopisch sichtbaren Gene auf spezifischen Plätzen in den Chromosomen bezeichnet, da sie die Träger von Erbinformation sind, die durch Reproduktion an Nachkommen weitergegeben wird. Die Erforschung des Aufbaus, der Funktion und Vererbung von Genen ist Gegenstand der Genetik. Die gesamte Erbinformation einer Zelle wird Genom genannt.

Forschungsgeschichte[Bearbeiten]

1856 begann Johann Gregor Mendel, in Kreuzungsversuchen mit Erbsen die Vererbung von sichtbaren Merkmalen zu untersuchen. Er schlug als erster die Existenz von bestimmten „materiellen Elementen“ vor, die als Erbfaktoren von Eltern auf die Nachkommen übertragen werden. Er fand, dass Merkmale voneinander unabhängig vererbt werden können, und dass es dominante und rezessive Faktoren gibt. Er entwickelte die Hypothese, dass es homo- und heterozygote Individuen gibt und legte damit die Grundlage für die Unterscheidung zwischen Genotyp und Phänotyp.

1900 gilt als das Jahr der „Wiederentdeckung“ der mendelschen Regeln, als die Botaniker Hugo de Vries, Erich Tschermak und Carl Correns Mendels Entdeckung aufgriffen, dass es quantifizierbare Regeln gibt, nach denen die Faktoren, die für die Ausprägung von Merkmalen verantwortlich sind, an die Nachkommen weitergegeben werden. Correns prägte dabei den Begriff der Anlage bzw. Erbanlage. William Bateson erinnerte 1902 in Mendel’s Principles of Heredity daran, dass es zwei Varianten der Erbfaktoren in jeder Zelle gibt. Er nannte das zweite Element Allelomorph nach dem griechischen Wort für „Andere“ und prägte damit den Begriff des Allels. Archibald Garrod, ein britischer Arzt, hatte sich mit Stoffwechselerkrankungen beschäftigt und festgestellt, dass diese in Familien vererbt wurden. Garrod erkannte, dass die Gesetze also auch bei Menschen gültig waren, und vermutete, die Erbanlagen seien die Basis für die Chemische Individualität von Menschen. Dass die von Mendel „Elemente“ genannten Faktoren auf den Chromosomen zu finden sind, wurde 1902 von Walter Sutton vermutet.

August Weismann stellte in seinen Vorträgen zur Deszendenztheorie 1904 die Entdeckung vor, dass es einen Unterschied zwischen Körperzellen und Keimzellen gibt, und dass nur Letztere in der Lage sind, neue Organismen hervorzubringen. Keimzellen sollten eine „Vererbungssubstanz“ enthalten, die sich aus einzelnen Elementen zusammensetze, die er Determinanten nannte. Diese Determinanten sollten für die sichtbare Ausprägung beispielsweise der Gliedmaßen verantwortlich sein.

Die Bezeichnungen „Gen“ und „Genotypus“ wurden in der Vererbungslehre erstmals 1903 von dem Dänen Wilhelm L. Johannsen gebraucht. Er benannte die schon von Mendel angenommenen „bestimmten materiellen Elemente […], die als Erbfaktoren von Eltern auf die Nachkommen übertragen“ werden und mit denen sich die Vererbungslehre beschäftigt, nach dem griechischen Substantiv gr. genos für „Nachkommenschaft“. Für ihn waren sie jedoch nur eine Rechnungseinheit. Bereits drei Jahre zuvor hatte William Bateson die Wissenschaft von der Vererbung als Genetik bezeichnet, nach dem griechischen Adjektiv gennetikos für „hervorbringend“. Zu diesem Zeitpunkt war die materielle Natur der Gene immer noch vollkommen unklar.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts nahmen sich die Genetiker nach verschiedenen Pflanzen auch Insekten und später Vögel vor, um die Vererbungsgesetze zu testen. In Kombination mit den 1842 entdeckten und 1888 benannten Chromosomen entstand so die Chromosomentheorie der Vererbung. Es war durch verbesserte Färbetechniken beobachtet worden, dass sich vor der Zellteilung die Chromosomen verdoppeln und sich dann auf die Tochterzellen verteilen. Daher waren sie als Träger der Erbanlagen in Frage gekommen. Während dieser Zeit herrschte eine Kontroverse zwischen den Vertretern der Hypothese von Johannsen und Mendel, dass Gene etwas Materielles sind, und deren Kritikern, die eine Verbindung von Genen und Chromosomen als „Physikalismus“ und „Mendelismus“ abtaten und Gene weiterhin als abstrakte Einheiten betrachteten.

Thomas Hunt Morgan war ebenfalls überzeugt, dass die Einheiten, die für die verschiedenen Merkmale verantwortlich waren, nicht physikalischer Natur sein konnten. Er versuchte, den Mendelismus zu widerlegen und begann 1910 mit Kreuzungsversuchen an Schwarzbäuchigen Taufliegen. Seine Arbeiten erbrachten jedoch das Gegenteil: Den endgültigen Beweis, dass Gene auf Chromosomen liegen und damit materieller Natur sind. Zusammen mit seinen Mitarbeitern, darunter Calvin Bridges, Alfred Sturtevant und Hermann Muller, fand er viele natürliche Mutationen und untersuchte in unzähligen Kreuzungen die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Merkmale gemeinsam vererbt werden. Sie konnten so zeigen, dass Gene an bestimmten Stellen auf den Chromosomen liegen und hintereinander aufgereiht sind. Da unter dem Mikroskop auch das Crossing over beobachtet werden konnte, war bekannt, dass Chromosomen Abschnitte austauschen können. Je näher zwei Gene auf dem Chromosom beieinander liegen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie gemeinsam vererbt und nicht durch ein Crossing-over-Ereignis getrennt werden. Dadurch konnten Angaben über die Entfernung zweier Gene gemacht werden, die nach Morgan in centiMorgan angegeben werden. Gemeinsam erstellte die Forschergruppe in jahrelanger Arbeit die erste Genkarte.

Hermann Muller begann einige Zeit später, mit Röntgenstrahlen zu experimentieren, und konnte zeigen, dass die Bestrahlung von Fliegen deren Mutationsrate stark erhöht. Diese Erkenntnis aus dem Jahr 1927 war eine Sensation, da dadurch zum ersten Mal tatsächlich gezeigt wurde, dass Gene physikalische Objekte sind, die sich von außerhalb beeinflussen lassen.

1928 wies Frederick Griffith in dem als „Griffiths Experiment“ bekannt gewordenen Versuch zum ersten Mal nach, dass Gene von Organismen auf andere übertragen werden können. Der von ihm nachgewiesene Vorgang war die genetische Transformation. 1941 zeigten George Wells Beadle und Edward Lawrie Tatum, dass Mutationen in Genen für Defekte in Stoffwechselwegen verantwortlich sind, was zeigte, dass spezifische Gene spezifische Proteine codieren. Diese Erkenntnisse führten zur „Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese“, die später zur „Ein-Gen-ein-Polypeptid-Hypothese“ präzisiert wurde. Oswald Avery, Colin MacLeod und Maclyn McCarty zeigten 1944, dass die DNA die genetische Information enthält. 1953 wurde die Struktur der DNA von James D. Watson und Francis Crick, basierend auf den Arbeiten von Rosalind Franklin und Erwin Chargaff, entschlüsselt und das Modell der DNA-Doppelhelix entworfen. 1969 gelang Jonathan Beckwith als erstem die chemische Isolierung eines einzelnen Gens.