Kernreaktion

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Eine Kernreaktion ist ein physikalischer Prozess, bei dem ein Atomkern durch den Zusammenstoß mit einem anderen Atomkern oder Teilchen seinen Zustand oder seine Zusammensetzung ändert. Häufig werden die elastischen Stöße von Kernen nicht dazu gerechnet, weil sich dabei nur die Impulse der beiden Stoßpartner ändern, manchmal auch nicht die unelastischen Stöße, bei denen zusätzlich einer der Stoßpartner in einen angeregten Zustand versetzt wird. Bei den übrigen Fällen – den Kernreaktionen im eigentlichen Wortsinn – ändern die Kerne durch Abgeben oder Aufnehmen von Teilchen ihre Zusammensetzung. Die Gesamtzahl der vorhandenen Nukleonen bleibt aber stets erhalten, in den meisten betrachteten Fällen auch die Neutronen- und die Protonenzahl je für sich.

Nicht zu den Kernreaktionen zählt der radioaktive Zerfall, weil hier die Kernumwandlung spontan erfolgt, also nicht durch einen Stoß ausgelöst wird.

Mit der Erforschung von Kernreaktionen befassen sich vor allem die Kernphysik und die Teilchenphysik. Eine wichtige Rolle spielen Kernreaktionen bei der Entstehung der Nuklide, s. Astrophysik, Kosmochemie. Anwendungen gibt es z. B. in der Energietechnik (siehe Kernreaktor, Fusionsreaktor) und der Medizintechnik (Herstellung von Radionukliden für Nuklearmedizin und Strahlentherapie).

Aus Impulserhaltung und Energieerhaltung ergeben sich bei den Kernreaktionen bestimmte Beschränkungen. Sie werden im Artikel Kinematik beschrieben. Auch andere Erhaltungsgrößen wie die Baryonenzahl spielen eine Rolle.

Geschichte[Bearbeiten]

Ernest Rutherford benutzte ab 1911 Alphateilchen aus einer radioaktiven Substanz in seinen Streuversuchen, bei denen er deren elastische Streuung an Gold-Atomkernen beobachtete. Die erste Beobachtung einer Kernreaktion im engeren Sinn, ebenfalls durch Rutherford, datiert von 1919: Alphateilchen wurden durch Stickstoff geschossen, was dahinter auf dem Zinksulfid-Schirm, der als Szintillator diente, auch Signale von Protonen ergab. Rutherford nahm dabei irrtümlich zuerst an, die Alphateilchen würden ein Proton aus dem Kern herausschlagen und so Kohlenstoff erzeugen. Dass die Alphateilchen jedoch mit dem Kern verschmolzen, dabei ein Proton auslösten und so Sauerstoff erzeugten (Reaktion: 14N + α → 17O + p), wurde erst 1925 von Patrick Blackett nachgewiesen.

Die weitere Erforschung und Nutzung von Kernreaktionen beruhte überwiegend auf künstlich beschleunigten Geschossteilchen und war daher eng verbunden mit der Entwicklung der Teilchenbeschleuniger. John Cockcroft und Ernest Walton gelang 1930 der erste Nachweis einer durch künstlich beschleunigte Teilchen ausgelösten Kernreaktion – damals stolz als Kernzertrümmerung bezeichnet. Sie bestrahlten Lithium mit Protonen der kinetischen Energie 300 keV; als Reaktionsprodukte wurden Helium-4-Atomkerne (Alphateilchen) beobachtet. Es handelte sich also um die Reaktion 7Li + p → 2 4He. Die von ihnen bestimmte Energie- und Massenbilanz wurde zum ersten experimentellen Nachweis der „Umwandlung von Masse in Energie“ nach Einsteins Gleichung E=mc2.

Quellen[Bearbeiten]

  • John M. Blatt, Victor F. Weisskopf: Nuclear Reactions: General Theory. In: Theoretical Nuclear Physics. Springer, New York, NY 1979, ISBN 978-1-4612-9959-2, S. 311–457, doi:10.1007/978-1-4612-9959-2_8 (englisch).