Kritias (Platon)

Aus Twilight-Line Medien

Der Kritias (altgriechisch Κριτίας Kritías, latinisiert Critias) ist ein in Dialogform verfasstes, Fragment gebliebenes Spätwerk des griechischen Philosophen Platon. Den Inhalt bildet ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch, an dem neben Platons Lehrer Sokrates und dem vornehmen Athener Kritias, nach dem der Dialog benannt ist, zwei Gäste aus dem griechisch besiedelten Süditalien teilnehmen: der Philosoph Timaios von Lokroi und der Politiker Hermokrates von Syrakus. Die Identität des Kritias ist in der Forschung umstritten; es handelt sich entweder um den bekannten Politiker „Kritias IV“, einen Vetter von Platons Mutter, oder um dessen Großvater „Kritias III“.

Kritias ist der Hauptsprecher, er hält einen langen Vortrag; die drei anderen Gesprächsteilnehmer kommen nur am Anfang kurz zu Wort. Die Handlung schließt unmittelbar an die des Dialogs Timaios an; im Kritias wird der weitere Verlauf der Zusammenkunft geschildert, deren erster Teil im Timaios dargestellt ist. Vermutlich bildeten die beiden Dialoge ursprünglich ein einheitliches Werk, das erst später in zwei Teile zerlegt wurde. Wegen dieser Zusammengehörigkeit ist in der Forschungsliteratur oft vom „Timaios-Kritias“ die Rede.

In dem Vortrag will Kritias Heldentaten schildern, die sich nach seinen Worten vor neun Jahrtausenden abgespielt haben, als Athen gegen das bereits im Timaios knapp beschriebene mythische Inselreich Atlantis einen Abwehrkrieg führte. Zunächst werden die beiden Staaten und die in ihnen herrschenden Lebensverhältnisse charakterisiert. Bevor die Schilderung der Kampfhandlungen beginnt, bricht der Text unvermittelt ab. Der Hauptteil der Erzählung, der sich daran hätte anschließen sollen, fehlt. Warum Platon das Werk nicht vollendet hat, ist unklar. Unter seinen zahlreichen Dialogen ist der Kritias der einzige, der keine Erörterung philosophischer Fragen bietet, sondern nur einen fiktionalen historischen Bericht.

Die schon im Timaios skizzierte Atlantis-Geschichte, die laut Ankündigung im Kritias ausführlich dargestellt werden sollte, ist nach heutigem Forschungsstand eine freie Erfindung Platons; für eine frühere Existenz des Stoffs gibt es keine Anhaltspunkte. Die Absicht des Autors ist, Grundgedanken seiner politischen Philosophie modellhaft zu veranschaulichen und Fehlentwicklungen in Politik und Gesellschaft mit erzählerischen Mitteln unter ethischem Gesichtspunkt zu beleuchten.