Palichnologie

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Die Palichnologie (seltener auch Paläoichnologie) befasst sich als ein Teilgebiet der Paläontologie mit den fossilen Lebensspuren der erdgeschichtlichen Vergangenheit. Solche Spurenfossilien können, wie z.B. Trittsiegel (Fußspuren) und Fährten, eine ehemalige Sedimentoberfläche prägen oder, wie Grabgänge und Wohnbauten, ehemals oberflächennahe Horizonte tiefgehend durchdringen.

Spurenfossilien werden auch Ichnofossilien oder Ichnia (Sing. Ichnium) genannt. Die Bezeichnung Ichnologie (Spurenkunde) wurde erstmals von William Buckland (1784–1856) um 1830 verwendet. Die Palichnologie wird der Neoichnologie gegenübergestellt, die sich mit rezenten Lebensspuren beschäftigt.

Die bislang ältesten Spuren wurden auf einem 565 Mio. Jahre alten Felsen am Mistaken Point der Avalon-Halbinsel in Neufundland (Kanada) entdeckt. Die insgesamt 70, jeweils 13 mm breiten und zwischen 5 und 17 cm langen Spuren stammen von Tieren der Ediacara-Fauna mit einer vermutlich rundlichen Fußscheibe, wie sie die heutigen Seeanemonen besitzen. Die wahrscheinlich ältesten Fährten eines bilateralsymmetrischen Tieres stammen aus 551 bis 541 Mio. Jahre alten Ediacara-Fundschichten im Süden der Volksrepublik China.

Klassifikation fossiler Spuren[Bearbeiten]

Spurentaxonomie (Ichnotaxonomie)[Bearbeiten]

Da es sich bei Spurenfossilien nicht um die Überreste von Tierkörpern handelt und da unterschiedliche Organismengruppen morphologisch sehr ähnliche Spuren erzeugen können und umgekehrt ein und dieselbe Tierart unterschiedliche Spuren hinterlassen kann, klassifiziert die Palichnologie Spuren unabhängig von der zoologischen Taxonomie fossiler Organismen als Formtaxa, die in diesem Fall als Ichnotaxa bezeichnet werden. Hierbei werden in erster Linie Spurengattungen (Ichnogenera) und Spurenarten (Ichnospezies) unterschieden, deren Benennung nach der Linné’schen Nomenklatur erfolgt. Grundlage für die Einordnung von Spuren in die gleiche Spurengattung und die Untergliederung in verschiedene Spurenarten sind gemeinsame morphologische Merkmale, die auf die mehr oder weniger identische Verhaltensweisen des Spurenerzeugers zurückzuführen sind bzw. morphologische Unterschiede, die durch geringfügige Abweichungen im Verhalten der Spurenerzeuger zustande gekommen sind. Dies betrifft die allgemeine Form der Spur (meist gattungsspezifisch), speziell bei Gängen im Sediment auch die Wandungsstruktur, die Raumlage und Besonderheiten bei der Sedimentfüllung (z. B. sogenannte Stopfgefüge). Spurenart- oder -unterartspezifische Unterschiede können aber auch durch Unterschiede im Körperbau der Erzeuger hervorgerufen sein (sogenanntes „Fingerprinting“), was nicht zwangsläufig daran liegen muss, dass die Erzeuger verschiedenen biologischen Arten angehörten, sondern beispielsweise auch ein grundsätzlich ähnliches Verhalten verschiedener Stadien in der Individualentwicklung (Ontogenese) ein und derselben Erzeugerart widerspiegeln kann.

Bei Landwirbeltierfährten besteht, im Gegensatz zu den Spuren vieler wirbelloser Meerestiere, generell ein relativ enger Zusammenhang zwischen der Morphologie der Spur, d.h. dem Abdruck der Extremität, und der Morphologie der Extremität des Erzeugers und damit dessen taxonomischer Stellung. Daher werden in dieser Spurengruppe oft höhere Taxa, wie Spurenfamilien und Spurenordnungen, unterschieden, deren Benamung sich an die Körperfossiltaxonomie anlehnt. Bisweilen werden Landwirbeltierfährtengattungen sogar direkt in die zoologische Systematik eingehängt, was von vielen Palichnologen abgelehnt wird.

Ein sehr bekanntes und zugleich das wissenschaftsgeschichtlich älteste Beispiel für ein Ichnotaxon ist Chirotherium barthii („Barth’sches Handtier“) aus der Trias. Friedrich Sickler veröffentlichte 1834 eine wissenschaftliche Beschreibung dieser Bewegungsspur auf der Grundlage von Fährten auf einer Sandsteinplatte aus dem mittleren Buntsandstein, die in Südthüringen bei Hildburghausen gefunden worden waren, und Johann Jakob Kaup verlieh ihr ein Jahr später den Namen. Über den Verursacher der Spuren kam es jedoch zu einer langanhaltenden wissenschaftlichen Kontroverse. Heute gelten Vertreter der frühen Archosaurier als Chirotherium-Ezeuger.

Ethologische Klassifikation[Bearbeiten]

Die ethologische Klassifikation unterscheidet Spurenfossilien grob nach dem Verhalten des erzeugenden Organismus, das zur Entstehung der entsprechenden Spur führte. Im Folgenden sind die verschiedenen ethologischen Klassen von Spurenfossilien aufgelistet. Die ersten fünf (Ruhespuren bis Wohnspuren) entstammen der traditionellen ethologischen Klassifikation nach Adolf Seilacher (1953). Die übrigen Klassen wurden in jüngeren Arbeiten aufgestellt. Es ist zu beachten, dass es Spuren gibt, die Übergangsformen zwischen zwei Klassen darstellen, die mehreren Klassen zugeordnet werden können oder bei denen nicht genau klar ist, welchem ethologischen Spurentyp sie zuzuordnen sind (z.B. Lumbricaria).

Hinsichtlich der Spurentaxonomie gilt allgemein, dass Spuren verschiedener ethologischer Klassen meist nicht in der gleichen Spurengattung stehen, während Spuren, die der gleichen Spurenart oder -gattung zugeordnet werden, in der Regel auch der gleichen ethologischen Klasse angehören.