Geopolitik

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Geopolitik wird häufig als Synonym für das raumbezogene, außenpolitische Agieren von Großmächten im Rahmen einer Geostrategie bezeichnet. Die engere wissenschaftliche Begriffsbedeutung von Geopolitik bezeichnet die politikwissenschaftliche Interpretation geographischer Gegebenheiten, die oftmals im Rahmen von Politikberatung erfolgt. Geopolitik wurde aus der Politischen Geographie abgeleitet und stand anfangs in Opposition zu ihr. Besondere Bedeutung hatte sie in Deutschland in den beiden Weltkriegen und der Zwischenkriegszeit. Eine einflussreiche angloamerikanische Geopolitik formierte sich erst ab dem Zweiten Weltkrieg.

Definitionen und Begriffsverwendung[Bearbeiten]

Sowohl in den Medien als auch in weiten Teilen der Politikwissenschaft wird der Begriff Geopolitik als Synonym für gewaltträchtige und skrupellose Machtpolitik verwendet. Amerikanische und britische Wissenschaftler verstanden unter Geopolitik ursprünglich dagegen eine Analyse politischer (und wirtschaftlicher) Phänomene, die sich auf geographische Kausalfaktoren konzentriert. Geopolitik als akademische Disziplin ist eine Analysemethode im politikwissenschaftlichen Forschungsfeld Internationale Beziehungen mit besonderem Bezug zur Geographie. Die akademische Geopolitik untersucht mit analytisch-deskriptivem Anspruch die Einflüsse, die geographische Gegebenheiten und Dynamiken auf politische Entwicklungen haben, wobei das Hauptinteresse auf außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen liegt. Andererseits ist Geopolitik eine praktische Methode sicherheitspolitischer Entscheidungsfindung und Umsetzung. Es gibt eine lange Tradition von wissenschaftlichen Geopolitikern, die sich als Regierungsberater verstanden und mit ihrer Forschung stets politische Entscheidungsträger beeinflussen wollten. Nils Hoffmann: Renaissance der Geopolitik? Die deutsche Sicherheitspolitik nach dem Kalten Krieg. Wiesbaden 2012, S. 28.</ref> Der französische Geograph und Geopolitiker Yves Lacoste betont, Geopolitik sei ein Herrschaftsinstrument, geopolitisches Wissen sei strategisches Wissen.

Als Bezeichnung für eine akademische Disziplin nennt Egbert Jahn den Begriff „unglücklich“. Niemand käme auf die Idee unter Sozialpolitik, Familienpolitik, Umweltpolitik oder Außenpolitik eine Wissenschaft zu verstehen. Vielmehr handle es sich dabei um bestimmte Sektoren und Objekte der Politik, und zwar sowohl des politischen Geschehens oder des Prozesses (politics) als auch der politischen Inhalte, Aufgaben und Ziele (policies). In diesen Fällen werde deutlich zwischen Politik und Politikwissenschaft unterschieden. Der Grund, weshalb unter Geopolitik keine Politik, sondern eine Wissenschaft oder eine Lehre von der Politik verstanden wird, liege wohl darin begründet, „daß es sich bei Geopolitik nicht um einen bestimmten Gegenstand der Politik handelt, etwa die Geosphäre oder die Erde, sondern um einen bestimmten Aspekt von Politik, nämlich ihren Raumbezug. Geopolitik ist also nicht Erdpolitik, ein Wort, das neuerdings auch zur Bezeichnung von globaler Umweltpolitik benutzt wird.“

Charakteristisch für Geopolitik sind ihr Geodeterminismus und ihre Nähe zu den Denkschulen des Realismus und Neorealismus in den Internationalen Beziehungen. Der Geograph Benno Werlen betont in seiner Definition von Geopolitik deren Geodeterminismus, wonach menschliches Handeln durch Raum und Natur vorbestimmt sei. Dabei determiniere der Raum das politische Geschehen nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch seinen Einfluss auf den Staat. Ähnlich ist die Definition im Lexikon der Raumphilosophie: Im Zentrum der Geopolitik stehe die Idee einer geodeterminierten Staatspolitik. Bei Karl Haushofer hieß es schon 1928: „Die Geopolitik ist die Lehre von der Erdgebundenheit der politischen Vorgänge. Sie fußt auf der breiten Grundlage der Geographie, insbesondere der Politischen Geographie als der Lehre von den politischen Raumorganismen und ihrer Struktur. Die von der Geographie erfaßte Wesenheit der Erdräume gibt für die Geopolitik den Rahmen ab, innerhalb dessen sich der Ablauf der politischen Vorgänge vollziehen muß, wenn ihnen Dauererfolg beschieden sein soll […].“

Nach Ulrich Menzel lässt sich Geopolitik als eine besondere Form der Machtpolitik definieren, wobei unter Macht die Kontrolle von politisch definierten Räumen verstanden werde. Die Verwandtschaft zu den Denkschulen des Realismus sei dabei augenscheinlich. Manche Autoren sind sogar der Auffassung, dass die gesamten Theorien des Realismus und des Neorealismus in der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen nichts anderem als geopolitischem Denken entspringt. Und Sören Scholvin meint, insbesondere die Ideen des ehemaligen amerikanischen Außenministers Henry Kissinger und des früheren Nationalen Sicherheitsberaters Zbigniew Brzeziński verdeutlichten, dass Geopolitik zu einer vereinfachten Form der realistischen Theorie der internationalen Beziehungen geworden sei.

Maxim Trudoljubow vom Kennan Institute schrieb, dass die geopolitische Sicht auf die Welt die Sicht aus einem Bomber sei. Die Geopolitik ziehe zwingend jene politischen Führer an, die „historisches Ressentiment“ kultivierten – einer giftige Mischung aus historischen Mythen, der Kultivierung externer Bedrohungen und Feindbilder, der Leugnung von Wertesystemen und eigener wirtschaftlicher Misserfolge.

Zitat

Geopolitik ist die Entmenschlichung der Welt - Maxim Trudoljubow

Quellen[Bearbeiten]

  • Zbigniew Brzeziński: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14358-6.