Politische Geographie

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Die Politische Geographie als Teilbereich der Humangeographie/Kulturgeographie untersucht die Zusammenhänge zwischen Macht und Raum, folglich also Wechselbeziehungen zwischen (natur-)räumlichen Gegebenheiten und politischem Handeln von Akteuren sowie gesellschaftlichen Prozessen und Verhältnissen. Insbesondere im deutschsprachigen Kontext hat diese Teildisziplin eine wechselvolle Geschichte, die von der Begründung als Geopolitik über die politische Instrumentalisierung im Nationalsozialismus bis zu aktuellen diskursanalytischen und herrschaftskritischen Ansätzen reicht.

Disziplingeschichte[Bearbeiten]

Die Auseinandersetzung mit der Verknüpfung räumlicher Strukturen und politischer Machtverhältnisse lässt sich bis in die Schriften Aristoteles zurückverfolgen. Explizit hat sich erstmals Friedrich Ratzel mit Wechselwirkungen zwischen räumlichen Gegebenheiten und staatlicher Organisation beschäftigt und damit die Teildisziplin Politische Geographie begründet. In seinen Arbeiten, etwa in seinem Hauptwerk „Politische Geographie“ von 1897, herrschen dabei noch geodeterministische Vorstellungen vor, Räume und damit territoriale Gebietseinteilungen seien quasi per Naturgesetz gegeben. Zudem wurde der Nationalstaat als eine Art organisches Ganzes aufgefasst (Staatsorganizismus). Vergleichbar mit dem Überlebenskampf eines Lebewesens, sei das Fortbestehen einer Nation deshalb nur durch territoriale Expansion und soziale Unterdrückung anderer Völker gewährleistet (Wolkersdorfer: 2001). Im Anschluss an Ratzel hat insbesondere der Schwede Rudolf Kjellén (1864–1922) und später der an der Münchner Universität lehrende Geographieprofessor Karl Haushofer (1869–1946) diese geodeterministischen Vorstellungen weiter ausgeführt und zugespitzt.

Die von diesen Autoren nahegelegte Forderung nach einer Einheit von Staat, Volk und Boden und dem daraus resultierenden Naturzwang eines „Kampfes um Lebensraum“ bot eine willkommene pseudo-wissenschaftliche Begründungsfolie für die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie und wurde entsprechend propagandistisch zur Begründung der Vernichtungskriege in Osteuropa herangezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Geopolitik in der Bundesrepublik Deutschland sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch, als auch im wissenschaftlichen Diskurs dadurch nachhaltig diskreditiert. In der Folge verlor die politisch-geographische Forschung in Deutschland weitgehend an Bedeutung und konzentrierte sich auf politisch unverfängliche und deskriptive Disziplinen (z. B. Wahlgeographie). Im angelsächsischen Sprachraum verlief die Entwicklung etwas anders. Der Einfluss der bekanntesten Vertreter einer auch im politischen Sinne mitgestaltenden Geopolitik, wie etwa Alfred Thayer Mahan oder Halford Mackinder, blieb hier, auch nach dem Zweiten Weltkrieg, teilweise erhalten, wobei die Idee, einer im Sinne der klassischen Geopolitik notwendigen expansiven Staatspolitik, an die Zeit angepasst und weiterentwickelt wurde (Helmig: 2007).

Quellen[Bearbeiten]

  • Paul Reuber, Günter Wolkersdorfer (Hrsg.): Politische Geographie – Handlungsorientierte Ansätze und Critical Geopolitics. Spektrum, Heidelberg 2002.