Geschichte der Juden in Deutschland

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Die Geschichte der Juden in Deutschland ist die einer seit mehr als 1.700 Jahren im deutschen Sprachraum – wie in ganz Mitteleuropa – lebenden ethnischen und religiösen Minderheit. Die sehr unterschiedlich dokumentierten Epochen dieser Geschichte wechselten zwischen Blütezeiten, in denen Toleranz gegenüber Juden herrschte, und Zeiten antijudaistischer Verfolgungen und antisemitischer Gewalt, die im 20. Jahrhundert zum Holocaust führte. Seit 1990 wächst die Zahl der deutschen Juden wieder dank Einwanderern aus Osteuropa und Israel. Die größten jüdischen Gemeinden sind heute die in Berlin, München und Frankfurt am Main.

Das deutsche Judentum hat sowohl die Kultur der gesamten jüdischen Welt als auch die Deutschlands in starkem Maße beeinflusst. So entwickelte sich die noch heute verbreitete Bezeichnung für aschkenasische Juden während des 9. Jahrhunderts im Rheinland. Zu den bekanntesten Kulturschaffenden deutsch-jüdischer Herkunft zählen u.a. Albert Einstein, Else Lasker-Schüler, Heinrich Heine, Felix Mendelssohn Bartholdy, Hannah Arendt, Karl Marx und Bertha Pappenheim.

Antike, Völkerwanderung und Frankenreich 200–1000[Bearbeiten]

Juden lebten bereits in der Antike in der römischen Provinz Germania inferior. Für die Berufung in ein städtisches Amt waren hier Grundbesitz und ein ausreichendes Ansehen der Person Bedingungen. Doch auch wenn Juden diese erfüllten, blieb ihnen der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt. Ihre Religion war als religio licita (erlaubte Religion) anerkannt. Damit waren sie vom Kaiserkult und den Opfern an die römischen Staatsgötter befreit. Diese waren jedoch vorausgesetzt, um ein öffentliches Amt zu bekleiden. Die Kaiser Septimius Severus und Caracalla ließen Juden mit einem Edikt (zwischen 198 und 211) ausdrücklich zu den Ämtern zu und dispensierten sie von Pflichten, die gegen ihren Glauben verstoßen würden. In der Spätantike verweigerte sich jedoch die römische Oberschicht zunehmend diesen kostspieligen Ämtern, sodass die römische Verwaltung in eine Krise geriet. So gilt das an den Kölner Stadtrat ergangene Dekret Kaiser Konstantins des Jahres 321, das auch Juden die Berufung in die curia erlaubte bzw. sie auch gegen ihren Willen in die Pflicht nahm, als frühester Beleg für die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Köln. Das kaiserliche Dekret ist im Codex Theodosianus überliefert mit folgendem Wortlaut:

Zitat
"Cunctis ordinibus generali lege concedimus Iudaeos vocari ad curiam. Verum ut aliquid ipsis ad solacium pristinae observationis relinquatur, binos vel ternos privilegio perpeti patimur nullis nominationibus occupari."

Übersetzung
"Durch reichsweit gültiges Gesetz erlauben wir allen Stadträten, dass Juden in den Stadtrat berufen werden. Damit ihnen [den Juden] selbst aber etwas an Trost verbleibe für die bisherige Regelung, so gestatten wir, dass je zwei oder drei […] aufgrund dauernder Privilegierung mit keinen [solchen] Berufungen belastet werden."

Ob es in den rheinischen Städten Köln, Trier, Mainz, Worms und Speyer durchgehend jüdische Siedlungen gab, ist ungewiss. Möglicherweise bestanden nach dem Abzug der Römer und der germanischen Landnahme einige jüdische Siedlungen weiter. Ihre rechtliche Stellung war während der römischen Zeit gesichert und Juden besaßen das volle Bürgerrecht. Auf der germanischen Seite des Rheins und nördlich der Donau lebten dagegen keine Juden; zumindest sind sie in der Antike historisch nicht nachweisbar. Eine kontinuierliche Besiedlung begann wahrscheinlich erst in ottonischer Zeit.

Wie Juden nach der Völkerwanderungszeit in die Gebiete rechts des Rheins und nördlich der Donau gelangten, ist weitgehend unerforscht. Erst in den letzten Jahren wird das Material anhand des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland untersucht. Für das Ostfrankenreich sind jüdische Gemeinden auf ehemals römischem Boden sicher nachweisbar. Ein bis heute erhaltenes jüdisches Bauwerk aus dieser Zeit ist die Kölner Mikwe, deren erste Bauphase auf das 8. Jahrhundert datiert wird. Der erste namentlich bekannte Jude ist der Großkaufmann Isaak am Hof Kaiser Karls des Großen, den der Kaiser 797 bis 802 in einer Gesandtschaft nach Bagdad zum Kalifen Hārūn ar-Raschīd schickte und der einen Elefanten namens Abul Abbas von dort mitbrachte.

Von Ludwig dem Frommen sind um 825 gegebene Privilegien überliefert, die den Juden Vergünstigungen einräumten und unter anderem deren Aktivitäten im Sklavenhandel zwischen Böhmen und Spanien regelten. Als Gegner des Judentums, seiner Rechte und Rolle im Frankenreich positionierte sich Agobard, der Erzbischof von Lyon.