Gilgamesch-Epos

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Das Gilgamesch-Epos beziehungsweise Gilgameš-Epos ist der Inhalt einer Gruppe literarischer Werke, die vor allem aus dem babylonischen Raum stammt und eine der ältesten überlieferten, schriftlich fixierten Dichtungen enthält. Das Gilgamesch-Epos in seinen verschiedenen Fassungen ist das bekannteste Werk der akkadischen und der sumerischen Literatur.

Als Gesamtkomposition trägt es den ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. belegten Titel „Derjenige, der die Tiefe sah“ (ša naqba īmuru). Eine vermutlich ältere Fassung des Epos war unter dem Titel „Derjenige, der alle anderen Könige übertraf“ (Šūtur eli šarrī) bereits seit altbabylonischer Zeit (1800 bis 1595 v. Chr.) bekannt.

Die umfassendste erhaltene Version, das sogenannte Zwölftafel-Epos des Sîn-leqe-unnīnī, ist auf elf Tontafeln aus der Bibliothek des assyrischen Königs Aššurbanipal erhalten. Eine zwölfte Tafel mit einem Auszug aus dem eigenständigen Gedicht Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt wurde dem Epos angehängt. Von den einst über 3.000 Versen des Epos sind nicht ganz zwei Drittel aus verschiedenen Überlieferungssträngen bekannt.

Das Epos schildert die Geschichte Gilgameschs, eines Königs von Uruk, seine Heldentaten und Abenteuer, seine Freundschaft zu Enkidu, dessen Tod und Gilgameschs Suche nach der Unsterblichkeit. Am Ende muss der Held einsehen, dass Unsterblichkeit nur den Göttern gegeben, Leben und Sterben aber Teil der menschlichen Natur ist. Rainer Maria Rilke nannte es das „Epos der Todesfurcht“.

Das vorhandene Schriftmaterial erlaubt die Rückdatierung der ursprünglichen Fassung bis mindestens in das 18. Jahrhundert v. Chr., reicht aber wahrscheinlich in die Abfassungszeit des Etana-Mythos im 24. Jahrhundert v. Chr. zurück. In immer neuen Anpassungen und Redaktionen wurde das Epos den historischen Bedingungen der jeweiligen Zeit angeglichen. Es war über Jahrhunderte grundlegende Schullektüre im Vorderen Orient und wurde selbst ins Hethitische und Hurritische übersetzt. Auch eine elamische Version ist bekannt. Noch der um 200 n. Chr. schreibende Römer Aelian erwähnt Gilgamesch, von ihm Gilgamos genannt, als mythischen König der Babylonier.

Wiederentdeckung[Bearbeiten]

Die ersten Tontafeln mit Fragmenten des Gilgamesch-Epos wurden 1853 von Hormuzd Rassam gefunden. George Smith (1840–1876) übersetzte sie 1872 und gilt daher als der eigentliche Wiederentdecker des Gilgamesch-Epos. Smith übersetzte das Fragment, das sich mit der Überflutung der Erde beschäftigte und sehr große Ähnlichkeiten zum Bericht der Sintflut im Buch [[1. Buch Mose|Genesis] der Bibel aufweist. Dieses Fragment ist ein Teil der elften und letzten Tafel des Gilgamesch-Epos. Damit wurde die Hypothese gestärkt, dass die Bibel diesen Text in veränderter Form übernommen hatte. 1997 identifizierte der Assyriologe und Judaist Theodore Kwasman die vermissten ersten zwei Zeilen des Epos im British Museum.

Übersetzung[Bearbeiten]

Der Text des Epos musste aus verschiedenen Fragmenten rekonstruiert werden, wobei größere Lücken (Lacunae) bestehen blieben. Da die verschiedenen Fragmente in verschiedenen Sprachen (altbabylonischem Akkadisch, Hurritisch und Hethitisch) verfasst worden waren, ergaben sich Übersetzungs- und Zuordnungsschwierigkeiten. Einige Textstellen waren nicht erhalten und mussten rekonstruiert werden. Häufig war auch die Bedeutung wichtiger Begriffe nicht bekannt.

Erst S. N. Kramer, Sumerologe aus Philadelphia (USA), stellte große Teile der sumerischen Mythendichtungen in einen sinnvollen Zusammenhang. Die erste vollständige deutsche Übersetzung erstellte Alfred Jeremias im Jahr 1891. 1934 wurde das Epos von Albert Schott erneut übersetzt. Schott hat die Personennamen des Epos vereinheitlicht, so dass sich der Name Gilgamesch auch für die älteren Erzählungen durchsetzte, die im Original den Namen dGIŠ-gím-maš verwenden. Das Gleiche gilt für die Namenspaare Ḫuwawa/Ḫumbaba und Sursun-abu/Ur-šanabi.

Mit einer neuen wissenschaftlichen Edition stellte der Londoner Altorientalist Andrew R. George im Jahr 2003 die textkritische Erforschung des Gilgamesch-Epos auf eine neue Grundlage. Aus über 100 Textfunden, die inzwischen neu übersetzt worden waren, ergab sich eine Neubewertung des überlieferten Textes. Zusätzlich konnten zwischen 2003 und 2005 fünf weitere Bruchstücke übersetzt werden. Der Assyriologe Stefan Maul legte im Jahr 2005 eine umfassend überarbeitete, neue, poetische Übersetzung vor, die Ergänzungen, persönliche Interpretationen und Erweiterungen zu den älteren Übersetzungen des Gilgamesch-Epos enthält.