Indogermanische Ursprache

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Die indogermanische Ursprache (oder: indogermanische Grundsprache bzw. Urindogermanisch) ist die nicht belegte, aber durch sprachwissenschaftliche Methoden erschlossene gemeinsame Vorläuferin der indogermanischen Sprachen. Für diese Sprachfamilie ist (vor allem international) auch die Bezeichnung „Indoeuropäisch“ üblich, dementsprechend wird die Ursprache dann auch als Proto-Indoeuropäisch (PIE) bezeichnet. Die Bezeichnung „indogermanisch“ ist so gemeint, dass die Sprachfamilie in einem Gebiet vorkommt, das von dem germanischen Verbreitungsgebiet im Westen bis nach Indien im Osten reicht; tatsächlich sind aber die meisten „indogermanischen“ Sprachen weder germanisch noch indisch, und auch die Ursprache steht in keinem besonderen Zusammenhang mit speziell den germanischen oder indischen Tochtersprachen. Ebenso wenig soll die Bezeichnung „indoeuropäisch“ bedeuten, dass diese Ursprache unbedingt in Europa entstanden sein müsse).

Es ist eine der bedeutenden Leistungen der Sprachwissenschaftler seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, aus der Untersuchung der Gemeinsamkeiten und der systematischen Unterschiede der indogermanischen Sprachen weitgehend das Vokabular und die grammatische Struktur dieser Ursprache plausibel rekonstruiert zu haben. Bei der Rekonstruktion stützt man sich vor allem auf Gemeinsamkeiten der grammatischen Formen und auf verwandte Wörter (Kognaten). Eine hohe Anzahl an Kognaten weist auf eine Verwandtschaft hin, wenn der zu vergleichende Wortschatz aus dem Grundwortschatz stammt.

Datierung und Verortung des Urindogermanischen[Bearbeiten]

Aufgrund des gemeinsamen Vokabulars der Folgesprachen, wozu zum Beispiel die Wörter für „Rad“, „Achse“ und weitere wichtige Begriffe der Wagentechnologie gehören, gehen die meisten Forscher von einer Sprachtrennung nicht vor 3.400 v. Chr. aus. In diese Zeit datiert die Archäologie die erste gesicherte Benutzung von Rädern, auch im angenommenen Sprachgebiet. Der Grad der Verschiedenheit der in Sprachdenkmälern ab dem zweiten Jahrtausend v. Chr. nachgewiesenen Folgesprachen lässt einen Trennungszeitpunkt nach etwa 3000 v. Chr. nicht mehr plausibel erscheinen.

Die geographischen und zeitlichen Einordnungen dieser Sprache sind unsicher.

Gemeinsamkeiten der Folgesprachen[Bearbeiten]

Da die indogermanische Ursprache nicht direkt überliefert ist, wurden alle Laute und Wörter durch die vergleichende Methode (Sprachrekonstruktion) erschlossen. Viele Wörter in den heutigen indogermanischen Sprachen stammen durch regelmäßigen Lautwandel von diesen Urwörtern ab. In früheren Formen dieser Sprachen ist das noch wesentlich deutlicher. Auch die grammatikalischen Strukturen der Sprachen zeigen große Übereinstimmungen (vor allem bei den älteren Sprachstufen). Nachdem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Forscher wie Franz Bopp und Jacob Grimm die Gemeinsamkeiten detailliert dargelegt hatten, versuchte August Schleicher 1861 die Rekonstruktion der angenommenen gemeinsamen Wurzel. Seither und bis heute wird diese Rekonstruktion aufgrund neuer Entdeckungen und Analysen fortlaufend revidiert.

August Schleicher folgend, markiert man rekonstruierte Formen mit einem Sternchen (Asterisk): *wódr̥ ‚Wasser‘, *ḱwṓ(n) ‚Hund‘ oder *tréyes ‚drei‘. Zur ersten Illustration der Gemeinsamkeiten soll die folgende Tabelle dienen, die einige Zahlwörter in verschiedenen Folgesprachen und in der indogermanischen Rekonstruktion zeigt.

Nicht nur Wortgleichungen, sondern auch grammatikalische Strukturen zeigen in den indogermanischen Sprachen derartig große Gemeinsamkeiten, dass man von einem gemeinsamen Ursprung dieser Sprachen ausgehen muss. Das Gegenmodell eines Sprachbundes, also einer Gruppe ursprünglich voneinander unabhängiger Sprachen, die sich durch gegenseitige Beeinflussung einander angenähert hätten, wird angesichts der Art der beobachteten Phänomene ausgeschlossen.

Gleichwohl wäre es verfehlt, sich das Urindogermanische als eine einzelne, genau so von einer Gruppe von Menschen gesprochene Sprache vorzustellen. Zum einen ist von Sprachelementen auszugehen, die in keiner der Folgesprachen Spuren hinterlassen haben und daher nicht rekonstruiert werden können, zum anderen ist zu beachten, dass die Rekonstruktion ein räumlich ausgedehntes Dialektkontinuum und einen Zeitraum von vielen Jahrhunderten umfasst.