Komplexchemie

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Die Komplexchemie (lat. complexum, „umgeben“, „umarmt“, „umklammert“) ist ein Bereich der Anorganischen Chemie. Der Begriff Koordinationschemie wird im Allgemeinen synonym dazu verwendet. Die Komplexchemie befasst sich mit Komplexen bzw. Koordinationsverbindungen, die aus einem oder mehreren Zentralteilchen und einem oder mehreren Liganden aufgebaut sind. Die Zentralteilchen sind dabei meist Atome bzw. Ionen von Übergangsmetallen, die ungeladen oder geladen sein können.

Im Gegensatz zu herkömmlichen kovalenten Bindungen steuern in Komplexen gewöhnlicherweise die Liganden alle Elektronen zur Bindung bei, anstatt dass jeder Reaktionspartner mit jeweils einem Elektron zu einer Elektronenpaarbindung beiträgt (koordinative Bindung); trotzdem gibt es auch Komplexe eher kovalenter Natur. Die Bildung von Komplexen lässt sich somit als Säure-Base-Reaktion im Sinne der Lewis-Definition verstehen, in der die Liganden (Basen) als Elektronenpaardonatoren auftreten und das Zentralteilchen (Säure) durch Lücken in seiner Elektronenkonfiguration als Akzeptor.

Komplexverbindungen spielen in verschiedenen Bereichen eine wichtige Rolle: In der Technik (zum Beispiel als Katalysator, siehe Abbildung des Grubbs-Katalysators rechts), in der Biologie (Hämoglobin und Chlorophyll), in der Medizin (Chelat-Therapie) oder in der Analytischen Chemie. Verbindungen mit organischen Liganden sind zudem Gegenstand der Metallorganischen Chemie. Da Komplexe von Übergangsmetallen mitunter sehr farbig sind, werden diese außerdem auch als Farbstoffe bzw. Pigmente eingesetzt (Berliner Blau). Besonders intensive Färbungen zeigen die Charge-Transfer-Komplexe, wie z.B. Permanganate.

Lange Zeit hatten Chemiker keine Vorstellung vom Aufbau koordinativer Verbindungen, die man als „Verbindungen höherer Ordnung“ bezeichnete. Zudem ließen sich viele Verhaltensweisen von Komplexen mit den damaligen Theorien nicht erklären, wie zum Beispiel die Stabilität von Cobalt(III)-chlorid in wässriger Lösung bei Zugabe von Ammoniak. Für die richtige Deutung der Struktur- und Bindungsverhältnisse in Komplexen erhielt der Schweizer Alfred Werner im Jahre 1913 als erster und jahrzehntelang einziger Anorganiker den Nobelpreis für Chemie.