Osmose

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Als Osmose (gr. ōsmós „Eindringen“, „Stoß“, „Schub“, „Antrieb“) wird in den Naturwissenschaften der gerichtete Fluss von Teilchen durch eine selektiv- oder semipermeable Trennschicht bezeichnet. Häufig wird Osmose als die spontane Passage von Wasser oder eines anderen Lösungsmittels durch eine semipermeable Membran beschrieben, die für das Lösungsmittel, jedoch nicht die darin gelösten Stoffe durchlässig ist.

Osmose ist in der Natur von zentraler Bedeutung, insbesondere für die Regulation des Wasserhaushalts von Lebewesen und ihren Zellen. Als Trennverfahren findet sie Anwendung in Medizin und Verfahrenstechnik und sie wird in Osmosekraftwerken zur Energiegewinnung eingesetzt. Während die Osmose im Rahmen der statistischen Mechanik sowie der Nichtgleichgewichtsthermodynamik theoretisch erklärt wird, sind die physikalischen Abläufe auf mikroskopisch-molekularer Ebene auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch Gegenstand von Gelehrtenstreit und aktiver Forschungstätigkeit.

Ein anschauliches Beispiel für die Wirkung der Osmose ist das Aufplatzen reifer Kirschen nach Benetzung mit Regenwasser. Das Wasser auf der Außenseite der Frucht enthält nur sehr wenig gelöste Teilchen (geringe Konzentration), hat also ein hohes chemisches Potential. Es dringt durch die äußere Haut in die Frucht ein, in der das Wasser als Lösungsmittel durch den hohen Zuckergehalt und andere gelöste Stoffe ein niedriges chemisches Potential aufweist. Durch den Wassereinstrom steigt der Druck im Inneren der Frucht und führt zum Aufreißen ihrer äußeren Haut. Diese ist neben anderen Stoffen für Wasser durchlässig, nicht jedoch für Zuckermoleküle; aufgrund dieser Eigenschaften wirkt sie als semipermeable Membran. Wassermoleküle können diese Membran prinzipiell in beide Richtungen passieren, werden jedoch im Inneren der Frucht stärker „festgehalten“. Die Wassermoleküle müssen dort mit den anderen gelösten Molekülen und Teilchen um den Zugang zur Membran konkurrieren, so dass weniger Wassermoleküle pro Zeitspanne nach außen dringen als umgekehrt.

Triebkraft der spontan ablaufenden Osmose ist der Unterschied zwischen den chemischen Potentialen eines oder mehrerer Stoffe in den durch eine Membran getrennten Phasen. Diese können aus flüssigen und gasförmigen Lösungen oder Reinstoffen bestehen. Teilchen (Atome, Moleküle oder Ionen) der Komponenten, für die die Membran durchlässig ist, diffundieren in Richtung ihres niedrigeren chemischen Potentials. Der aus dieser Bewegung resultierende Mischungsvorgang verringert die Gibbs-Energie (oder freie Enthalpie) des Gesamtsystems; daher läuft der Vorgang ohne Energiezufuhr ab (siehe auch exergone und endergone Reaktionen). Im Allgemeinen ist es ein Lösungsmittel, das aufgrund der unterschiedlichen Anzahl gelöster Teilchen in Richtung seines niedrigeren chemischen Potentials diffundiert.

In geschlossenen Systemen erfolgt durch Osmose ein Ausgleich der Potentialdifferenzen, die osmotische Bewegung hält solange an, bis das chemische Potential der diffundierenden Komponenten auf beiden Seiten der Membran ausgeglichen ist; zwischen beiden Phasen hat sich dann ein thermodynamisches Gleichgewicht eingestellt. Erfolgt der Stofffluss in ein geschlossenes Volumen, muss sich zwangsläufig der Druck in diesem Volumen (der Seite mit dem anfangs niedrigeren Potential) erhöhen; diese Differenz wird als osmotischer Druck bezeichnet. Der osmotische Druck ist eine kolligative Eigenschaft, da er von der Anzahl der gelösten Teilchen abhängt.

Geschichte und Definitionen des Begriffs Osmose[Bearbeiten]

Geschichte[Bearbeiten]

Im Jahre 1748 beschrieb Jean-Antoine Nollet, Professor für Experimentalphysik am Collège de Navarre in Paris, ein Experiment, bei dem ein Zylinder mit „Weingeist“ befüllt, mit einer entfetteten Schweinsblase verschlossen und aufrecht in Wasser getaucht wurde. Innerhalb weniger Stunden strömte so viel Wasser in den Zylinder, dass sich die Blase unter großem Druck nach außen wölbte; nach Anstechen mit einer Nadel schoss Flüssigkeit als kleine Fontäne in die Höhe. Während die Schweinsblase für Wasser durchlässig ist, kann Alkohol durch diese nicht entweichen; Nollet hatte mit seinem Experiment die Existenz semipermeabler Membranen demonstriert.

„Osmose“ als Wortbestandteil verwendete erstmals der französische Botaniker Henri Dutrochet (1776–1847); er bezeichnete den Einstrom von Wasser in eine mit einer Schweinsblase umschlossene Messkammer als Endosmose, die Auswärtsbewegung als Exosmose. Dutrochet konstruierte mit dem Endosmometer als erster eine Vorrichtung zum Nachweis des osmotischen Drucks und postulierte die zentrale Bedeutung der Osmose für alle Lebensprozesse.

1864 gelang dem Chemiker und Privatgelehrten Moritz Traube die Herstellung von künstlichen semipermeablen Membranen, die für Zucker und eine Reihe anderer organischer Stoffe undurchlässig waren. 1877 beschrieb der deutsche Botaniker Wilhelm Pfeffer erstmals eine Methode zur quantitativen Messung des osmotischen Drucks wässriger Lösungen. Dazu entwickelte er die nach ihm benannte Pfeffersche Zelle, ein Osmometer aus porösem Ton, den er mit den von Traube entdeckten kolloidalen Niederschlagsmembranen wie Kupfer(II)-hexacyanoferrat(II) beschichtete.

Das Pfeffersche Verfahren zur Messung des osmotischen Drucks wurde um die Jahrhundertwende durch Harmon Northrop Morse wesentlich verbessert, der das Membranmaterial mittels Elektrolyse auf die Wände der Tonzellen aufbrachte und ermöglichte dadurch Messungen bis zum 270fachen des Atmosphärendrucks.

Der niederländische Chemiker Jacobus Henricus van ’t Hoff veröffentlichte zehn Jahre nach Pfeffer seine wegweisende Arbeit zur Analogie von Gasdruck und osmotischem Druck von Lösungen, für die er 1901, neben anderen Leistungen, mit dem ersten Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. 1905 veröffentlichte Albert Einstein seine grundlegende Arbeit zur Erklärung der Osmose mit Mitteln der „molekularkinetischen Theorie“. 1958 definierten Ora Kedem und Aharon Katchalsky den Begriff des osmotischen Flusses im Rahmen der Onsagerschen Reziprozitätsbeziehungen und etablierten die Theorie der Membranen in Nichtgleichgewichtssystemen.

Die Entwicklung geeigneter Membranen, zunächst aus Celluloseacetat Ende der 1950er Jahre, etwas später dann synthetische asymmetrische Membranen ermöglichte die Nutzung der Umkehrosmose zur Trinkwasseraufbereitung. Der erste Prototyp eines Osmosekraftwerks wurde 2009 in Norwegen in Betrieb genommen.