Römisches Militärlager

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Das römische Militärlager (lateinisch Castrum, Mehrzahl Castra; für: befestigter Ort), auch Kastell (von lateinisch castellum, Verkleinerungsform von castrum), war ein wesentliches Element des römischen Heerwesens. Von Tacitus ist folgende Aussage überliefert: „Das Lager ist der besondere Stolz der Soldaten. Es ist ihr Vaterland, das seine Soldaten beheimatet“. Militärische Einrichtungen, insbesondere die Kastelle, waren, wo auch immer das Imperium in der Welt auftrat, die „physische Manifestation Roms“. Zusätzlich zu seiner Funktion als Ausgangspunkt für militärische Operationen oder als kurzfristiger Standort vor Schlachten hatten insbesondere die ständigen Garnisonen aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und ihres bis dahin an vielen Orten unbekannten technischen Fortschrittes wesentlichen Anteil an der Romanisierung der eroberten Gebiete. Zahlreiche Städtegründungen, die bis heute bestehen, gehen auf römische Militärstandorte zurück.

Die Größe der Anlagen richtete sich nach den jeweiligen Erfordernissen, wobei es neben Garnisonen auch Nachschublager gab. Ebenso sind militärische Fundorte bekannt, die möglicherweise unter anderem spezielle Aufgaben zu erledigen hatten. Ein wesentlicher Faktor für den Umfang römischer Kastelle ist zudem die historische Entwicklung im Zusammenhang mit den baulichen Strukturen, da sich deren Aussehen durch veränderte militärische Strategien im Laufe der Jahrhunderte stark wandelte.

Quellen[Bearbeiten]

Neben den archäologischen Grabungen an den architektonischen Resten bildet besonders die schriftliche Überlieferung eine wesentliche Grundlage zum Verständnis römischer Lager. Zwei militärtheoretische Schriften der Antike sind hierzu besonders wichtig. Das eine ist ein nur unvollständig erhaltener, kurzer Text mit dem Titel De munitionibus castrorum (Von den Befestigungen der Kastelle), der aus einem Sammelwerk stammt, das ein Vermessungstechniker namens Hyginus Gromaticus zusammengestellt hat. Hygin ist allerdings nicht der Autor dieser militärischen Schrift unbekannten Ursprungs. Daher wird er in der Fachliteratur im Zusammenhang mit De munitionibus castrorum auch als Pseudo-Hygin bezeichnet. Der Entstehungszeitraum dieser Schrift wird mit dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. in Verbindung gebracht. Das andere Werk, Epitoma rei militaris (Abriss des Militärwesens), stammt von Flavius Vegetius Renatus und wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. geschrieben. Vegetius schöpft aus einer Vielzahl von teils wesentlich älteren Quellen, die mehr als ein halbes Jahrtausend römischer Militärgeschichte umfassen. Da er diese Quellen jedoch nicht einzeln nennt, vermischen sich in der Schrift viele Aspekte einer jahrhundertelangen Entwicklung des römischen Heerwesens zu einem heute größtenteils nicht sauber trennbaren Surrogat. In der Forschung wird diese Schrift daher sehr vorsichtig verwendet. Ein anderer Autor, der griechische Historiker Polybios, bringt Einzelheiten römischer Marschlager vom Ende des 3. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. Seine Schriften, die Historiae, bearbeiten die Zeit von 264–146 v. Chr. Bekannt ist er für seine darin enthaltene Beschreibung des Aufstiegs Roms, damals noch eine Republik, zur führenden Macht im Mittelmeerraum, und für seinen Augenzeugenbericht der Einnahme Karthagos im Jahre 146 v. Chr. Hundert Jahre später erwähnt Caesar viele Einzelheiten über die Bauweise der Lager zu seiner Zeit. Das Militärwesen der Kaiserzeit wird durch Flavius Arrianus greifbar, der als Historiker zur Zeit Kaiser Hadrians bekannt ist. Daneben bilden bei Ausgrabungen aufgefundene Dokumente, Briefe und Urkunden sowie Steininschriften eine wichtige Quelle.

Grundformen während der Prinzipatszeit[Bearbeiten]

Die festen Kastellanlagen der Kaiserzeit hatten ihren Ursprung in den Feldlagern der römischen Republik. Diese ließen sich in zwei Kategorien unterteilen: in Marsch- und temporäre Lager, zu denen auch Winterlager (hiberna) zählten. Zahlreiche Lager der späten Republik und frühen Kaiserzeit waren an das Gelände angepasst und hatten oftmals unregelmäßige Grundrisse. Die innere Bebauung folgten jedoch meist einem standardisierten Muster. Der Aufbau eines solchen Lagers war straff vereinheitlicht, da es nach jedem Marsch gegen Abend neu errichtet werden musste. Dazu war es notwendig, dass die große Zahl der Menschen, die an einer militärischen Operation teilnahmen, zu jeder Zeit wusste, was zu tun war und wie sie sich in dem Lager zurechtzufinden hatten. Diese Abläufe folgten einer stets gleichen Mechanik, die jede Art von Nachfragen erübrigte. Daher war ein rascher und professioneller Lagerauf- und -abbau auch in Ausnahmesituationen gewährleistet.

Die Einhaltung der rechteckigen oder quadratischen Grundform sowie die Innenbebauung eines Kastells konnten bereits bei den leichtbefestigten längerfristigen Lagern der späten Republik stark vom Normschema abweichen, wenn es die Bedingungen erforderlich machten. Insbesondere die Standlager während der Eroberungszüge in Germanien zur Zeit des Augustus (31 v. Chr.–14 n. Chr.) weichen in einigen Fällen deutlich von der Regelkonzeption ab. Mit dem Ausbau und der Befestigung der Grenzen während der nachfolgenden Generationen werden die Vorgaben deutlich straffer gehandhabt. Mit den gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen des 3. Jahrhunderts setzen sich nach grundlegenden militärischen Reformen neue, individueller zu handhabende Grundmodelle für den Aufbau von Kastellen durch, die nicht nur vielfach versuchen, den gewählten Standort strategisch bestmöglich zu nutzen, sondern auch den bisherigen kasernenartigen Garnisonscharakter zugunsten festungsartiger Bauweisen aufgeben.

Die römischen Kastelle der frühen und mittleren Kaiserzeit wurden bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. nach einem offensichtlich stark vereinheitlichten Grundschema angelegt. Sie folgten in ihrer Anlage dem Prinzip der älteren Marschlager. Die sehr häufig rechteckige Lagerumwehrung besaß zumeist abgerundete Ecken, in denen Wachtürme standen. Der Bereich zwischen der Via principalis und der Porta praetoria wurde praetentura (Vorderlager) genannt, der Bereich zwischen der Rückseite des Stabsgebäudes und der Porta decumana hieß retentura (Hinterlager).

Nach allen vier Himmelsrichtungen öffnete sich meist je ein Tor, durch das die vier Lagerhauptstraßen rechtwinkelig hindurchführten und am Mittelpunkt des Kastells zusammenliefen. Die wichtigste Ausfallstraße war die Via praetoria, welche zum Haupttor (Porta praetoria) hinausführte. Dort befand sich auch die Prätorialfront, die dem Feind zugewandte Lagerseite. Zu den beiden Schmalseiten führten die Via principalis dextra und die Via principalis sinistra, an deren Endpunkt die Porta principalis dextra (das rechte Tor) und die Porta principalis sinistra (das linke Tor) lagen. Rückwärtig befand sich die Via decumana, die mit der Porta decumana korrespondierte. Am Kreuzungspunkt der beiden Hauptstraßen, genannt Locus gromae, nach dem Vermessungsinstrument Groma, mit dem das Lager von hier aus vermessen wurde, lagen die Principia, das Stabsgebäude. Meist links oder rechts des Stabsgebäudes befand sich das Praetorium, das Wohnhaus des Kommandeurs sowie der Getreidespeicher (Horreum). Nach Hygin verläuft die Via quintana parallel zur Via principalis, jedoch hinter dem Mittelstreifen des Lagers (Latera praetorii). Eine weitere wichtige Straße befindet sich im Intervallum, dem Raum zwischen Wehrmauer/Wall und der angrenzenden Innenbebauung des Kastells. Dort führt die Lagerringstraße (Via sagularis) rund um alle Baulichkeiten der Anlage. Innerhalb der Befestigung konnte es verschiedenste Einrichtungen geben, die sich nach den jeweiligen Erfordernissen richteten.