Sprachnorm

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Sprachnorm bezeichnet im engeren Sinne das über vorliegende sprachliche Äußerungen erschließbare und allen Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft verfügbare Regelsystem einer Sprache. Im weiteren Sinne bezeichnet Sprachnorm nach Theodor Lewandowski „die Gesamtheit überindividueller Regeln / Reglementierungen / Vorschriften / Grundsätze / Muster, die den Sprachgebrauch verbindlich ordnen“ (vergleiche Normung).

Grundsätzliches[Bearbeiten]

Sprachliche Normen beziehen sich auf verschiedene Ebenen der Sprache und der Sprachverwendung. Entsprechend begegnen sie uns bei verschiedenen sprachlichen Tätigkeiten im Alltag. Sehr viele sprachliche Normen befolgen wir unbewusst. Zum Thema werden sie erst dann, wenn bewusst wird, dass Abweichungen möglich sind, z.B. verschiedene Schreibweisen wie Friseur/Frisör, Formen wie des Kindes/des Kinds oder Verhaltensweisen – wird z. B. auf ein Angebot mit nein oder mit Nein danke, ich möchte keinen Kaffee mehr reagiert? Dabei werden Normen entweder als Einschränkung/Korrektur wahrgenommen oder als willkommene Orientierungshilfe bei Unsicherheiten. Sprachnormen können je nach Bezugsbereich zu verschiedenen Typen von Normen gehören: verbindlich anerkannte Regel (z.B. grammatische Regeln), allgemein anerkannter Regelfall oder Standard (z.B. Standardsprache), auf Werte bezogene soziale Norm (z.B. sprachliche Höflichkeit), gesetzliche Vorschrift oder Rechtsnorm (das amtliche Regelwerk zur Regelung der Rechtschreibung). Mit dieser Breite hängt zusammen, dass sprachliche Normen unterschiedlich verbindlich sind, viele sind nicht schriftlich notiert, und sie unterliegen sprachlichem und gesellschaftlichem Wandel. Unterscheiden kann man Normen nach ihrem Inhalt (was wird vorgeschrieben?), den zuständigen Autoritäten, den Anwendungsbedingungen, den dazugehörenden Situationen und den Sanktionen bei Nichteinhalten (Glück (Hrsg.) 2005:665).

Außer im Bereich der Rechtschreibung gibt es (im deutschen Sprachraum) keine Normierungsverfahren oder -instanzen. Dass Nachschlagewerke wie der „Duden“ auch für Fragen außerhalb der Rechtschreibung als maßgeblich gelten, ist eine Konvention, die aber höchstens im Bereich von Schule und Amtsstellen festgeschrieben werden kann. Dass sich die meisten Menschen in einer Sprachgemeinschaft dennoch an sprachliche Normen halten, verweist auf den klar sozialen Charakter sprachlicher Normen. Indem die Gesellschaft Sprache verwendet, entwickeln sich allgemein anerkannte Regeln; die Gesellschaft mindert und ent-wickelt Varianz auch unabhängig von der Sprachwissenschaft. (Peyer u. a. 1996:16).

Normierungsbestrebungen sollten berücksichtigen, dass Sprache ein selbstregulierendes System ist. Sprache bedürfe keiner globalen Eingriffe, da sie als primäres Zeichensystem einen Rückkopplungs-Mechanismus enthält, der unter wechselnden gesellschaftlichen Bedingungen die notwendige Anpassung an neue kommunikative Bedürfnisse von selbst bewerkstelligt.

Je längerfristiger die Wirksamkeit einer Sprachäußerung eingeschätzt wird, desto eher werden Sprachnormen beachtet. Geschriebene Sprache orientiert sich daher in der Regel stärker an Sprachnormen als gesprochene Sprache.

Lange Zeit haben sich Sprachwissenschaft, Sprachkritik und Rhetorik nicht mit informeller gesprochener Sprache befasst, so dass nach wie vor konzeptionell schriftliche, eher formelle Sprache als die einzig richtige gilt. Differenzierter wird gefragt, welche sprachlichen Mittel in welcher Situation angemessen sind – das bedeutet, dass z. B. umgangssprachliche Ausdrucksweisen nicht grundsätzlich richtig oder falsch sind, aber nicht immer angemessen.

Verschiedene Normbereiche; Ebenen der Sprache und der Sprachverwendung[Bearbeiten]

Laute und Buchstaben[Bearbeiten]

Deutsch als plurizentrische Sprache kennt keine einheitliche Norm der Aussprache. Für die Aussprache des Standarddeutschen gibt es verschiedene Maßstäbe: Bühnenlautung, Standardlautung, Umgangssprache (s. Orthoepie). Was in entsprechenden Aussprache-Wörterbüchern (z.B. Duden Bd. 6) festgehalten wird, ist nicht Gesetz, sondern Richtgröße für bestimmte Situationen. In vielen alltäglichen oder halböffentlichen Situationen (z. B. Rundfunk) braucht die Aussprache aber nicht völlig vereinheitlicht zu sein, solange die Sprechenden auf Verständlichkeit und Deutlichkeit achten. Die Orthographie/Rechtschreibung ist der Bereich der Sprache, der am genauesten und eindeutigsten normiert ist. Interessant ist, dass mit der Zunahme informeller geschriebener Sprache in den elektronischen Medien (wieder) sichtbar wird, dass viele alternative Schreibweisen möglich und verständlich sind. Linguistisch wird unterschieden zwischen Graphemik/Graphematik (Untersuchung des Schriftsystems und seiner Regularitäten) und Orthographie (Fixierung der Norm). Insbesondere für die Vermittlung der Rechtschreibung in der Schule ist es wichtig, die Systematik des Schriftsystems zu kennen.