Hausmeerschweinchen

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Das Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus form. domestica) ist die Haustierform eines Säugetiers der Familie der Meerschweinchen (Caviidae) und vermutlich eng mit dem Tschudi-Meerschweinchen (Cavia tschudii) verwandt. Meerschweinchen wurden um 5.000 bis 2.000 v. Chr. in Südamerika als Nutztier zur Fleisch- und Pelzproduktion domestiziert. In Europa und den USA werden Meerschweinchen vorwiegend als Heimtiere gehalten.

Im 16. Jahrhundert wurden Hausmeerschweinchen nach Europa exportiert. Deren Nachkommen bilden den gesamten heutigen Bestand in diesen Erdteilen. Jedoch existieren in Südamerika weiterhin unabhängige, ältere Zucht- und Wildlinien. Diese Meerschweinchen sind oft größer als ihre fernen Verwandten in Nordamerika und Europa. In Südamerika werden sie zu rituellen Zwecken und zum Verzehr gehalten. In Europa servierte man Meerschweinchen ebenfalls bis ins 20. Jahrhundert hinein. Als Labortier wurden sie jedoch erst im 18. Jahrhundert eingesetzt. In neuerer Zeit gelang in Südamerika die Züchtung sogenannter Riesenmeerschweinchen, die seitdem in Intensivmast zur Fleischproduktion gehalten werden. In Deutschland sind diese Tiere als Cuys bekannt.

Etymologie[Bearbeiten]

Laut Duden kommt die Bezeichnung Meerschweinchen von dem spätmittelhochdeutschen Ausdruck merswin. Er bedeutete ursprünglich „Delfin“ und wurde wegen der (als ähnlich empfundenen) Grunzlaute verwendet. Es gibt jedoch viele andere, möglicherweise weniger sprachwissenschaftlich begründete Vermutungen, wie die Bezeichnung Meerschweinchen entstand. Am häufigsten wird der Name dadurch gedeutet, dass ihre Körperform etwas schweineähnlich aussieht und dass sie über das Meer zu uns kamen. Er könnte jedoch auch aus einer Verballhornung des Wortes „Möhrenschweinchen“ entstanden sein. Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich die Bezeichnung aus einem ähnlich klingenden Wort entwickelt hat, das jedoch eine völlig andere Bedeutung hat, ähnlich wie bei der Meerkatze, die als Affenart weder etwas mit Meer noch mit Katze zu tun hat, deren Name sich aber vom indischen Wort „marcata“ ableitet, was übersetzt „Affe“ bedeutet.

Domestizierung[Bearbeiten]

Ursprünglich wurde das Hausmeerschweinchen ebenso wie das Tschudi-Meerschweinchen (Cavia tschudii) dem Gemeinen Meerschweinchen (Cavia aperea) als Form oder Unterart zugeordnet, beide gelten heute jedoch als eigenständig. Auf der Basis molekularbiologischer und zytogenetischer Merkmale wurde eine enge Verwandtschaft zwischen dem Tschudi-Meerschweinchen und dem domestizierten Hausmeerschweinchen festgestellt, wodurch das Tschudi-Meerschweinchen als wahrscheinliche Schwesterart des Hausmeerschweinchens und damit zugleich als Ursprungsform für die Domestizierung betrachtet wird.

Wann genau Meerschweinchen domestiziert (über Generationen hinweg genetisch isoliert von der Wildform gehalten) wurden, ist nicht bekannt. Je nach Autor wird der Domestikationszeitpunkt zwischen 5000 v. Chr. und 2000 v. Chr. vermutet. Ein archäologischer Nachweis ist aufgrund der kleinen Knochen recht schwierig, eine Festlegung des Domestikationszeitpunktes nach molekulargenetischen Untersuchungen ist noch nicht möglich, da die Mutationsgeschwindigkeit in Frage kommender Gensequenzen noch nicht bekannt ist. Einig ist man sich nur, dass Meerschweinchen zuerst in der Altiplano-Region in Südamerika gehalten wurden. Auf der Basis von Funden mumifizierter Meerschweinchen wird angenommen, dass die erste Domestizierung im südlichen Peru und nördlichen Chile stattfand.

Die ältesten Funde, die eindeutig dem Hausmeerschweinchen zugeordnet werden können, stammen aus dem nördlichen Zentralhochland Perus. Sie werden um 900 v. Chr. datiert. Weitere Funde stammen aus der Küstenebene Ecuadors, datiert um 500 v. Chr., und dem Moche-Tal, datiert um 200 v. Chr. Zu dieser Zeit waren die Hausmeerschweinchen schon voll domestiziert und hatten alle Merkmale heutiger Hausmeerschweinchen. Beschrieben wurde das Hausmeerschweinchen 1554 von Conrad Gessner.

Verhaltensunterschiede zwischen Wild- und Hausmeerschweinchen[Bearbeiten]

Die größten Veränderungen im Verhalten im Laufe der Domestikation kann bei Hausmeerschweinchen im Sozialverhalten der Männchen beobachtet werden. Tschudi-Meerschweinchen leben in Haremsgruppen, bestehend aus einem Männchen und mehreren Weibchen. Die Männchen untereinander sind unter den eingeschränkten Platzverhältnissen in Gefangenschaft absolut unverträglich, es ist nicht möglich, mehrere Männchen zusammenzuhalten, da das stärkere Männchen die schwächeren Männchen töten würde. Nur bei dementsprechend großem Platzangebot in freier Wildbahn bilden sich großräumige Beziehungsgeflechte auch zwischen den Männchen aus, ohne dass sie sich gegenseitig gleich umbringen, sobald sie einander sehen.

Hausmeerschweinchen dagegen werden traditionell in gemischten Gruppen mit mehreren Männchen und mehreren Weibchen unter vergleichsweise engen Platzverhältnissen gehalten, die Gruppengröße liegt meist zwischen 2 und 5 Tieren. Im Laufe zahlloser Generationen sind Männchen entstanden, die auch auf wenig Platz untereinander verträglich sind. Reine Männchengruppen sind bei Hausmeerschweinchen durchaus möglich. Nach Untersuchungen von Norbert Sachser (1994) lernen junge Böcke das adäquate Verhalten gegenüber ihren Geschlechtsgenossen von anderen männlichen Gruppenmitgliedern. Das lässt den Schluss zu, dass Böcke, die ausschließlich in Gesellschaft von Weibchen oder isoliert aufwachsen, später Probleme mit der Verträglichkeit untereinander haben.

Allgemein ist nicht nur die Aggressionsbereitschaft gesunken, sondern das Imponier- und Drohverhalten ist ausdrucksvoller und wird häufiger gezeigt. In gemischtgeschlechtlichen Großgruppen kann sogar ein Zusammenschluss von mehreren Männchen beobachtet werden, die wiederum stärkere Männchen in Schach halten. In der Regel gelingt den heutigen Hausmeerschweinchen ein relativ stressfreies Zusammenleben.

Das Fluchtverhalten hat sich trotz der langen Domestikationszeit voll erhalten, jedoch flüchten Hausmeerschweinchen unkoordinierter als die Wildform. Während Tschudi-Meerschweinchen auf der Flucht über Hindernisse bis 60 Zentimeter Höhe springen, nutzen Hausmeerschweinchen bevorzugt Versteckmöglichkeiten. Sind keine Versteckmöglichkeiten vorhanden, bildet eine in Panik geratene Meerschweinchengruppe ein Knäuel, wobei jedes Tier bestrebt ist, einen Platz unter seinen Gruppengenossen zu ergattern.

Normalerweise wäre zu erwarten, dass im Laufe der Domestikation auch das Fluchtverhalten abnimmt, was aber eher nicht der Fall ist. Die mangelnde Bereitschaft zu springen ist dagegen ein Domestikationsmerkmal, welches bei vielen Haustierarten, wie etwa der Farbmaus, zu beobachten ist. Tiere, die gut springen und flüchten können, entweichen schneller schon als junge Tiere und stehen deshalb der Zucht nicht mehr zur Verfügung. Dies gilt umso mehr, da Hausmeerschweinchen traditionell nur durch ein niedriges Brett oder ein niedriges Mäuerchen am Ausbrechen gehindert werden.

Tschudi-Meerschweinchen-Böcke verteidigen manchmal ihre Gruppe gegen Prädatoren, um den Weibchen und Jungen die Flucht zu ermöglichen. Ist die Gruppe weit genug geflohen, drehen die Böcke um und fliehen ihrerseits. Dieses Verhalten hat sich bis heute bei den Hausmeerschweinchen erhalten. Es kann jedoch nur unter naturnaher Außenhaltung beobachtet werden.

Systematik[Bearbeiten]