Impfstoff

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Ein Impfstoff, auch das Vakzin oder die Vakzine (lat. vaccinus „von Kühen stammend“), ist ein Arzneimittel, das zur Impfung verwendet wird und vor Erkrankung schützen soll.

Die meisten verwendeten Impfstoffe sind Aktivimpfstoffe, die einen Wirkstoff enthalten, der eine adaptive Immunantwort im Immunsystem des Geimpften auslöst und über die Erzeugung von Gedächtniszellen langfristig wirkt. Hingegen schützen Passivimpfstoffe, die aus gereinigten Antikörpern geimpfter oder genesener Tiere (seltener: Menschen) bestehen bzw. rekombinant hergestellt werden, nur wenige Wochen vor einer Erkrankung.

Impfstoffe können sowohl gegen Infektionserreger (Pathogene) als auch gegen Krebs (Krebsimpfstoffe) oder zur Hyposensibilisierung mancher Allergene verwendet werden. Impfstoffe enthalten entweder ein Antigen oder eine DNA oder RNA, die für dieses Antigen codiert. Das Antigen (engl. von antibody-generating ‚antikörpererzeugend‘) ist der Bestandteil des Impfstoffs, der die adaptive Immunantwort hervorruft. Bei genauerer Betrachtung liegen auf dem Antigen ein oder mehrere Epitope, gegen die nach der Impfung eine adaptive Immunantwort erzeugt wird. Ein Impfstoff kann sowohl aus einem Antigen eines einzigen Erregers als auch aus einer Mischung mehrerer Antigene von verschiedenen Erregern oder Erregerstämmen bestehen. Eventuell enthält das Vakzin auch Zusatzstoffe, um seine Wirkung zu verstärken. In Folge der Impfung entstehen im Geimpften B-Gedächtniszellen und bei manchen Impfstofftypen auch T-Gedächtniszellen, die über Jahre erhalten bleiben und bei erneutem Kontakt zügig zur Zellteilung angeregt werden.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Pocken (lat. variola) waren die erste Krankheit, bei der versucht wurde, Individuen durch absichtliche Infektion mit Erregern zu immunisieren (Variolation). Es wird angenommen, dass diese Versuche entweder in Indien oder China bereits um 1000 v. Chr. begannen. Die erste gesicherte Dokumentation über Pockenimpfungen stammt aus dem Jahr 1549 vom chinesischen Arzt Wan Quan (1499–1582) in seinem Werk Douzhen xinfa. Bei dieser Impfung wurde gemahlener Pockenschorf in die Nase der Impflinge geblasen. Die daraus resultierende Immunität senkte die Letalität einer Pockenvirusinfektion von 20 bis 30% auf unter zwei Prozent.

Lady Mary Wortley Montagu berichtete 1718, dass die Türken im Osmanischen Reich sich in ähnlicher Weise den Körperflüssigkeiten von leicht Infizierten aussetzten, und wendete diese Methode bei ihren eigenen Kindern an. Spätestens in den Jahren ab 1770 beobachteten sechs Personen, darunter Sevel, Jensen, Jesty (1774), Rendall und Plett (1791) dass Melkerinnen gegen Menschenpocken immun geworden waren, nachdem sie die vergleichsweise harmlosen Kuhpocken überstanden hatten. Sie impften daraufhin im Familien- und Bekanntenkreis erfolgreich mit der Kuhpockenlymphe. Der englische Landarzt Edward Jenner erfuhr von Ärzten, mit denen er in Kontakt stand, dass Personen anscheinend nicht auf eine Pocken-Variolation ansprachen, wenn sie vorher an Kuhpocken erkrankt waren. Jenner stellte daher die Hypothese auf, dass eine absichtliche Infektion (Inokulation) mit Kuhpockenviren dieselbe Immunität ermögliche wie eine überstandene Erkrankung an Kuhpocken und daher Schutz vor humanen Pocken böte. Jenner entnahm 1796 infektiöse Flüssigkeiten von der Hand der mit Kuhpocken infizierten Magd Sarah Nelmes und führte diese durch Injektion oder Kratzen in den Arm des acht Jahre alten, gesunden James Phipps ein. James entwickelte Symptome einer Kuhpocken-Infektion, von der er vollständig genas. 48 Tage später führte Jenner eine zu dieser Zeit etablierte Pocken-Variolation durch. Der Junge entwickelte keine Pockensymptome. Da Kuhpocken verwendet wurden, entstand die Bezeichnung Vakzination (von lat. vacca ‚Kuh‘). Ab dem 20. Jahrhundert wurden anstatt Kupockenviren die nahe verwandten Vacciniaviren verwendet, die weniger Nebenwirkungen erzeugten. Die weltweiten Impfungen mit Pockenimpfstoffen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten bis 1980 zur Eradikation der Pocken in der freien Wildbahn, denn humane Pockenviren haben kein Reservoir in anderen Tierarten.

Neben der Verwendung von Pathogenen anderer Arten kamen in Folge weitere Methoden hinzu. Louis Pasteur untersuchte in den 1870er Jahren Impfstoffe gegen Hühnercholera und Milzbrand. Im Jahr 1879 entdeckte er zufällig, dass die später als Attenuierung bezeichnete Gewöhnung von Erregern an neue Umgebungsbedingungen (an andere Wirte oder Zellkulturbedingungen) eine mildere Impfreaktion bzw. Infektion und dennoch eine Immunität hervorrief. Er hatte eine Zellkultur von Hühnercholerabakterien über Nacht der Luft ausgesetzt und diese Kultur erfolgreich verimpft. Allerdings ging er irrtümlich davon aus, dass der Erreger durch den Luftkontakt dauerhaft geschwächt wurde. Heute ist bekannt, dass Erreger unter neuen Umgebungsbedingungen nicht mehr benötigte Virulenzfaktoren verlieren können, wenn kein Selektionsdruck mehr darauf ausgeübt wird. Dadurch entstehen schlechter an den ursprünglichen Wirt angepasste Erreger, die sich in diesem Wirt schlechter vermehren, weniger Erkrankung erzeugen und trotzdem eine Immunität hervorrufen. Allerdings kann diese Gewöhnung bei nur kleinen Änderungen auch zurück erfolgen, was als Reversion bezeichnet wird und in sehr seltenen Fällen zur Erkrankung nach Impfung führen kann, wie es später beim attenuierten Polioimpfstoff von Albert Sabin beobachtet wurde.

Virale Impfstoffe der nächsten Generation bestanden aus Gründen der Arzneimittelsicherheit vermehrt aus inaktivierten (z.B. der Polioimpfstoff von Salk), gespaltenen (z.B. der Influenzaimpfstoff) oder attenuierten Virionen, wie der 17D-Gelbfieberimpfstoff von Max Theiler, der Impfstoff gegen das Poliovirus von Albert Sabin oder das Modified Vaccinia Ankara von Anton Mayr. Max Theiler erhielt 1951 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine „Entdeckungen über Gelbfieber und seine Bekämpfung“.

Aus den Spaltimpfstoffen gingen die gereinigten Antigene (auch Untereinheiten-Impfstoffe, engl. subunit vaccines) wie das HBsAg des Hepatitis-B-Virus im Jahr 1981, Konjugatimpfstoffe wie gegen Haemophilus influenzae im Jahr 1983 und auch die synthetisch erzeugten Peptidimpfstoffe hervor, die durch eine Proteinreinigung bzw. im letzten Fall durch eine Peptidsynthese weniger Nebenwirkungen durch Kontaminationen erzeugten, weniger bzw. im letzten Fall kein Risiko einer Erkrankung besaßen und bei denen sich die Dosis leichter einstellen ließ, die jedoch auch oftmals weniger wirksam in Hinblick auf den Impfschutz waren. Diese Impfstoffe wirkten (mit Ausnahme der attenuierten Pathogene) vor allem außerhalb der Zelle auf die humorale Immunantwort, da nur eine geringe Aufnahme in Zellen und nur eine geringe anschließende Präsentation der Epitope an MHCI für eine zelluläre Immunantwort erfolgte. Bei intrazellulären Erregern ist eine ausschließliche humorale Immunantwort ineffektiv. Daher wurden in den folgenden Jahren verstärkt genetische Impfstoffe entwickelt, deren Antigene im Zytosol erzeugt und anschließend in Peptide zerlegt an MHCI präsentiert werden, wodurch auch eine zelluläre Immunantwort entsteht.

Die erste Verwendung eines viralen Vektors zur Impfung – ein MVA-Virus, das für HBsAg codierte – wurde 1983 von der Arbeitsgruppe von Bernard Moss publiziert. Im Jahr 1993 wurde DNA von Jeffrey Ulmer und Kollegen verimpft. Der erste Einsatz von RNA zu Impfzwecken wurde 1993 von Frédéric Martinon, Pierre Meulien und Kollegen und 1994 von X. Zhou, Peter Liljeström und Kollegen bei Mäusen beschrieben. Martinon konnte zeigen, dass durch die Impfung mit einem RNA-Impfstoff eine zelluläre Immunantwort induziert wurde. Im Jahr 1995 beschrieben Robert Conry und Kollegen, dass nach Impfung mit einem RNA-Impfstoff auch eine humorale Immunantwort hervorgerufen wurde. Während DNA-Impfstoffe in den ersten Jahren aufgrund der einfachen Herstellung, geringen Kosten und hohen Stabilität gegenüber abbauenden Enzymen häufiger erforscht wurden, aber trotz enthaltener immunstimulierender CpG-Motive (binden an den Rezeptor TLR-9) teilweise geringe Impfantworten hervorbrachten, erfolgte später vermehrt Forschung an RNA-Impfstoffen, deren Immunogenität aufgrund enthaltener anderer immunstimulierender Motive (RNA bindet unter anderem an manche Toll-like-Rezeptoren) oftmals besser war und bei denen im Gegensatz zu DNA-Impfstoffen keine Insertion in das Genom des Geimpften möglich war. Dementsprechend waren die ersten für den Menschen zugelassenen Impfstoffe aus RNA oder DNA im Jahr 2020 der RNA-Impfstoff Tozinameran und im folgenden Jahr der DNA-Impfstoff ZyCov-D, die als COVID-19-Impfstoffe verwendet wurden. Virale Vektoren waren zuvor ab 2015 als Ebola-Impfstoffe zugelassen worden.

Wirkungsweise[Bearbeiten]

Die Immunreaktion gegen verimpfte Antigene und gegen die darauf liegenden Epitope des Antigens kann nach der Wirkungsweise und dem Wirkort innerhalb des Körpers in zwei Gruppen eingeteilt werden: MHC-I-präsentierte und MHC-II-präsentierte Epitope. Alle zugelassenen Impfstoffe weisen MHCII-präsentierte Epitope auf. Die Antigene werden von Zellen per Endozytose aus der Lymphe aufgenommen, teilweise in Peptide zerlegt und an MHCII, einem Protein zur Bindung dieser Bruchstücke, per Exozytose an die Zelloberfläche sezerniert und den CD4-tragenden T-Helferzellen des Immunsystems präsentiert, wodurch diese aktiviert werden, sich teilen und weitere Zellen des Immunsystems aktivieren. In Folge werden von B-Zellen Antikörper gebildet (humorale Immunantwort). Ein Teil der B-Zellen verbleibt als Gedächtniszellen im Geimpften.

Bei attenuierten und genetischen Impfstoffen entsteht dagegen das Antigen im Zytosol der Zelle, wodurch zusätzlich zur humoralen eine zelluläre Immunantwort entsteht. Im Zytosol wird das Antigen am Proteasom zerlegt. Die Bruchstücke (ebenfalls Peptide) werden vom Zytosol über den Antigenpeptid-Transporter in das endoplasmatische Retikulum importiert, wo sie an MHCI binden und anschließend an die Zelloberfläche sezerniert werden, um CD8-tragenden zytotoxischen T-Zellen präsentiert zu werden. Auch hier entstehen Gedächtniszellen. Membranproteine werden bei attenuierten und genetischen Impfstoffen (zusätzlich zur MHC-Präsentation der Peptide) in voller Länge an der Zelloberfläche präsentiert.