Osmanisches Reich

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Das Osmanische Reich war das Reich der Dynastie der Osmanen von ca. 1299 bis 1922. Die im deutschsprachigen Raum veraltete, in der englisch- und französischsprachigen Literatur noch anzutreffende Bezeichnung Ottomanisches Reich leitet sich von Varianten der arabischen Namensform Uthman des Dynastiebegründers Osman I. her.

Das Reich entstand Anfang des 14. Jahrhunderts als regionaler Herrschaftsbereich (Beylik) im nordwestlichen Kleinasien im Grenzgebiet des Byzantinischen Reiches unter einem Anführer mutmaßlich nomadischer Herkunft. Er löste sich aus der Abhängigkeit vom Sultanat der Rum-Seldschuken, welches nach 1243 unter die Vorherrschaft des mongolischen Ilchanats geraten war und seine Macht eingebüßt hatte. Ab 1326 war Bursa Hauptstadt, ab 1368 Adrianopel, seit 1453 Konstantinopel.

Im 17. Jahrhundert, zur Zeit seiner größten Ausdehnung, erstreckte es sich von seinen Kerlanden Kleinasien und Rumelien nordwärts bis in das Gebiet um das Schwarze und das Asowsche Meer, westwärts bis weit nach Südosteuropa hinein. Das Osmanische Reich beanspruchte jahrhundertelang die politisch, militärisch und wirtschaftlich eine europäische Großmachtrolle neben dem Heilligen Römischen Reich, Frankreich und England. Im Mittelmeer kämpfte das Reich mit den italienischen Republiken Venedig und Genua, dem Kirchenstaat und dem Malteserorden um die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung. Ab dem späten 17. bis ins späte 19. Jahrhundert hinein rang es mit dem Russischen Kaiserreich um die Herrschaft über die Schwarzmeerregion. Im Indischen Ozean forderte das Reich Portugal im Kampf um den Vorrang im Fernhandel mit Indien und Indonesien heraus. Durch die ununterbrochen intensiven politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen ist die Geschichte des Osmanischen Reichs mit derjenigen Westeuropas eng verbunden.

In Vorderasien beherrschten die Osmanen mit Syrien, dem Gebiet des heutigen Irak und dem Hedschas (mit den heiligen Städten Mekka und Medina) die historischen Kernlande des Islam. In Nordafrika unterstand das Gebiet von Nubien über Oberägypten westwärts bis zum mittleren Atlasgebirge der osmanischen Herrschaft. In der islamischen Welt stellte das Osmanische Reich nach dem Umayyaden- und Abbasidenreich die dritte und letzte sunnitische Großmacht dar. Nachdem sich in Persien die Dynastie der Safawiden die Schia als Staatsreligion durchgesetzt hatte, setzten beide Reiche den alten innerislamischen Konflikt zwischen beiden islamischen Bekenntnissen in 3 großen Kriegen fort.

Im Laufe des 18. und vor allem im 19. und 20. Jahrhundert erlitt das Reich in Auseinandersetzungen mit den europäischen Mächten sowie durch nationale Unabhängigkeitsbestrebungen in seinen rumelischen Kernlanden erhebliche Gebietsverluste. Das Territorium verkleinerte sich auf das europäische Thrakien und auf Kleinasien. Innerhalb weniger Jahre, von 1917 bis 1922, führte der Erste Weltkrieg zum Ende der 4 großen Monarchien der Hohenzollern, Habsburger, Romanows und Osmanen, die die Geschichte Europas über Jahrhunderte geprägt hatten.

Im Türkischen Befreiungskrieg setzte sich eine Nationalregierung unter Mustafa Kemal Pascha durch. 1923 wurde als Nachfolgestaat die Republik Türkei gegründet.

Politische Geschichte[Bearbeiten]

Anatolien vor 1300[Bearbeiten]

Kleinasien (Anatolien) stand bis ins 11. Jahrhundert unter der Vorherrschaft des Byzantinischen Reichs. Nach der Schlacht bei Manzikert 1071 hatten die turkstämmigen Rum-Seldschuken ein eigenes Sultanat in Zentralanatolien gegründet. Ihre Hauptstadt war Konya. In der Schlacht vom Köse Dağ unterlagen die Seldschuken 1243 den Mongolen und mussten die Vorherrschaft der Ilchane anerkennen. Ende des 13. Jahrhunderts revoltierte der Gouverneur der Ilchane in Anatolien, Sülemiş, gegen Ghazan Ilchan. Die Schwäche des Byzantinischen Reiches im Westen und des Ilchanidenreichs im Osten bot den turkstämmigen Beys die Gelegenheit, im Gebiet zwischen beiden Reichen eigenständige kleinere Herrschaften zu errichten. Es entstanden die Beylikler von Mentesche, Aydın, Germiyan, Saruhan, Karesi, Teke, Candar, Karaman, Hamid und Eretna.

Im Nordwesten Anatoliens, der antiken Region Bithynien, bestand zu Anfang des 14. Jahrhunderts das nach seinem Gründer Osman I. benannte osmanische Beylik. Osman I. herrschte über einen nomadischen Stamm oder eine Gruppe von räuberischen Kämpfern (Ghāzīs), der bei Söğüt seinen Sitz hatte und etwa das Gebiet zwischen Eskişehir und Bilecik beanspruchte. Der Überlieferung nach entstammte er dem oghusischen Clan der Kayı aus dem Stamm der Bozok. Der marokkanische Weltreisende Ibn Battūta bezeichnet Osman I. als „Turkmenen“. Turkmene war zur damaligen Zeit ein Synonym für Oghuse. Osmans Land nennt Ibn Battuta barr al-Turkiyya al-Maʻ ruf bi-Bilad al-Rūm („Das türkische Land, bekannt als das Land von Rum“).

Viele Bücher und Texte über die Anfangszeit sind bei der Zerstörung von Bursa durch Timur 1402 verloren gegangen. Eine der ältesten erhaltenen türkischen Chroniken, das Düstür-nāme des Ahwad al-Dīn Enveri (gest. 1189/90), behandelt die Geschichte der westlichen und zentralanatolischen Beylikler, legt den Schwerpunkt aber auf das Beylik von Aydın. Das Karaman-nāme des Şikârî (gest. 1512) behandelt die Geschichte der Karamanoğulları, der Beys von Karaman. Osmanische Chroniken wie das menāḳib oder tevārīḫ-i Āl-i ʿOsmān des Aschikpaschazade sind erst aus dem 15. Jahrhunderts überliefert. Die osmanischen Quellen überliefern eine geglättete, teils legendenhafte Erzählung des eigenen Aufstiegs, die mit den gleichzeitig entstandenen byzantinischen Chroniken nicht in Einklang steht. Sie eignen sich deshalb nur mit Einschränkungen zur Erforschung der frühen Geschichte des Reiches.

In den ersten Jahren seines Bestehens war das osmanische Beylik offenbar nur eines unter mehreren vergleichbar mächtigen Herrschaftsgebieten. Bis zum 15. Jahrhundert waren die Osmanischen Herrscher bei ihren Unternehmungen im anatolischen Reichsteil zur Rücksichtnahme auf die Ilchane und ihre politischen Nachfolger, die Timuriden, gehalten. Ein erster Versuch, sich von dieser Vormacht zu emanzipieren, scheiterte 1402 in der Schlacht bei Ankara. Wie es Osman und seinen Nachfolgern gelang, aus einem kleinen Herrschaftsbereich ein Weltreich zu formen, bleibt Gegenstand der Forschung.