Kriegsvölkerrecht

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Als Kriegsvölkerrecht (engl. Law of Armed Conflict, kurz LOAC) werden zusammenfassend zwei verschiedene Aspekte des internationalen öffentlichen Rechts bezeichnet. Zum einen zählt zu diesem Bereich des Völkerrechts das Recht zum Krieg (ius ad bellum), also Fragen der Legalität militärischer Gewalt. Zum anderen gehört zum Kriegsvölkerrecht auch das Recht im Krieg (ius in bello), also Regeln zum Umgang mit Kombattanten, Nichtkombattanten, Kulturgut und andere Vorschriften, welche die mit einem Krieg verbundenen Leiden und Schäden vermindern oder auf ein unvermeidbares Maß beschränken sollen. Dieser Teil wird zusammenfassend auch als humanitäres Völkerrecht bezeichnet.

Das Recht zum Krieg (ius ad bellum)[Bearbeiten]

Kriege sind heute grundsätzlich völkerrechtswidrig. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Gewaltverbot in Artikel 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten Nationen. Diese Vorschrift lautet: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ Damit wurde der berühmte Ausspruch Carl von Clausewitz’ aus dem Jahr 1832 aufgegeben, der Krieg sei eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Noch bis zum Briand-Kellogg-Pakt von 1928 war der rechtliche Zustand umstritten: Zwar existierte – anders als in der Völkerrechtsgeschichte lange fälschlicherweise angenommen – kein Recht des Souveräns zur freien Kriegführung im Sinne des liberum ius ad bellum. Krieg war allerdings auch noch nicht allgemein verboten. Mit dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde 1945/46 erstmals die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges als Führungsverbrechen vor einem internationalen Militärgerichtshof in einem rechtsstaatlichen Verfahren abgeurteilt und ein Präzedenzfall geschaffen. Allerdings existierten diese Gesetze zur Zeit der Tat noch nicht.

Trotz der grundsätzlichen Ächtung des Krieges gibt es mehrere Ausnahmen vom heute geltenden Gewaltverbot:

  • Eine Intervention ist regelmäßig völkerrechtlich zulässig, wenn der Staat, auf dessen Territorium die Intervention stattfinden soll, dieser zustimmt. Nach verbreiteter Ansicht ist im Falle eines solchen Einverständnisses Gewaltanwendung durch den intervenierenden Staat nicht illegal. Die meisten nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz beschlossenen Auslandseinsätze der Bundeswehr beruhen (auch) auf einem Einverständnis des betreffenden Staates. (Im Kosovokrieg 1999 lag allerdings kein Einverständnis der Bundesrepublik Jugoslawien vor.)
  • Artikel 51 der UN-Charta erlaubt im Falle eines bewaffneten Angriffs die Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die „erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Die Reichweite des Selbstverteidigungsrechts ist insbesondere im Fall der sog. präventiven Selbstverteidigung umstritten.
  • Die UN-Charta legitimiert militärische Handlungen, wenn ein Mandat des UN-Sicherheitsrats vorliegt (Kapitel VII UN-Charta; „friedensschaffende“ oder „friedensbewahrende“ Maßnahmen). Alle gegenwärtigen, nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz beschlossenen Auslandseinsätze der Bundeswehr beruhen (auch) auf einem Mandat des UN-Sicherheitsrats (Sonderfall Kosovo, bei dem es kein UN-Mandat gab).
  • Es ist umstritten, ob eine Intervention zur Rettung eigener Staatsangehöriger vom Gewaltverbot ausgenommen ist, insbesondere weil eine solche Ausnahme gegen das Gewaltverbot verstößt. Die Operation Libelle in Albanien im Jahr 1997, bei der die Bundeswehr zur Rettung deutscher Staatsangehöriger in Albanien intervenierte, wird teilweise als völkerrechtskonform angesehen, insbesondere auch weil die Intervention einer Einladung der albanischen Regierung folgte. Darüber hinaus handelte es sich um einen Eingriff in das Staatsgebiet eines failed state, ein Staat, in dem die Regierungsgewalt bereits weggefallen ist, so dass internationale Kritik an der Aktion kaum zu erwarten war. Umstritten sind allerdings Operationen, die ohne Einladung erfolgt sind, wie beispielsweise die von Israel in Uganda durchgeführte Operation Entebbe im Juli 1976.
  • Eine weitere Ausnahme vom Gewaltverbot – die allerdings so gut wie keine praktische Anwendung erlangt hat – ist über Art. 52 UN-Charta zulässig (regionale Abmachungen). Die fehlende praktische Bedeutung geht insbesondere darauf zurück, dass hierdurch allenfalls eine Intervention innerhalb des Geltungsgebiets der regionalen Abmachung legitimiert werden kann, nicht aber außerhalb dieses Gebiets.
  • Umstritten ist in der völkerrechtlichen Literatur, ob über den Wortlaut der UN-Charta hinaus eine weitere Ausnahme vom Gewaltverbot im Falle der sog. humanitären Intervention gemacht werden kann, d. h. ob eine Intervention ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats und ohne Einverständnis des betreffenden Staates zur Abwendung bestimmter humanitärer Missstände (Beispiel: Kosovo-Konflikt im Jahr 1999) unter Rückgriff auf Naturrecht mit einer universellen Moral begründet werden kann.
  • Eine Ausnahme vom Gewaltverbot kann in bestimmten Fällen auch dann gegeben sein, wenn der betroffene Staat anderen in einem völkerrechtlichen Vertrag ein Recht zur Intervention eingeräumt hatte – beispielsweise für den Fall schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen (sog. Interventionsklausel). In diesem Fall liegt nicht zwangsläufig ein gegenwärtiges Einverständnis des betreffenden Staates vor (siehe hierzu Punkt 1), jedenfalls aber ein antizipiertes Einverständnis.
  • Theoretisch immer noch gültig sind die Feindstaatenklauseln der UN in den Artikeln 53 und 107 sowie als Halbsatz in Artikel 77 der Charta der Vereinten Nationen, wonach gegen Feindstaaten des Zweiten Weltkrieges von den Unterzeichnerstaaten Zwangsmaßnahmen ohne besondere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat verhängt werden könnten, falls die "Feindstaaten erneut eine aggressive Politik verfolgen sollten. Vorwiegend beziehen sich diese Klauseln auf Deutschland, Japan und Italien. Allerdings werden sie in der Völkerrechtslehre als obsolet angesehen, spätestens seit dem Beitritt dieser Staaten zu den Vereinten Nationen. De jure sind sie aber immer noch in Kraft, vor allem weil das Verfahren zur Änderung der UN-Charta sehr aufwändig ist und Begehrlichkeiten zu Änderungen auch an anderen Stellen wecken könnte, was die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten vermeiden möchten.

Quellen[Bearbeiten]