Naturrecht

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Naturrecht (lat. naturae, aus iusRecht‘ und naturaNatur‘; auch lateinisch ius naturale, natürliches Recht; seltener überpositives Recht) ist in der Rechtsphilosophie die Bezeichnung für ein universell gültiges Ordnungsprinzip, dessen Grundannahme die Idee bezeichnet, dass aus der Natur des Menschen die Normen des menschlichen Zusammenlebens zu begründen sind. Naturrecht ist nicht naturethisch als „Recht der Natur“ zu verstehen, denn im Mittelpunkt steht der Werte bildende Mensch mit seinen Naturanlagen.

Die Frage der Umsetzung apriorischer Ideen zu rechtschaffenem Tun, Wahrheit, Gutem und Schönem, die im Zeitalter der Aufklärung zur Formulierung naturrechtlicher Vertragstheorien führte, wurde bereits in der Philosophie der griechischen Antike aufgeworfen. Platon und Aristoteles argumentierten zudem, dass es des Mediums der Vernunft bedürfe, diese Werte für den Menschen urbar zu machen, insbesondere auch gegenüber Trieben und Begierden zu schützen und Balance zu schaffen. Die Sophisten stellten diesen essentialistischen Ansätzen benannte Rechtsprinzipien entgegen. Das neuzeitliche und moderne Naturrecht wurde maßgeblich von den Aufklärungsphilosophen Hobbes, Locke sowie auch Rousseau beeinflusst. Für die heutige Rezeption erlangte das Naturrecht Bedeutung im vom Menschen gesetzten Recht, dem positiven Recht. Für dieses steht eine Mehrzahl von bedeutenden Kodifikationen des 18. Jahrhunderts, etwa das preußische Landrecht. Als höchstrangige Rechtsquelle dient es zur Legitimierung rechtlicher Anschauungen.

In einem engeren Sinne verwenden die Moralphilosophie und die Theologie das Naturrecht als Maßstab für diejenigen Prinzipien, aus denen die Sollsätze und die Bestimmung der Gerechtigkeit für ein naturgegebenes Miteinander abgeleitet werden. Der Rechtspositivismus vertritt dagegen die Auffassung, dass verfassungsmäßig zustande gekommenes Recht keine höhere Begründung braucht.

Das Naturrecht wurzelt begrifflich in der griechischen Philosophie. Während Naturrecht über die römische Republik hinaus bis in die klassische Zeit der Kaiser in Rom kaum Bedeutung hatte, gewann es in der nachklassischen Zeit Gewicht und setzte sich neben das ius gentium oder nahm seine Stelle ein. Die katholische Kirche hält bis ins 21. Jahrhundert am Begriff Naturrecht fest.

Die säkularen rechtsphilosophischen Ausprägungen des Naturrechts, die nicht aus religiösen Grundwerten hergeleitet sind, sondern von der Erkennbarkeit durch menschliche Vernunft, werden als Vernunftrecht bezeichnet.

Begriff[Bearbeiten]

Dem Begriff des Naturrechts liegt begrifflich aus der Antike herrührend die Überzeugung zugrunde, dass "die Normen des menschlichen Zusammenlebens durch die Natur des Menschen begründet werden können und müssen." Dieses umfasst sowohl unstrittige Rechtsgrundlagen (Prämissen) in der Tradition antiker Philosophen wie Heraklit, der Sophisten, Aristoteles und Platon, die aus einer Idee einer objektiven oder absoluten Wahrheit herstammen, als auch die Vorstellung, jeder Mensch sei „von Natur aus“ (also nicht durch Konvention) mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet – unabhängig von Geschlecht, Alter, Ort, Staatszugehörigkeit oder der Zeit und der Staatsform, in der er lebt. Natur wird dabei als Merkmal des „Wesens“ des Menschen verstanden, nicht etwa als „Rechte der Natur“ im naturethischen Sinne. Insoweit ist die Naturrechtsidee eng mit der Idee der Menschenrechte verbunden. Die Naturrechte werden demnach als vor- und überstaatliche „ewige“ Rechte angesehen. Die Idee des antiken Naturrechts entsteht bei Heraklit, Platon und Aristoteles gleichwohl über eine einheitliche Betrachtungsweise, die Koinzidenz menschlicher Natur (Physis) und menschengemachter Gesetze (Nomos). Verankert sind Physis und Nomos im Logos, mithin der göttlichen Einheit der Weltgesetze. Hieraus leiten sich die Gesetze der Natur und der Vernunft ab, welche die Gesetze für gemeinschaftliches Zusammenleben aufstellt.

Daneben gibt es eine Auffassung von Naturrecht als „Recht des Stärkeren“. Unter der Voraussetzung der Gemeinnützigkeit bedeutete dies, dass gleiche Rechte den Sieg der besseren Leistung über angestammte Berechtigungen ermöglichen sollten. Im Sozialdarwinismus und Faschismus hat sich daraus allerdings ein paradoxes „angestammtes Recht der besseren Leistung“ ergeben – ähnlich wie zuvor beim Gottesgnadentum die „von Gottes Gnaden erwirkte“ Legitimation der nicht anzutastenden Monarchenposition aufgefasst worden war.

Die Berufung auf überpositives Recht geht davon aus, dass bestimmte Rechtssätze unabhängig von der konkreten Ausgestaltung durch die Rechtsordnung „schlechthin“ Geltung beanspruchen und somit durch einen positiven Akt der Rechtsetzung weder geschaffen werden müssen noch außer Kraft gesetzt werden können.

Fragestellungen des Naturrechts haben sich von alters her auf Aspekte konzentriert, mit denen sich sowohl Rechtsphilosophie als auch Philosophie und Theologie befassen. Das Naturrecht als wesentliches Teilgebiet der Rechtsphilosophie bildet eine der Grundlagen der Rechtswissenschaft, die im Sinne eines Vernunftnaturrechts beispielsweise versucht „Gebote der Moral“ zu formulieren oder kritische Standards des geltenden Rechts zu schaffen, indem Widersprüche zum menschlich gesetzten Recht charakterisiert werden.

Ferner ist das Naturrecht als Maßstab und Korrektiv des positiven Rechts zu verstehen. Diese Auffassung vertritt auch die römisch-katholische Kirche.

In der neuzeitlichen Tradition, die sich entschieden als „nachchristlich“ präsentiert, wird bei der Begriffsbestimmung allein auf die menschliche Vernunft abgestellt.

Ursprung und geschichtliche Entwicklung[Bearbeiten]

Die Idee der Naturrechte (in beiden Ausprägungen) reicht bis in die griechische Antike zurück und gewann mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert in Frankreich und England als Disziplin politische Bedeutung. In Deutschland war das Naturrecht ebenfalls wissenschaftliche Disziplin, aber auf das Privatrecht ausgerichtet. Angelegt war der Wissenschaftsbetrieb dabei übernational, denn die Grundschriften wurden als Gemeingut wahrgenommen, die Deutschen studierten Hume und Locke, die Franzosen Wolff. Die Idee befand sich nur teilweise in Opposition zum christlich-mittelalterlichen Verständnis der Gnade, demgemäß Eigenschaften wie Leben oder Freiheit durch gnädige Autoritäten wie Gott oder den Fürsten persönlich und willkürlich verliehen seien, ohne dass ein Recht darauf bestehe. Dennoch war die Naturrechtslehre im Mittelalter bei Philosophen wie Thomas von Aquin stark ausgeprägt, da die durch die Autoritäten verliehenen Eigenschaften nicht zur Disposition eines Nichtberechtigten gestellt wurden und insoweit unmittelbares Recht wirksam wurde.