Rechtsgeltung

Aus Twilight-Line Medien

Rechtsgeltung ist ein Begriff aus der Rechtsphilosophie, der die Frage nach der Gültigkeit von Gesetzen aufwirft. Praktische Bedeutung erlangte das Problem der Rechtsgeltung bei den „Schandgesetzen“ der NS-Diktatur und bei den sogenannten Mauerschützenprozessen.

Wirksamkeit und Legitimität des Rechts[Bearbeiten]

Komponenten der Rechtsgeltung sind die Rechtswirksamkeit, d. h. die Anwendungs- und Durchsetzungschance von generellen Geboten und konkreten Pflichten, Gebote ohne Durchsetzungschance sind nicht (mehr) „in Kraft“. Gebote ohne Legitimation (etwa in der Lagerordnung eines Konzentrationslagers) begründen nur ein bedingtes Müssen. Macht allein kann also zwar Gehorsam erzwingen, sie vermag aber keine Pflicht, d.h. keinen Geltungsanspruch zu begründen:

"|Ebensowenig wie […] ein wertloses Papier dadurch Geltung erlangt, dass jemand es mit der Pistole in der Hand einem anderen als Zahlungsmittel aufnötigt, gewinnt ein Imperativ demjenigen gegenüber Geltung, der sich ihm zähneknirschend zu unterwerfen gezwungen ist […].

Auf keine der genannten zwei Komponenten der Rechtsgeltung kann man sich auf Dauer verlassen, weil das Recht in das tätige Leben eingebunden (law in action) ist. Die Brüchigkeit der Anwendungs- und Durchsetzungschancen rechtlicher Normen zeigt sich in allen Revolutionen. Diese vollziehen sich dadurch, dass grundlegende Normen, die das Leben einer politischen Gemeinschaft bisher bestimmt haben, faktisch ihre Motivationskraft und damit ihre Anwendungs- und Durchsetzungschancen verlieren und andere Normen diese gewinnen. Wie rasch sich nicht nur die Wirksamkeit, sondern – selbst innerhalb eines Staates – auch die Legitimität von Rechtsnormen wandeln kann, wird z.B. daran sichtbar, dass im Jahr 1957 das deutsche Bundesverfassungsgericht der Ansicht war, die (damals strafbare) Homosexualität unter Männern verstoße gegen das Sittengesetz (BVerfGE 6, 434 ff.), während im Jahr 2001 das einst strafbedrohte Verhalten durch das Lebenspartnerschaftsgesetz unter rechtlichen Schutz gestellt wurde.

Nach Kant beruht die Legitimität des Rechts auf der wechselseitigen Begrenzung der Freiheiten aller nach allgemeinen Gesetzen: "Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." Geht man ferner mit Kant davon aus, dass das gewissenhafte Urteil des Einzelnen die letztzugängliche Grundlage moralischer Einsicht und damit auch der Gerechtigkeitseinsicht ist, "so heißt das auch, daß jeder eine dem anderen gleich zu achtende moralische Instanz ist. Für den Bereich des Staates und des Rechts führt diese Vorstellung von der gleichberechtigten moralischen Kompetenz aller zu dem demokratischen Anspruch, daß alle Bürger in einem freien Wettbewerb der Überzeugungen auch über die Fragen des Rechts und der Gerechtigkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden haben" das Recht also einer demokratischen Legitimation bedarf, die in einer kultivierten Suche nach mehrheitlichem Konsens zu finden ist.

Der Gedanke, dass die Rechtfertigung des Rechts in seiner ordnungstiftenden Kraft liege, findet sich schon bei Sokrates, der sich der Vollstreckung des Todesurteils gegen ihn nicht durch Flucht entziehen wollte: "Meinst du, dass ein Staat bestehen kann und nicht vielmehr vernichtet wird, in dem Urteile, die gefällt werden, keine Kraft haben, sondern durch einzelne Menschen ungültig gemacht und vereitelt werden?" Sokrates zufolge gebiete es also die Rechtssicherheit, dass auch das ihn treffende ungerechte Urteil gelten solle, weil das Recht Ordnung schaffe und ein Chaos ausbräche, wenn jeder diese Ordnung in Frage stellen könnte. Vor allem aber für Thomas Hobbes erscheint das staatliche Recht dadurch gerechtfertigt, dass es Ordnung stiftet und dem Kampf aller gegen alle ein Ende setzt. Und nach der Ansicht Gustav Radbruchs kann „die Ordnung des Zusammenlebens […] den Rechtsanschauungen der zusammenlebenden Einzelnen nicht überlassen bleiben, da diese verschiedenen Menschen möglicherweise entgegengesetzte Weisungen erteilen, muss (sie) vielmehr durch eine überindividuelle Stelle eindeutig geregelt werden.“ Doch: „Das Recht gilt nicht, weil es sich wirksam durchzusetzen vermag, sondern es gilt, wenn es sich wirksam durchzusetzen vermag, weil es nur dann Rechtssicherheit zu gewähren vermag.“

Hier liegt die wesentliche Begründung des Rechtspositivismus: Nach ihm wird die Geltung des Rechts vor allem mit der Rechtssicherheit begründet: Jede Rechtsanwendung orientiere sich am bestehenden Recht. Dieses setze eine Gesetzgebung voraus. Als normative Ordnung sei das Recht ein System von Normen. Die einzelnen Normen gelten nach der Ansicht Kelsens, wenn sie sich in einem Stufenbau der Rechtsordnung aus einer Grundnorm ableiten lassen. Die Änderung des positiven Rechts obliege der Rechtspolitik.