Wesen (Philosophie)

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Der Begriff Wesen (von mittelhochdeutsch wësen, „Aufenthalt, Hauswesen, Art zu leben, Eigenschaft, Lage“, seit dem Spätmittelalter für lateinisch essentia, von esse „sein“ (mittelhochdeutsch „wësen“), seit Cicero als Lehnübersetzung von griechisch ousia, „Wesen“, lateinisch auch quidditas) hat mehrere Bedeutungen, die einander ähneln und einen begrifflichen Zusammenhang aufweisen. Er wird in Philosophie und Theologie verwendet, um die Eigenschaft oder eine Reihe von Eigenschaften zu bezeichnen, die etwas zu dem machen, was es ist, und ohne die es seine charakteristische Gesamtheit an Eigentümlichkeiten verliert.

Eng verbunden mit dem Begriff Wesen ist in der philosophischen Tradition auch der Begriff der Substanz. Essenz steht im Gegensatz zum philosophischen Begriff Akzidens. Das ist eine Eigenschaft, die etwas zufällig besitzt, ohne die es jedoch seine Identität behält.

Der Begriff stammt von Aristoteles, obwohl er auch bei Platon zu finden ist. Aristoteles benutzte den griechischen Ausdruck to ti ên einai, „das was es ist“). In diesem Sinn wird in der philosophischen Tradition auch der Ausdruck „Essenz“ (essentia) verwendet. Da die „Essenz“ auch das ist, nach dem mit einem „Was ist das?“ gefragt wird, wird diese in der mittelalterlichen Philosophie auch als quidditas („Washeit“; vgl. lateinisch essentitasWesenheit“) bezeichnet.

In der Geschichte der westlichen Philosophie wurde der Begriff Wesen häufig für Lehren benutzt, die verschiedene Formen der Existenz sowie verschiedene Identitäts-Bedingungen für Objekte und Eigenschaften aufstellen.

Zentrale Konzepte des Wesens-Begriffs[Bearbeiten]

Antike[Bearbeiten]

Das griechische Wort (ousia) wird durch die platonisch-aristotelische Metaphysik ein Grundbegriff der Philosophie. Bei Platon wird die Frage nach dem Wesen zunächst in den Frühdialogen am Leitfaden der Frage nach den Tugenden und ihrer Einheitlichkeit aufgeworfen. Sie wird beantwortet durch die Angabe dessen, was ein jegliches als es selbst ist: seiner Washeit. Platon verwendet zur Bezeichnung des Allgemeinen statt des Wortes ousia in der Regel vor allem eidos (deutsch nach Pape: Ansehen, Gestalt, „das in die Augen fallende“, bei Platon „das Urbild der Dinge im Geist“, lateinisch davon her: idea), also das, was etwas wirklich ist, dem Wesen nach, wesentlich. Über dieses Wesen hinaus gewährt bei Platon die Idee des Guten dem Wesen selbst den Bestand. Das Wesen ist das Unwandelbare und Unauflösliche, das sich stets in derselben Weise gemäß demselben verhält. Es ist so allem entgegengesetzt, was den Grundcharakter des Werdens aufweist, d. h. allem Einzelnen als bloß Einzelnem. Daher ist das Wesen als das wirklich Seiende in allen seinen Charakteren dem entgegengesetzt, was sinnenfällig erfassbar ist, d.h., es ist das Unsinnliche, das nur im Denken erfassbar ist.

Aristoteles liefert die bis heute gültige Grundlage aller Wesensbestimmungen. In seiner frühen Kategorien-Schrift trifft er die grundlegende Differenzierung des Wesen-Begriffs in „erste“ und „zweite Substanz“ (próte ousia und deutera ousia). Dabei gilt ihm als ousia im ursprünglichen und vollen Sinn das konkrete Einzelne (synholon) – wie z. B. ein bestimmter Mensch oder ein bestimmtes Pferd (Kat 5, 2 a 11–14). Es ist „Substanz im eigentlichsten, ursprünglichsten und vorzüglichsten Sinne (Kat 5, 2 a 11 f.), weil es allem anderen zugrunde liegt“. Die „ersten Substanzen“ können von keinem Subjekt ausgesagt werden und haften keinem Subjekt an (Kat 5, 2 b 37 – 3 a 1).

Alles andere wird dagegen von diesen „ersten Substanzen“ als dem Subjekt ausgesagt oder ist in ihnen als Subjekt (Kat 5, 2 a 34 f.) und gehört zu einer der zehn Kategorien. Dabei bildet die „zweite Substanz“ die erste dieser Kategorien. Die „zweite“ Substanz kann von der ersten ausgesagt werden. Sie bezeichnet dann als Artbegriff das „Wesen“ des Einzeldinges (z.B. „Mensch“ in „Sokrates ist ein Mensch“); auch der übergeordnete Gattungsbegriff (z.B. „Sinnenwesen“ in „Sokrates ist ein Sinnenwesen“) wird von Aristoteles in der Kategorienschrift als „zweite Substanz“ bezeichnet.

Art und Gattung haben insofern den Rang zweiter Substanzen, als sie Prädikate darstellen, welche die erste und eigentliche Substanz in ihrem Was-Sein näher bestimmen (Kat 5, 2 b 29-31). Sie werden überhaupt nur deswegen („sekundäre“) Substanzen genannt, weil sie die erste Substanz näher bestimmen. Innerhalb der zweiten Substanzbegriffe bestimmt der Artbegriff („Mensch“) die erste Substanz wesentlich präziser als der Gattungsbegriff („Sinnenwesen“) und steht dieser näher. Daher ist für Aristoteles „die Art mehr Substanz als die Gattung“ (Kat 5, 2 b 7 f.).

In seiner späteren Schrift, der Metaphysik (Bücher VII und VIII), stellt Aristoteles den Begriff der Form (eidos) in den Vordergrund. Diese erhält nun gegenüber dem Einzelding den Vorrang und wird zum eigentlichen Wesen, zur „ersten Substanz“ (próte ousia).