Marxismus

Aus Twilight-Line Medien

Der Marxismus ist eine einflussreiche politische, wissenschaftliche und ideengeschichtliche Strömung, die sowohl dem Sozialismus als auch dem Kommunismus zugerechnet wird. Als Marxisten werden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Anhänger von Karl Marx und Friedrich Engels bezeichnet. Im weiteren Sinne ist Marxismus eine Sammelbezeichnung für die von Marx und Engels entwickelte Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie sowie für damit verbundene philosophische und politische Ansichten. Auch Personen und Denkrichtungen, die in spezifischer Weise an das Werk von Marx und Engels anschließen, werden zum Marxismus gerechnet.

Bekannte marxistische Strömungen sind der Orthodoxe Marxismus der frühen Sozialdemokratie (im Wesentlichen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts), der Leninismus, der Marxismus-Leninismus, der Maoismus, der Trotzkismus sowie verschiedene Formen des Westlichen oder Neomarxismus, darunter die Frankfurter Schule und der französische Strukturalistische Marxismus, der italienische Operaismus, der jugoslawische Titoismus und der Postmarxismus.

Seine theoretischen Wurzeln hat der Marxismus unter anderem in der kritischen Auseinandersetzung mit der klassischen deutschen Philosophie (Kant, Hegel, Feuerbach), der klassischen englischen Nationalökonomie (Smith, Ricardo), dem französischen Frühsozialismus (Fourier, Saint-Simon, Blanqui, Proudhon) sowie den Historikern der französischen Restauration (Thierry, Guizot, Mignet). Vor allem Engels, Karl Kautsky und Lenin, aber auch Plechanow, Labriola, Trotzki und Rosa Luxemburg haben die weitere Entwicklung des Marxismus nachhaltig beeinflusst. In einer zweiten Phase nach dem Ersten Weltkrieg bis zu den 68er-Bewegungen erfuhr der Marxismus eine weitere Ausdifferenzierung durch Karl Korsch, Georg Lukács, Antonio Gramsci, Ernest Mandel, André Gorz, Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno und Louis Althusser.

Mit der Zeit entwickelten sich eine eigenständige marxistische Philosophie und in vielen Disziplinen der Wissenschaften mit gesellschaftlichem Bezug eigene marxistische Strömungen – wie beispielsweise eine marxistische Soziologie, eine marxistische Wirtschaftstheorie, eine marxistische Literaturtheorie oder in der Psychoanalyse der Freudomarxismus.

Überblick[Bearbeiten]

Begriffsgeschichte[Bearbeiten]

Der Begriff „Marxismus“ war zunächst nicht Selbstbezeichnung einer Partei oder Gruppe, sondern wurde von außen an sie herangetragen. Schon in den 1850er Jahren gebrauchten Anhänger Weitlings den Begriff „Marxianer“. Innerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation (1864–1876) kam es zu Konflikten zwischen Anarchisten („Bakuninisten“) und den dann von diesen so titulierten „Marxisten“. Zu dieser Zeit wurde der Begriff Marxist auch zunehmend von Unterstützern gebraucht. In den späten 1870er Jahren distanzierte sich Marx selbst von einer Jugendfraktion französischer Sozialisten um Paul Lafargue und Jules Guesde, die sich als Marxisten bezeichneten, da sich diese „Jungen“ nach seiner Ansicht zu entschieden gegen die Idee des Reformismus wandten. In diesem Zusammenhang hat Marx laut Engels gesagt, er selbst sei kein Marxist. Der Begriff „Marxismus“ lässt sich ab den 1880er Jahren feststellen, so z. B. in der 1882 erschienenen Schrift Le Marxisme et l’Internationale von Paul Brousse.

Marx und Engels wiederum führten das Begriffspaar „Wissenschaftlicher Sozialismus“ als Alternative zu „Marxismus“ ein. Damit grenzten sie sich von anderen Staats- und Gesellschaftsentwürfen ab, die sie dem „Utopischen Sozialismus“ oder dem Anarchismus zuordneten. Allerdings gelang es Engels nicht, den Begriff „Wissenschaftlicher Sozialismus“ für ihre Anschauungen durchzusetzen. So finden sich von Engels nach dem Tod von Marx viele Briefstellen, in denen er sich abschätzig über den Begriff „Marxismus“ und seine Vertreter äußert. In einem Brief an Lafargue 1890 äußert er sich über die jungen Akademiker innerhalb der SPD, die „alle in Marxismus machen“, jedoch eigentlich auf eine Karriere aus wären, „und von denen Marx sagte: ‚Alles, was ich weiß, ist, daß ich kein Marxist bin!‘ Und wahrscheinlich würde er von diesen Herren das sagen, was Heine von seinen Nachahmern sagte: Ich habe Drachen gesät und Flöhe geerntet.“ An anderer Stelle schreibt er an Lafargue: „Wir haben Euch niemals anders genannt als ‘the so-called Marxists’, und ich wüßte nicht, wie man Euch anders nennen sollte. Habt Ihr einen anderen, ebenso kurzen Namen, dann macht ihn bekannt, und wir werden ihn mit Vergnügen und ohne Umstände anwenden.“ Zugleich musste Engels jedoch zunehmend erkennen, dass sich der Begriff Marxismus wohl durchsetzen würde: „Nun, wir waren siegreich, wir haben der Welt bewiesen, daß fast alle Sozialisten in Europa ‚Marxisten‘ sind (sie werden darüber verrückt werden, daß sie uns diesen Namen gegeben haben!)“ So schrieb er in Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie (Ausgabe von 1888): „Inzwischen hat die Marxsche Weltanschauung Vertreter gefunden weit über Deutschlands und Europas Grenzen hinaus und in allen gebildeten Sprachen der Welt.“ Und fügt später in einer Fußnote hinzu: „Ohne ihn [Anm.: Marx] wäre die Theorie heute bei weitem nicht das, was sie ist. Sie trägt daher auch mit Recht seinen Namen.“

Neben dem Ausdruck „Wissenschaftlicher Sozialismus“ konnten sich auch später gebildete Synonyme wie Dialektischer Materialismus, Historischer Materialismus, Philosophie der Praxis, Wissenschaftlicher Kommunismus oder Marxismus-Leninismus und ähnliche Wortgruppen nicht gegen die Bezeichnung „Marxismus“ durchsetzen.