1872

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Ereignisse[Bearbeiten]

Politik und Weltgeschehen[Bearbeiten]

Deutsches Reich[Bearbeiten]

  • 1. Januar: Das von Heinrich von Friedberg erarbeitete Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich tritt in Kraft. Es war schon seit 1870 für den Norddeutschen Bund gültig.
  • 1. Januar: Die Norddeutsche Maß- und Gewichtsordnung tritt für das gesamte Reich in Kraft. Damit wird das metrische System im Deutschen Reich eingeführt; die örtlichen und regionalen Maße und Gewichte geraten außer Gebrauch.
  • 11. März: Das Preußische Schulaufsichtsgesetz, das durch Kultusminister Adalbert Falk auf Veranlassung Otto von Bismarcks erlassen wird, hebt die kirchliche Schulinspektion im Königreich Preußen auf und stellt alle Schulen unter staatliche Aufsicht. Die kulturkämpferische Maßnahme trägt Bismarck die Ablehnung nicht nur der Zentrumspartei, sondern auch der evangelischen Altkonservativen ein.
  • 11. März: Vor dem Schwurgericht in Leipzig beginnt der Hochverratsprozess gegen die beiden sozialdemokratischen Abgeordneten August Bebel und Wilhelm Liebknecht, weil sie im Jahr 1870 in der Reichstagsdebatte über die Gewährung weiterer Gelder für den Deutsch-Französischen Krieg einen Friedensvorschlag vorgetragen hatten, sowie den Parteizeitungs-Redakteur Adolf Hepner. Verteidigt werden die beiden von Otto Freytag. Ein konkreter Anklagegrund kann nicht gefunden werden, und so betont Staatsanwalt Hoffmann, dass „sich aus dem einen oder anderem von den Angeklagten veröffentlichten Artikel nicht die Anklage begründen läßt, daß aber aus der Zusammenwirkung sämtlicher Artikel, in Verbindung mit anderen Tatsachen die Anklage hervorgegangen ist“. Das Urteil wird am 26. März verkündet. Hepner wird freigesprochen, Bebel und Liebknecht werden zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. August Bebel wird sein Reichstagsmandat aberkannt. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird vom Oberlandesgericht Dresden als unbegründet zurückgewiesen. Das Manifest der Kommunistischen Partei ist zu dieser Zeit vergriffen und weiten Kreisen der Bevölkerung unbekannt. Doch nun ist es im Prozess von der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben worden. Damit können die Sozialdemokraten es legal und in hoher Auflage veröffentlichen. Die beiden Verurteilten treten ihre Haft im Sommer in der Haftanstalt Hubertusburg an. Bebel nutzt seine Haft zur Weiterbildung.
  • 4. Juli: Im gesamten Deutschen Kaiserreich werden Niederlassungen des Ordens der Jesuiten durch das Jesuitengesetz verboten. Auch wenn der Kulturkampf generell von vielen Liberalen mit vorangetrieben wird, stimmen doch eine Reihe liberaler Politiker bei der namentlichen Abstimmung am 19. Juni gegen das Gesetz. Die überwiegende Mehrheit der Nationalliberalen und ein großer Teil der Fortschrittspartei stimmt Bismarck jedoch zu, als dieser vor dem Reichstag verkündet: „Nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig.“
  • 21. November: Otto von Bismarck lässt sich aus Gesundheitsgründen bis auf Weiteres vom Amt des preußischen Ministerpräsidenten entbinden. Sein Wunsch auf Entlassung wird abgelehnt.