Kulturkampf

Aus Twilight-Line Medien

In Deutschland wird der Begriff Kulturkampf unter Vorzeichen des 19. Jahrhunderts auf den Konflikt zwischen Preußen bzw. später dem Deutschen Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck und der katholischen Kirche unter Papst Pius IX. bezogen; diese Auseinandersetzungen eskalierten ab der Reichsgründung 1871, als der neue protestantisch geprägte Nationalstaat begann, gegen die katholische Minderheit vorzugehen; sie wurden bis 1878 beendet und 1887 diplomatisch beigelegt.

Politisch ging es in Deutschland in erster Linie um die Schwächung der Katholischen Kirche und des Einflusses der organisierten katholischen Minderheit. Die protestantischen Kirchen waren nur sehr gering vom Kulturkampf betroffen und standen den Gesetzen gegen die katholischen „Konkurrenten“ zunächst positiv gegenüber. Erst durch die immer härteren Maßnahmen Otto von Bismarcks gegen die katholische Geistlichkeit sahen schließlich auch Protestanten und Liberale die Freiheitsrechte im Reich bedroht und opponierten.

Allgemein werden als Kulturkampf Auseinandersetzungen zwischen Staat und katholischer Kirche im 19. Jahrhundert in mehreren Staaten Europas und Südamerikas bezeichnet, bei denen es grundsätzlich um einen Versuch der gewaltsamen Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche ging. Beim Kulturkampf prallten die Vertreter zweier konkurrierender Weltanschauungen – konservativ und liberal – aufeinander.

In einem größeren Kontext wird mit „Kulturkampf“ auch ein europäisches Phänomen bezeichnet: Es kam in mehreren Staaten des Kontinents zu ähnlichen Entwicklungen. Eine gewisse Vorreiterrolle hatte dabei die Schweiz. Auch der badische Kulturkampf und der bayerische Kulturkampf fanden zeitlich vor dem preußischen statt.

Darüber hinaus spielt der Begriff vor allem bei rechtsgerichteten Kreisen in der zeitgenössischen politischen Diskussion in Deutschland eine gewisse Rolle.

Vorgeschichte, Hintergründe und Ursachen[Bearbeiten]

Veränderungen im Verhältnis von Staat und Kirche[Bearbeiten]

Die Kirche war seit dem Mittelalter Trägerin vieler Einrichtungen im Bildungswesen und in der Sozialfürsorge. Spätestens im 18. Jahrhundert kamen mit dem Absolutismus und der Aufklärung Tendenzen auf, die stattdessen den Staat in dieser Rolle sehen wollten. Infolge der Säkularisation, die besonders während der napoleonischen Besatzung umgesetzt wurde, bildete sich allmählich ein neues staatliches Selbstverständnis heraus: Der Staat betrachtete sich fortan als von jeglicher konfessionellen Bindung befreit, und wollte daher auch sein ziviles und soziokulturelles Innenleben frei und ohne eine päpstliche Einflussnahme gestalten. Dieser staatliche Universalanspruch kollidierte jedoch alsbald mit den Zielvorstellungen der katholischen Kirche, die eine allgemeine Verbindlichkeit christlicher Normen postulierte, also auch die Einhaltung ihrer Wertmaßstäbe vonseiten des Staates und der Gesellschaft erwartete. Dieser Interessenkonflikt, der sich im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen des Liberalismus und des späteren Sozialismus weiterhin verschärfte, bildete die wesentliche Ursache für den Ausbruch des nachfolgenden Kulturkampfes.

Eine solche Entwicklung war nicht auf Deutschland beschränkt, sondern bildete vielmehr ein gesamteuropäisches Phänomen. Analoge Auseinandersetzungen gab es in der Schweiz, in Italien, Österreich-Ungarn, Großbritannien, Belgien, Frankreich, Spanien sowie Mexiko und Brasilien. Meist beeinflusst davon, ob liberale Kräfte Regierungsverantwortung übernahmen, begannen in einigen Ländern die Auseinandersetzungen bereits im Vormärz, in anderen zogen sie sich bis in das 20. Jahrhundert. Der Katholizismus stand dabei besonders häufig im Mittelpunkt des Konfliktes, weil eine besonders konservative Ausprägung des Katholizismus, der sogenannte „Ultramontanismus“, eine Einheit von Staat und Kirche unter ihrem Primat sowie eine Rekatholisierung der Welt erreichen wollte. Diese Strömung war innerhalb der katholischen Kirche gleichfalls nicht unumstritten. Im 19. Jahrhundert gab es prominente katholische Geistliche und Theologen, die den Katholizismus umfassend reformieren wollten.