Atlantische Revolutionen

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Der Begriff Atlantische Revolutionen bezeichnet eine Reihe von Revolutionen, die zwischen ca. 1770 und ca. 1830 rund um den Atlantik stattfanden. Zu den wichtigsten gehören die Amerikanische Revolution (1773–1783), die Französische Revolution (1789–1799), die Haitianische Revolution (1791–1804), die Spanische Revolution (1807–1814) und die Unabhängigkeitskriege in Spanisch-Amerika (1810–1826).

Bei allen Unterschieden waren diese Revolutionen – zumindest aus vorherrschender europäischer Perspektive – von ähnlichen „modernen“ Idealen geprägt: Volkssouveränität, Menschenrechte, Gleichheit, Gewaltenteilung und schriftliche Verfassungen. Die besagten Revolutionen bildeten zudem den Ausgangspunkt für die Entwicklung von modernen Nationalstaaten in Europa und in Amerika, einschließlich des karibischen Raumes. Als Bindeglieder bei der Ausbildung eines zusammenhängenden atlantischen Raumes wirkten neben Kolonialismus, Migration und Sklavenhandel eine transatlantische Öffentlichkeit und eine damit verbundene politische Publizistik, die hauptsächlich in Pamphleten und Zeitungen zum Ausdruck kam.

Zu den weitreichenden Nachwirkungen der Atlantischen Revolutionen gehört eine Reihe davon inspirierter Aufstände und Folgerevolutionen vor allem in Europa. Von den Atlantischen Revolutionen gehen zudem bis ins 21. Jahrhundert fortwirkende Impulse zu demokratietheoretischen Fragen und zu Fragen der historischen Interpretation aus. Hinweise auf spezielle Bindungen innerhalb des atlantischen Raums, die sich lange nach den Atlantischen Revolutionen erhalten haben, geben unter anderem die Atlantik-Charta als Wegweiser zu den Vereinten Nationen und das nordatlantische Bündnis NATO.

Konzept der Atlantischen Revolutionen[Bearbeiten]

Nachdem bereits die Zeitgenossen insbesondere die US-amerikanische Revolution und die Französische Revolution verglichen und ihre gemeinsamen Ursprünge und gegenseitigen Beeinflussungen intensiv diskutiert hatten, wurden die Revolutionen in der Historiographie während des größten Teils des 19. sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem als zentrale Ereignisse innerhalb der jeweiligen Nationalgeschichten gedeutet. Vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges und der Gründung der NATO wurde das bereits 1917 von Walter Lippmann skizzierte Konzept einer atlantischen Welt aufgegriffen und um das der „Atlantischen Revolutionen“ erweitert – als verbindendes Element der Geschichten Europas und Nordamerikas. Unter Rückgriff auf die Idee eines durch einen Ozean gebildeten Geschichtsraumes im Sinne der Schule der Annales entwickelten Jacques Godechot und R. R. Palmer die Vorstellung einer „atlantischen Zivilisation“, die auf gemeinsame Revolutionserlebnisse der Jahre 1770 bis 1800 gegründet und von daraus abgeleiteten demokratischen Werten bestimmt sei. Dieser Ansatz stieß teilweise auf erhebliche Kritik, da er ideologisch motiviert sei, wichtige wirtschaftliche und politische Entwicklungen außer Acht lasse und der Komplexität und den Besonderheiten der unterschiedlichen Revolutionen nicht gerecht werde. Auch fanden weder die Haitianische noch die lateinamerikanischen Revolutionen in den Arbeiten von Godechot und Palmer Beachtung. Diese rückten erst seit Ende der 1980er Jahre verstärkt in den Blick der Historiker. In den 1990er Jahren wurde zudem die Bedeutung einer Reihe von zunächst unbeachteten Akteuren der Revolutionen erforscht, so die der Sklaven, Seefahrer und Soldaten. Um die Jahrtausendwende traten mit dem Aufkommen der Globalgeschichte auch im Bereich der Atlantischen Geschichte verstärkt kulturgeschichtliche Aspekte sowie Praktiken der Vernetzung zwischen den Akteuren der verschiedenen Revolutionen in den Vordergrund.

Quellen[Bearbeiten]

  • Manuela Albertone, Antonino De Francesco (Hrsg.): Rethinking the Atlantic World: Europe and America in the Age of Democratic Revolutions. Palgrave Macmillan, Basingstoke 2009.