Behinderung

Aus Twilight-Line Medien

Als Behinderung bezeichnet man eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer Person. Verursacht wird diese durch die Wechselwirkung ungünstiger sozialer oder anderer Umweltfaktoren (Barrieren) und solcher Eigenschaften der Betroffenen, welche die Überwindung der Barrieren erschweren oder unmöglich machen.

Behinderung wird also nicht als „Krankheit“ betrachtet: Behindernd wirken in der Umwelt des Menschen sowohl Alltagsgegenstände und Einrichtungen – oder das Fehlen solcher Einrichtungen – (physikalische Faktoren) als auch die Einstellung anderer Menschen (soziale Faktoren). Gegenständliche Barrieren erhalten ihre behindernde Eigenschaft oft durch mangelnde Verbreitung von universellem Design, das nicht nur Bedürfnisse zahlenmäßig großer oder einflussreicher Bevölkerungsgruppen berücksichtigt.

Das Partizip behindert, von dem die Personenbezeichnung Behinderte abgeleitet ist, kann also abhängig vom eigenen Blickwinkel oder Standpunkt benutzt werden:

Diese im deutschsprachigen Raum verbreitete Zweiteilung der Erklärungsansätze wird international überwiegend als unterkomplex bewertet. Zum einen gibt es Ansätze, beide Modelle in einer Theorie der Behinderung zu vereinigen. Zum anderen weist Sophie Mitra (Fordham University in New York) darauf hin, dass es mindestens neun verschiedene Varianten des sozialen Modells der Behinderung gebe.

Länderübergreifender Überblick[Bearbeiten]

Kategorien und Ursachen[Bearbeiten]

Der Wiener Universitätsprofessor Gottfried Biewer sieht in einem Lehrbuch fünf unterschiedliche Systematiken der Kategorisierung und Klassifizierung, die zu Differenzen beim begrifflichen Verständnis von Behinderung führen. So gäbe es medizinische Klassifikationen (ICD, DSM-5), pädagogische Behinderungsbegriffe, sonderpädagogische Kategorien, die Einteilung der OECD (disability, learning difficulties und disadvantages) und das bio-psychosoziale Modell (ICF) der WHO. Aktuell am gebräuchlichsten seien sonderpädagogische Zuschreibungen, bei denen Förderbedarfe bestimmten Entwicklungsbereichen zugeordnet werden (Sehen, Hören, geistige Entwicklung etc.). Das im Bildungsbereich verwendete Modell der OECD unterscheide zwischen Behinderungen mit organischen Ursachen (Kategorie A), Lernstörungen (Kategorie B) und Benachteiligungen aufgrund sprachlicher, sozialer und kultureller Gegebenheiten (Kategorie C). Im Unterschied zu diesen Kategorisierungssystemen stelle die ICF der WHO in erster Linie eine gemeinsame Sprache zur Beschreibung von Phänomenen dar.

Behinderung tritt nur im Zusammenspiel mehrerer ursächlicher Faktoren auf. Typische individuell-beeinträchtigende Merkmale eines Menschen („Schädigung“ oder „Beeinträchtigung“) sind fehlende oder veränderte Körperstrukturen sowie chronische körperliche und psychische Krankheiten. In Verbindung damit können Umweltfaktoren als physikalische Barrieren, zum Beispiel in Form von Bordsteinen, Engstellen, Treppen, nicht barrierefreie Internetseiten oder eine naturbelassene Umwelt zu einer Behinderung eines Menschen führen. Ebenso „behindernd“ sind gesellschaftliche Barrieren etwa in Ausbildung, Arbeitswelt, Freizeit und Kommunikation, wenn sie zum Ausschluss von Menschen mit abweichenden Merkmalen führen.

Zur Frage, ob bzw. inwieweit die oben genannten Faktoren als diskriminierend bewertet werden bzw. bewertet werden müssten oder dürften, siehe Behindertenfeindlichkeit.

Definitionen von Behinderung, die nur auf eine einzige Ursache abzielen, gelten als überholt.

Grundsätzlich lassen sich Behinderungszusammenhänge grob in folgende Bereiche kategorisieren:

Hinsichtlich der personenseitigen Ursachen lässt sich unterscheiden zwischen

Behinderungen können auch als Kombination aus mehreren Ursachen und Folgen auftreten (Mehrfachbehinderung, Schwerste Behinderung), oder weitere Behinderungen zur Folge haben, z. B. Kommunikationsbehinderung als Folge einer Hörbehinderung.

Einige Behinderungen werden gesellschaftlich überhaupt nicht als solche wahrgenommen, sondern gelten als Ausdruck mangelnder Selbstbeherrschung und Erziehung des Betroffenen. Dies gilt etwa für die ständigen Blähungen von Menschen, die nach einer Darmkrebsoperation die Bauhin-Klappe verloren haben oder die von CED betroffen sind. In einer vergleichbaren Situation befinden sich etwa die Betroffenen der Krankheit Morbus Tourette. Bei Behinderungen dieser Art sind soziale Behinderung und diskriminierende Ausgrenzung der Betroffenen besonders gravierend.

Definitionsversuche[Bearbeiten]

Zitat
Die UN-Behindertenrechtskonvention enthält keine genaue, abschließende Definition des Begriffs Behinderung, sondern legt vielmehr nur ein Verständnis von Vorlage:' dar und konkretisiert damit den persönlichen Anwendungsbereich der Konvention. Gemäß Artikel 1 Absatz 1 bezieht die UN-BRK alle Menschen ein, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen (einstellungs- und umweltbedingten) Barrieren am vollen und gleichberechtigten Gebrauch ihrer fundamentalen Rechte hindern. Die BRK orientiert sich demgemäß am sozialen Verständnis von Behinderung. - Eibe Riedel

Die Konnotation ist je nach Sprache unterschiedlich. Disability ist im englischen Sprachraum üblich.

Im Jahr 2016 sagte Ban Ki-moon, der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen: „Disability is not inability“. Diese Aussage ist allerdings nicht unumstritten. So stellte z. B. Alex Gregory (University of Southampton) die These auf, dass „disability“ ein Spezialfall von „inability“ sei:

„A particular kind of inability is just what all disabilities have in common.“ (deutsch: „Alle Behinderungen haben eine besondere Art von Unfähigkeit gemeinsam.“)

Die Problematisierung der Begriffe „disability“ und „discapacidad“ spielt allerdings in den Auseinandersetzungen im englisch- wie im spanischsprachigen Raum keine zentrale Rolle. Dies wird vor allem an der Selbstbezeichnung der Bewegung „Disability Pride“ deutlich.