Diglossie

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Die Diglossie (gr. diglossía, Zweisprachigkeit) ist eine besondere Form der Zweisprachigkeit, bei der die Sprachen einen ungleichen Status haben.

Begriff[Bearbeiten]

Diglossie beschreibt die Zweisprachigkeit einer ganzen Gesellschaft, bei der es eine klare funktionale Differenzierung zwischen zwei sozial unterschiedlich gewerteten Sprachvarietäten gibt. Meist sind es Varietäten derselben Sprache. Insbesondere wird so die Koexistenz von Dialekt und Standardsprache oder von gesprochener Volkssprache zur geschriebenen Hochsprache bezeichnet.

Im Regelfall verfügen alle Sprecher einer solchen Gemeinschaft über die Fähigkeit, in denselben zwei (oder auch mehr) Varietäten (bzw. Einzelsprachen) zu kommunizieren, verwenden aber die eine und die andere nur in bestimmten Situationen, beispielsweise die eine Varietät (meist als L für englisch low ‚niedrig‘ bezeichnet) in familiären Alltagsgesprächen und Talkshows, die andere (H für englisch Vorlage:Lang ‚hoch‘) in Ausbildung und Beruf, gegenüber Ämtern und im öffentlichen Raum. Es ergibt sich eine funktionale Spezialisierung des Sprachvermögens. Die Lebensbereiche, in denen die Sprachen oder Varietäten jeweils verwendet werden, nennt man Domänen.

In der Deutschschweiz zum Beispiel werden die jeweiligen lokalen Dialekte und die deutsche Standardsprache (das „Hochdeutsche“) nicht als Dialekt-Standard-Kontinuum verwendet, sondern man trennt die beiden Sprachvarietäten und wechselt je nach Situation von der einen in die andere. So wird in den lokalen Fernseh- und Radiosendern für das alltägliche Begleit- und Unterhaltungsprogramm fast durchgehend Dialekt gesprochen (dabei kann es vorkommen, dass einzelne Sprecher kein Schweizerdeutsch sprechen, es aber verstehen und die Sendung dennoch auf Schweizerdeutsch abgehalten wird), während die Nachrichtensendungen (wie auch der Kultursender SRF2) sowie Printmedien und (Schul-)Bücher Hochdeutsch verwenden. Unterrichtssprache ist an mittleren und höheren Schulen Hochdeutsch (an Universitäten daneben auch Englisch); schulisch-administrative Belange werden jedoch oft auf Schweizerdeutsch besprochen. In den Kindergärten wird normalerweise Schweizerdeutsch gesprochen, in einzelnen Kantonen ist dies gesetzlich vorgeschrieben.

Eine ähnliche Situation existiert auch in Luxemburg mit der Nationalsprache Lëtzebuergesch in Beziehung zu einer Amtssprache, der deutschen Hochsprache. Die andere Amtssprache ist Französisch. Der luxemburgischen Nationalsprache wird international meist der Status eines Ausbaudialekts zugeschrieben. Luxemburgisch wird von den meisten Luxemburgern als Muttersprache gesprochen, auch z. B. im nationalen Fernsehen und Radio wird es benutzt. Als Schreibsprache wird dagegen mehrheitlich Deutsch verwendet, in kleinerem, aber signifikantem Umfang Französisch. So verwenden die meisten und die größten Printmedien, aber auch die (Schul-)Bücher, und teilweise die elektronischen Medien im Großherzogtum Standarddeutsch.

Entdiglossierung bezeichnet das Verschwinden der Diglossie, wie es beispielsweise in Norddeutschland geschieht. Vom 16. bis in das 20. Jahrhundert herrschte dort eine Diglossie mit Standarddeutsch als Schriftsprache und Sprache des amtlichen Gebrauchs und Plattdeutsch als allgemeine Umgangssprache. Seit dem 20. Jahrhundert setzt sich dort allerdings Standarddeutsch als Sprache in allen sozialen Bereichen durch. Dieser Prozess ist für die jüngeren Generationen weitgehend abgeschlossen, in den älteren Generationen bestehen teilweise weiter diglossische Verhältnisse.

Quellen[Bearbeiten]

  • Charles A. Ferguson: Diglossie. In: Anwendungsbereiche der Soziolinguistik. Darmstadt 1982, S. 253–276 (Übersetzung von: Diglossia. In: Word. Journal of the Linguistic Circle of New York. 15, 1959, S. 325–340).