Gemeinwohl

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Gemeinwohl (seltener Allgemeinwohl, gr. koiné symphérōn; lat. salus publica, bonum commune, bonum generalis; engl. common good; frz. bien public bezeichnet das Wohl („das gemeine Beste, den gemeinen Nutzen, die gemeine Wohlfahrt, den Wohlstand“), welches aus sozialen Gründen möglichst vielen Mitgliedern eines Gemeinwesens zugutekommen soll.

Ein grundlegender Dissens besteht im Hinblick auf die Frage, ob man ein „Gemeinwohl a priorifinden könne (wie die richtige Lösung einer einfachen Mathematikaufgabe) oder ob das, was der Allgemeinheit nützt, als Ergebnis einer Bestimmungsleistung von Betroffenen oder deren Vertretern, die sich in Verhandlungen um einen Interessenausgleich bemühen (Gemeinwohl a posteriori), zu betrachten sei.

Gemeinwohl wird verstanden als Gegenbegriff zu bloßen Einzel- oder Gruppeninteressen innerhalb einer Gemeinschaft. Dabei bezog sich der Begriff des Gemeinwohls bei Aristoteles notwendig auf die örtliche Bürgergemeinschaft (Polis). In der Stoa wurde er auf die ganze Menschheit erweitert. Er kann heute auf jedwede überindividuelle Gemeinschaft bezogen werden (Ehe, Familie, Verein, Religionsgemeinschaft, Region, Land, Volk, Völker einer Vertragsgemeinschaft, Weltgemeinschaft usw., aber auch auf Welt, Natur, Universum).

In vielen politischen Philosophien hat das Gemeinwohl eine große Bedeutung. Die nähere inhaltliche Bestimmung hängt von der zugrunde gelegten Konzeption der politischen Gerechtigkeit ab. In der neuzeitlichen politischen Philosophie steht das Gemeinwohl des Staates im Vordergrund. Für manche ist dies identisch mit der Frage nach dem höchsten Staatszweck oder nach der Rechtsidee.

Der Begriff findet Verwendung in der Philosophie, der Politik, der Rechtsprechung und der Soziologie.

In der neueren managementorientierten Gemeinwohl-Diskussion (Public Value) wird eine sozialwissenschaftlich inspirierte Lösung für den oben genannten Dissens angeboten. Einerseits wird die konkrete Ausgestaltung dessen, was als Gemeinwohl gelten soll, als offen, kontextabhängig und nicht vorab bestimmbar angenommen. Andererseits werden inhaltliche Basiskategorien durch den Rückgriff auf in der Psychologie abgestützte menschliche Grundbedürfnisse im Sinne von bio-psychischen Grundstrukturen bestimmt. Insbesondere die Cognitive-Experiential Self Theory nach Epstein bietet hier einen Bezugsrahmen, um die individuelle Ebene der Bedürfnisse mit der kollektiven Ebene des Gemeinwohls zu verbinden. Gemeinwohl als regulative Idee und generalisierte Erfahrung des Sozialen bezieht sich auf jene Werte und Normen, die eine Gemeinschaft und Gesellschaft konstituieren. In dem sich der Einzelne mit seinem gesellschaftlichen Umfeld auseinandersetzt und dieses selbst aktiv mitgestaltet, entwickelt er sich als soziales Wesen. Gemeinwohl wird in dieser Sicht als eine Voraussetzung und Ressource für gelingendes Leben interpretiert.

Gemeinwohl in der politischen Philosophie[Bearbeiten]

Gemeinwohl ist ein Terminus der klassischen politischen Philosophie, der Naturrechtslehre des Mittelalters und der Aufklärung sowie der katholischen Rechtsphilosophie.

Ideengeschichte[Bearbeiten]

Antike[Bearbeiten]

  • Platon
Der griechische Philosoph Platon schreibt in seinem staatsphilosophischen Hauptwerk, der Politeia, dass nur Philosophen wüssten, was dem Gemeinwohl dient, und diese deshalb die Regierung übernehmen sollten. An dieser Auffassung knüpft 1967 Herbert Marcuse an.
  • Aristoteles
Nach Aristoteles ist das Ziel der Polis das Glück ihrer Bürger. Der Einzelne kann sein Glück nicht durch ein nur privates Leben und durch eine nur private Bedürfnisbefriedigung erreichen. Glück erreicht der Bürger nur, indem er sich für das Allgemeine engagiert. Dies entweder durch theoretische Forschung oder durch eine vernünftige Regelung der öffentlichen Belange. Dazu bedarf es der politischen (staatlichen) Ermöglichung und Sicherung öffentlicher Mitwirkung und Erkenntnisgewinnung.
  • Stoa
Die Stoa fasst das Gemeinwohl als das für alle Menschen Gute auf.

Mittelalter[Bearbeiten]

Im politischen Denken des Mittelalters wurde politisches Handeln durch zwei Faktoren bestimmt: Den Eigennutz und den gemeinen Nutzen (bonum commune). Gemeinwohl wurde dabei meist nicht philosophisch verstanden (obwohl bei Thomas von Aquin bereits so formuliert), sondern als reales Lebensbedürfnis, inmitten einer Gesellschaft, die keinen Staat als oberste Ordnungsinstanz kannte. Ausgehend davon wurde das moderne bürgerliche Bewusstsein wesentlich geprägt.