Griechische Kolonisation

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Der Begriff Griechische Kolonisation bezeichnet die vor und während der archaischen Periode der griechischen Antike vom griechischen Festland, der Westküste Kleinasiens und von den Inseln der Ägäis ausgehende Gründung griechischer Pflanzstädte (Apoikien). Diese waren unabhängige, selbständige Gemeinwesen (Poleis), keine Kolonien im modernen Sinne. Durch diese Städtegründungen wurden vor allem in den Küstenbereichen von Mittelmeer und Schwarzem Meer die griechische Sprache, Kultur und Polis-Ordnung verbreitet.

Derart umfassende Auswirkungen zeitigte speziell die „Große Kolonisation“ vom 8. bis ins 6. Jahrhundert v. Chr., nach deren Ende sich der griechische Siedlungsraum von Spanien bis zum Kaukasus und von Südrussland bis Ägypten erstreckte. Im 11. und 10. Jahrhundert v. Chr. vorausgegangen waren Migrationserscheinungen in nachmykenischer Zeit, die unter den Begriffen Ionische Wanderung und Ionische Kolonisation erfasst und problematisiert werden.

Die antike griechische Kolonisationsbewegung stellt ein durch anhaltende intensive Ausgrabungstätigkeit offenes und im Fluss befindliches Forschungsfeld dar. Die traditionelle Bezeichnung Kolonisation stößt dabei in der jüngeren Forschung auf Kritik. Vom neuzeitlichen Kolonialismus, der auf die Vereinnahmung auswärtiger Gebiete und die Unterwerfung von Land und Bevölkerung unter die Herrschaft expandierender Kolonialmächte zielte, ist die griechische Kolonisation ebenso zu unterscheiden wie von den römischen coloniae, die auf einem von Römern unterworfenen und besetzten Gebiet zur Herrschaftssicherung römische Bürger als Kolonisten ansetzten. Sie ist eher vergleichbar mit der von den phönizischen Stadtkönigreichen des Libanons ausgehenden Kolonienbildung in Nordafrika und an Küsten Südeuropas.

Die Folgewirkungen der Großen Kolonisation waren von kaum zu überschätzender historischer Tragweite und Vielfalt. Sie erstreckten sich auf die genannten Räume und die zugehörigen Völker; aber sie beeinflussten auch die weitere Entwicklung auf dem griechischen Festland und begründeten (zumindest nach Ansicht der älteren Forschung) unter allen Hellenen ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Auf ihm beruhte unter anderem die in dieser Zeit sich entfaltende Bedeutung zentraler Orte des Kultes und der Begegnung aller Griechen, unter denen Delphi und Olympia nachhaltig herausragen.

Während das moderne Bild der so genannten Kolonisation sehr lange stark von der Darstellung der Vorgänge durch spätere griechische Autoren wie Herodot, Thukydides und Strabon geprägt war, haben in den letzten Jahren insbesondere die Ergebnisse der Klassischen Archäologie ein neues Licht auf die Ereignisse geworfen. Viele sicher geglaubte Annahmen wurden dabei in Frage gestellt. Die Forschungsdiskussion dauert an.