Pluralismus (Politik)

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Pluralismus, verstanden als empirischer Begriff der Politikwissenschaft, beschreibt den Umstand, dass in einer politischen Gemeinschaft eine Vielzahl freier Individuen und eine Vielfalt von gesellschaftlichen Kräften respektiert werden, die in einem Wettbewerb untereinander stehen. Die Vielfalt zeigt sich in konkurrierenden Verbänden und in Meinungen, Ideen, Werten und Weltanschauungen Einzelner.

Pluralismus als normative politische Idee bedeutet, dass dieser Wettbewerb unterschiedlicher und entgegengesetzter Interessen als legitim anerkannt und als wünschenswert betrachtet wird. Keiner gesellschaftlichen Gruppe darf erlaubt werden, anderen ihre Überzeugung aufzuzwingen. Das würde die prinzipielle Offenheit pluralistischer Gemeinschaften gefährden.

In einer pluralistischen Gesellschaft wird es in der Regel kein absolutes Machtzentrum geben, Macht wird auf verschiedene Institutionen verteilt. Entscheidungsbefugnis kann zudem nur auf Zeit an einzelne Personen delegiert werden. Minderheiten stehen unter Schutz und abweichende Meinungen haben einen legitimen Platz in einer pluralistischen Gesellschaft.

Als empirische Theorie[Bearbeiten]

Als Klassiker der Pluralismustheorie wird der US-Politikwissenschaftler Robert Alan Dahl angesehen. In seinem Who Governs? (1961), einer Fallstudie über politische Entscheidungs- und Beteiligungsprozesse in der Stadtgemeinde New Haven (Connecticut), beschreibt er eine Struktur der „Polyarchie“ und gelangt auf diesem Wege zu der Vorstellung einer pluralistischen Machtverteilung.

Dieser empirischen Beschreibung wurde insbesondere durch Charles Wright Mills die Kennzeichnung der Machtstruktur der US-Gesellschaft als von einer Machtelite beherrscht entgegengehalten. In neuerer Zeit wird die Untersuchung der Eliten im Power Structure Research geleistet.

Ein ähnliches Bild entwirft Franz Neumann in seiner Analyse Behemoth der Gesellschaft Deutschlands zur Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus. Nach Neumann krankt das normative Konzept des Pluralismus daran, dass das wirkliche Funktionieren, d.h. zum Hervorbringen von allgemeinverbindlichen Entscheidungen über das Gesamtsystem, eine grundsätzliche Konkordanz der Gruppeninteressen voraussetze.

Ein pluralistisches Bild der Gesellschaft der Bundesrepublik entwarfen zeitweise auch Soziologen wie Erwin Scheuch und Helmut Schelsky mit seiner These von der nivellierten Mittelstandsgesellschaft oder René König, wenn er herausstellt:

Zitat
die Dichte der in der industriellen Gesellschaft vorhandenen sozialen Beziehungen stellt sich vor allem als soziale Verflechtung dar, die Hand in Hand geht mit der sozialen Differenzierung, aus der eine Pluralität von Schwerpunkten entsteht.

Diese Sichtweise gelte in zugespitzter Weise auch für den Staat, der nicht als über den Gruppen stehend gesehen wird, sondern im Extremfall eine Gruppe unter vielen darstellt und von diesem Wechselspiel der Interessen geprägt werde.

Der marxistischen Tradition folgend stellte Urs Jaeggi dem Bild der pluralistischen das der antagonistischen Gesellschaft gegenüber, die von Machtungleichgewichten und Beziehungen der politischen Über- und Unterordnung geprägt sei. Die Vertreter der Pluralismus-These hätten versäumt, ihr normativ geprägtes Gesellschaftsbild mit den bereits verfügbaren Daten über die weit verbreitete soziale Ungleichheit, wie etwa der Einkommensverteilung, zu konfrontieren.