Puritanismus

Aus Twilight-Line Medien

Der Puritanismus war eine vom 16. bis zum 17. Jahrhundert wirksame Bewegung in England, Schottland und später in Neuengland, die für eine weitreichende Reformation der Kirche nach evangelisch-reformierten bzw. calvinistischen Grundsätzen eintrat. Die Bezeichnung „Puritaner“ wurde zunächst als Spottname gegen derart gesinnte Laien und Geistliche verwendet und leitet sich von ihren Forderungen nach einer „Reinigung“ (engl. purification) der Kirche von „papistischen“, also römisch-katholischen Lehren her.

Konfessionell zersplitterte sich der Puritanismus in eine Reihe verschiedener Denominationen, wie Presbyterianer, Kongregationalisten und andere, auf die viele der heutigen Freikirchen im englischsprachigen Raum ihre Ursprünge zurückführen. Seinen Höhepunkt erreichte er mit dem Sieg im Englischen Bürgerkrieg und der Errichtung einer puritanisch geprägten Republik unter Oliver Cromwell. Nach der Restauration König Karls II. im Jahr 1660 erschöpfte sich der englische Puritanismus als intellektuelle und politische Kraft recht bald, blieb aber insbesondere in den neuenglischen Kolonien bis in das frühe 18. Jahrhundert prägend.

Der Ausdruck Puritanismus wird heute gelegentlich als Synonym für „Moralismus“ verwendet und besonders im amerikanischen Sprachgebrauch auch für etwas, was „kalt, blutleer, kleingeistig, selbstverleugnend, heuchlerisch und nachtragend“ erscheint.

Geschichte[Bearbeiten]

England[Bearbeiten]

Der englische Puritanismus entstand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Angestoßen durch die neue theologische Freiheit, welche die Reformation in England bot, wurde er stark beeinflusst durch kontinentale Impulse des Genfer Calvinismus und durch die Hugenotten; er forderte eine liturgische und moralische Erneuerung der Kirche ein. Auch politische Forderungen gehörten zum Programm der Puritaner: So setzte sich John Stubbs in einem Flugblatt dafür ein, die Heirat von Elisabeth I. mit dem Grafen von Anjou zu verhindern. Da die Königin der Radikalität der Bewegung gegenüber nicht offen war, blieb eine grundlegende Reform von Kirche und Gesellschaft nach dem Vorbild Genfs aus. Puritaner, die nicht zur äußeren Konformität mit der anglikanischen Kirche bereit waren, wurden durch bereits 1593 verabschiedete Gesetze verfolgt, was später die Auswanderung vieler Puritaner begünstigte.

Seine Blütezeit erlebte der Puritanismus im 17. Jahrhundert. 1640 wurde Oliver Cromwell Mitglied des „Langen Parlaments“ und entwickelte sich zu einem der Führer der Opposition gegen König Karl I. und dessen absolutistische Herrschaft. Der Konflikt mit dem englischen Königshaus weitete sich zum Englischen Bürgerkrieg aus. Als Führer der Puritaner gewann Cromwell entscheidenden Einfluss während des Krieges. Er führte das gegen die Krone kämpfende puritanische Parlamentsheer an, das zwar letztlich siegte, aber für etliche Verwüstungen im Lande und auch für die Bilderstürme in englischen Kirchen verantwortlich war. Der englische König wurde hingerichtet, und Cromwell selbst übernahm als „Lordprotektor“ bis zu seinem Tod 1658 die Herrschaft in England. Die Intoleranz des Puritanismus in der Cromwellschen Militärdiktatur hatte diesen in weiten Teilen der englischen Bevölkerung verhasst gemacht. Von der „Reaktion“ profitierte die Monarchie, die nach dem Tode Cromwells in Gestalt Karls II. wiederkehrte.

Der Puritanismus war ein wesentlicher Impuls bei der Entstehung des Methodismus, da die Begründer der methodistischen Traditionen und Kirchen John Wesley und Charles Wesley aus einem Elternhaus stammten, das durch den Vater (Samuel Wesley) und insbesondere durch die Erziehung der Mutter (Susanna Wesley-Annesley) puritanisch geprägt war.

Nordamerika[Bearbeiten]

Viele Puritaner emigrierten im 17. Jahrhundert von England in die britischen Kolonien nach Neuengland in den späteren USA. Da in den ersten Jahrzehnten der Existenz dieser Kolonien die Bevölkerung vor allem aus Puritanern bestand, wurde der Puritanismus damals auch zur dort bestimmenden Religion. Aufgrund der religiösen Verfolgung der Puritaner in Europa versuchten einige von ihnen in Neuengland religiös organisierte Siedlungen nach ihren Idealen aufzubauen, so auch die sogenannten Pilgerväter, die ab 1620 mit den ersten Schiffen aus England bei Plymouth anlegten. Schon vor und während der Überfahrt wurden hierzu Kontrakte aufgesetzt und Predigten gehalten, die dieses Ziel formulierten, so z. B. John Winthrops A Model of Christian Charity. Relativ schnell jedoch zeigten sich die ersten Probleme, die wiederum auch im Medium der Predigt verhandelt wurden (z. B. Danforth: Errand into the Wilderness). Umstritten ist dabei jedoch, ob die Enttäuschung der Kleriker daran lag, dass das Ziel, ein religiöses Vorbild für die Welt sein zu können, nicht erreicht wurde, weil England nach der Glorious Revolution das Interesse an der Kolonie verlor,

In den USA soll der Puritanismus – so beispielsweise nach Max Weber (Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus) und, ihm zuvor, Alexis de Tocqueville (Über die Demokratie in Amerika (De la démocratie en Amérique )) – großen Einfluss auf den Nationalcharakter ausgeübt haben; diese Annahme vernachlässigt jedoch andere Strömungen, die für die Besiedlung der USA ebenso wichtig waren. So war z. B. die erste dauerhafte englische Kolonie in Nordamerika nicht in Neuengland, sondern Virginia; hier waren vor allem wirtschaftliche Überlegungen (Agrarland, Tabakanbau) als Motivation zur Ansiedlung vorherrschend, und der Anglikanismus blieb bis 1786 Staatsreligion.

Noch heute besteht im kalifornischen San Diego die Puritan Evangelical Church of America, die die ursprüngliche puritanische Theologie vertritt.