Sergei Pawlowitsch Koroljow

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Sergei Pawlowitsch Koroljow (Сергей Павлович Королёв, wiss. Transliteration Sergej Pavlovič Korolëv, ukr. Сергі́й Па́влович Корольо́в|Serhij Pawlowytsch Koroljow; * 12.01.1907 in Schytomyr, Gouvernement Wolhynien, Russisches Kaiserreich, heute Ukraine; † 14.01.1966 in Moskau, UdSSR) war ein sowjetischer Raketenkonstrukteur und Weltraumpionier, der eine wichtige Rolle in der Geschichte der Raumfahrt spielte.

Unter Koroljows Leitung entwickelte das Experimental-Konstruktionsbüro OKB-1 Raketen und Raumschiffe. Seine Ideen und sein Führungsstil prägten wesentlich die sowjetische Raumfahrt. Einige unter seiner Leitung realisierte bzw. initiierte Entwicklungen wie die Sojus-Rakete und das Sojus-Raumschiff werden in verbesserter Form noch heute genutzt.

Leben[Bearbeiten]

Die frühen Jahre[Bearbeiten]

Koroljows Eltern, die Russischlehrer Marija Nikolajewna Balanina (geb. Moskalenko) und Pawel Jakowlewitsch Koroljow, trennten sich bereits drei Jahre nach seiner Geburt. Mütterlicherseits stammte Koroljow aus einer reichen Kaufmannsfamilie, die griechische und kosakische Wurzeln hatte. Väterlicherseits war Koroljow weißrussischer Herkunft. Sergei Koroljow identifizierte sich selbst als Ukrainer, nannte sich jedoch gelegentlich, um Loyalität gegenüber der russischen Kultur zu zeigen, auch Russe.

Koroljow wuchs bei seinen Großeltern in Neschin auf. Als er zehn Jahre alt war, zog die Familie nach Odessa. Dort absolvierte er eine Lehre als Maurer und Dachdecker. Schon früh zeigte Koroljow Interesse an der Luftfahrt und arbeitete neben seinem Beruf ab Juni 1923 im örtlichen Segelflugzeugclub OAWUK, wo er mit 17 Jahren sein erstes Segelflugzeug K-5 konstruierte.

1925 begann Koroljow ein Studium am Polytechnischen Institut Kiew. Nebenbei betrieb er weiterhin das Segelfliegen und konstruierte Segelflugzeuge. Als die Kiewer Fakultät geschlossen wurde, wechselte er 1926 an die Moskauer Technische Hochschule (MWTU) und schloss dort sein Studium ab. Zuvor absolvierte er ein Praktikum im Zentralen Aerohydrodynamischen Institut (ZAGI), wo er mit der Konstruktion von Motorflugzeugen in Kontakt kam. 1927 nahm er erstmals am „Allunions-Segelflugwettbewerb“ auf der Krim teil, einer Veranstaltung vergleichbar mit den deutschen Rhönwettbewerben. 1929 entwickelte und baute Koroljow zusammen mit S. N. Ljuschin das Segelflugzeug Koktebel. Im selben Jahr entstand unter der Anleitung Andrei Tupolews als Koroljows Diplomarbeit sein erstes Motorflugzeug SK-4. Am 09.02.1930 erhielt Koroljow sein Diplom als Ingenieur für Flugzeugbau. Als Flugzeugkonstrukteur entwickelte Koroljow 1930 auch das Segelflugzeug Roter Stern. Es war das erste motorlose Fluggerät, mit dem in der Sowjetunion ein Looping geflogen werden konnte. Der Pilot war W.A. Stepantschonok.

In den 1930er Jahren begann Koroljow im Rahmen der MosGIRD mit dem Bau von Raketen. Dort erhielt er wesentliche Impulse für sein späteres Schaffen von Friedrich Zander. Zusammen mit Zander, den er als Mentor betrachtete, war er unter anderem an der Konstruktion und dem Bau der ersten sowjetischen Hybridraketen GIRD-09 und GIRD-X beteiligt. 1933 wechselte er zum Raketenforschungsinstitut (RNII) und wurde 1934 Leiter der Abteilung Raketenflugkörper. Im selben Jahr erschien seine wissenschaftliche Abhandlung Der Raketenflug in die Stratosphäre. Mitarbeiter Koroljows waren Walentin Gluschko, Michail Tichonrawow, Juri Pobedonoszew und der Raumfahrtpionier Ari Sternfeld.

Haft während der Zeit des Großen Terrors[Bearbeiten]

Während der Arbeiten zum raketengetriebenen Segelflugzeug RP-318-I wurde Koroljow im Zuge des Großen Terrors am 27.07.1938 von der politischen Geheimpolizei des NKWD verhaftet. Nach zweitägiger Folter und Drohungen gegen seine Familie unterzeichnete er ein Geständnis, in dem er sich als Mitglied einer konterrevolutionären trotzkistischen Verschwörung und Beteiligter an Sabotageakten zur Behinderung der Entwicklungsarbeiten bezeichnen musste. Er war von dem drei Monate zuvor verhafteten Walentin Gluschko unter Zwang denunziert worden, der selbst die Zeit bis 1944 in Haft verbrachte. Obwohl unschuldig, wurde Koroljow am 27.09.1938 ohne förmliches Gerichtsverfahren zu zehn Jahren Zwangsarbeit im Gulag und fünf Jahren Verlust der Bürgerrechte verurteilt. Nach Aufenthalt in mehreren Gefängnissen und längerem Transport erreichte er am 21.04.1939 das berüchtigte Arbeitslager Maldjak an der Kolyma, wo er fast verhungerte und so schwer an Skorbut erkrankte, dass sein Unterkiefer schwer beschädigt wurde und er viele Zähne verlor.

Durch Interventionen seiner Mutter mit Unterstützung der bekannten Piloten Michail Gromow und Walentina Grisodubowa hob der Oberste Gerichtshof der UdSSR das vorherige Urteil am 13.06.1939 auf. Erst im November 1939 wurde Koroljow aus Maldjak zurückgerufen und ab März 1940 in einem Moskauer Gefängnis zur Wiederaufnahme des Verfahrens inhaftiert. Am 10.07.1940 reduzierte das NKWD seine Strafe wegen trotzkistischer Tätigkeit auf acht Jahre Zwangsarbeit im Gulag. Nach erneuten Interventionen seiner Mutter und Gromows beim NKWD-Volkskommissar Lawrenti Beria wurde er am 13. September 1940 in das Sonderkonstruktionsbüro des Flugzeugbauers Andrei Tupolew geschickt, der schon die Diplomarbeit Koroljows betreut hatte und ebenso inhaftiert war. Das Speziallager ZKB-29 für Wissenschaftler und Ingenieure unterstand dem NKWD und war eine Scharaschka, die von Alexander Solschenizyn in dem Roman Der erste Kreis der Hölle aus eigener Erfahrung beschrieben wurde. Das ZKB-29 entwickelte in Omsk das Sturzkampfflugzeug Tupolew Tu-2, das erstmals im September 1942 militärisch eingesetzt wurde.

Obwohl mit der erfolgreichen Entwicklung der Tu-2 berechtigte Hoffnungen auf Freilassung der inhaftierten Ingenieure bestanden, bewarb sich Koroljow im Oktober 1942 um eine Tätigkeit in einem Flugzeugmotorenwerk in Kasan, wo Gluschko das Sonderkonstruktionsbüro OKB-16 für Raketenantriebe unter Scharaschka-Bedingungen leitete. Koroljow beteiligte sich an Versuchen mit einem Mehrzweckflugzeug Petljakow Pe-2, das mit einem zuschaltbaren Raketenantrieb, der das Startverhalten und die Steigleistung verbessern sollte, ausgerüstet wurde. Der erste erfolgreiche Versuch des Prototyps Pe-2RD fand am 1. Oktober 1943 statt. Am 10.08.1944 wurden Koroljow und Gluschko auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen und setzten ihre Arbeiten an den Raketenentwicklungen als angestellte Ingenieure des OKB-16 fort. Die offizielle Rehabilitierung Koroljows erfolgte erst am 18.04.1957, ein halbes Jahr nach Gluschkos Rehabilitierung.

Koroljows sechsjährige Haftzeit im Gulag wurde aus kommunistischen Darstellungen der Technikgeschichte getilgt. Nach seinem Tod beschrieb sein Biograf in den 1970er Jahren jede Lebenswoche Koroljows minutiös, verschleierte jedoch die gesamte Haftzeit: „Durch verschiedene Umstände konnte der Konstrukteur an den Flugerprobungen seiner Flügelrakete aber nicht teilnehmen.“