Spracherwerb

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Mit Spracherwerb (auch: Sprachentwicklung) wird in der Regel die Aneignung einer ersten Sprache durch das aufwachsende Kind bezeichnet.

Neben dem einsprachigen Spracherwerb gibt es auch noch den doppelten oder mehrfachen Spracherwerb, den gleichzeitigen Erwerb zweier oder mehrerer Sprachen durch ein Kind. Der Erwerb der ersten oder Muttersprache wird auch als Erstspracherwerb bezeichnet. Als Zweitspracherwerb bezeichnet die Forschung den Erwerb einer zweiten Sprache nach Erwerb der ersten, in der Regel durch Einbeziehung der Lerner in die Alltagskommunikation in natürlicher Umgebung. Erst- und Zweitspracherwerb kontrastieren mit dem Fremdspracherwerb. Hier wird die Sprache in der Regel im Unterricht innerhalb von Bildungsinstitutionen wie der Schule vermittelt, unter Zuhilfenahme eines Lehrplans und didaktischer Konzepte. Man bezeichnet den Fremdspracherwerb deshalb in der Forschung auch nicht so sehr als Erwerb, sondern als Sprachenlernen, wobei die Grenze zwischen Erwerb und Lernen nicht immer klar gezogen werden kann.

Der Erstspracherwerb ist ein Forschungsgegenstand, mit dem sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen befassen, darunter vor allem die Psycholinguistik im Speziellen als auch die Linguistik im Allgemeinen und die Entwicklungspsychologie, ferner die Biologie, die Anthropologie und die Forschung zur nonverbalen Kommunikation. Speziell beim Fremdspracherwerb spielt ferner noch die Fremdsprachendidaktik eine wichtige Rolle.

Formen des Spracherwerbs[Bearbeiten]

Man unterscheidet im Wesentlichen die folgenden Formen des Spracherwerbs oder der Sprachaneignung:

  • Erwerb der Erstsprache (L1) beim Kind, umgangssprachlich auch Muttersprache genannt, auch wenn noch andere Bezugspersonen als die Mutter eine Rolle spielen können
  • doppelter oder mehrfacher Erstspracherwerb: paralleler Erwerb von zwei oder mehr Sprachen als Kind (Bilingualismus)
  • Erwerb einer Zweitsprache (L2) im „natürlichen“ Kontext
  • Erwerb einer Fremdsprache in gelenkten Lernsituationen (Unterricht, Kurs)

Zwischen Zweit- und Fremdsprache wird in der Literatur unterschiedlich differenziert. Einige Forscher bezeichnen jegliche Sprache, die als zweites nach dem Erwerb der Erstsprache gelernt wird, als Zweitsprache. Andere Forscher nennen lediglich Sprachen, die zusätzlich zur Erstsprache in einem Alltagskontext (also etwa auf der Straße, beim Einkaufen oder auf der Arbeit) erworben wird, Zweitsprachen. Klassisches Beispiel für einen solchen Erwerb einer Zweitsprache ist der Deutscherwerb durch Migranten, die im Kindes- oder Erwachsenenalter z.B. nach Deutschland einwandern und dort Deutsch im Alltag erlernen, ohne einen formalen Unterricht zu durchlaufen. Diese Zweitsprache ist also eine zusätzliche Sprache zur Erstsprache, die Minderheiten für die Alltagsbewältigung zusätzlich benötigen. Im Gegensatz zu dieser Zweitsprache ist eine Fremdsprache eine Sprache, so die Forscher, die durch einen gesteuerten Sprachunterricht systematisch gelernt wird. Andere Forscher verzichten auf eine Unterscheidung zwischen Zweit- und Fremdsprache und sprechen stattdessen vom ungesteuerten und gesteuerten Zweitspracherwerb. In diesem Zusammenhang wird auch häufig davon gesprochen, dass Kinder und Erwachsene eine Zweitsprache ungesteuert „erwerben“, während eine Sprache in der Schule „gelernt“ wird. Häufig wird die in der Schule gelernte Fremdsprache auch nicht im Alltag verwendet, im Gegensatz zur ungesteuert „auf der Straße“ erworbenen Zweitsprache.

Phasen[Bearbeiten]

Im Erstspracherwerb kann man bestimmte Phasen beobachten, die nacheinander durchlaufen werden und in denen das Kind nach und nach die Laute, den Wortschatz und die Grammatik der Erstsprache erwirbt.

Pränatal[Bearbeiten]

Das Ohr ist eines der ersten Organe, die beim Menschen funktionieren. Eine Woche nach der Befruchtung bilden sich Ansätze der Ohren am Embryo. Nach ungefähr viereinhalb Monaten ist das Hörorgan (Labyrinth mit Cochlea) vollständig entwickelt und hat seine endgültige Größe erreicht. Das ermöglicht dem Fötus erste Spracherfahrungen zu machen. Wegen der intrauterinen Bedingungen (Uterus und Fruchtwasser wirken wie ein Tiefpassfilter) ist die Wahrnehmung vor allem auf prosodische Aspekte, die Sprachmelodie, beschränkt. Es werden tiefe Frequenzen bis 500–700 Hz übertragen, der Druckpegel sinkt signifikant bei steigender Frequenz. Viele der vorhandenen Außengeräusche werden nicht von biologischen Geräuschen überdeckt. Der Pegel von sehr niedrigen Frequenzen (< 300 Hz) erreicht ähnliche Werte wie ex utero. Die mütterliche Stimme und Stimmen in der Nähe der Mutter treten deutlich gegenüber den Hintergrundgeräuschen hervor (sofern sie über 100 Hz liegen) und neben prosodischen Eigenschaften sind auch einige Phoneme verständlich. Die Dämpfung der mütterlichen Stimme ist sehr gering bis hin zu Verstärkung durch die Knochenleitung.

So kommt es, dass Kinder schon direkt nach der Geburt die Stimme ihrer Mutter erkennen können, genauso wie ihre Muttersprache und Geschichten oder Melodien, die sie während der Schwangerschaft oft präsentiert bekamen. Diese Erkennung beruht auf den prosodischen Faktoren, Lautfolgen ohne prosodische Informationen können sie nicht unterscheiden. Aktuelle Studien lassen aber vermuten, dass Kinder im Mutterleib doch schon mehr von der Sprache mitbekommen und dort auch verschiedene Stimmen unterscheiden und Silben voneinander trennen können.

So kann man an der Schreimelodie von Babys aus einem französisch- oder deutschstämmigen Umfeld unterscheiden, woher sie stammen. Erstere präferieren ansteigende Melodiemuster, während letztere häufiger abfallende Muster produzieren.