Vergehen

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Vergehen bezeichnet eine minderschwere Straftat, die mit einer nicht allzu hohen Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht ist. Wann genau von einem Vergehen zu sprechen ist, wird in den Rechtsordnungen der einzelnen Staaten unterschiedlich definiert.

Historische Einordnung[Bearbeiten]

Die Differenzierung zwischen strafbaren Handlungen unterschiedlicher Schwere ist bereits sehr früh in der Rechtsgeschichte belegt. Schon in der Constitutio Criminalis Carolina wurde zwischen causae maiores und causae minores (schwerwiegenden und minderschweren Anklagegründen) unterschieden; diese Trennung war für die Form der Bestrafung ausschlaggebend: Lebens-, Leibes- und Ehrenstrafen oder Geldbuße und kurzzeitiges Gefängnis.

Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) von 1871 unterschied zwischen Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Dabei orientierte es sich an dem unter Napoleon entstandenen Strafgesetzbuch des französischen Kaiserreiches (Code Pénal Impérial) von 1810, dessen Dreiteilung der strafbaren Handlungen (Trichotomie) in Übertretung, Vergehen und Verbrechen (contravention – délit – crime) sowohl noch dem heutigen französischen Strafrecht als auch den an das französische angelehnten Systemen (wie z. B. in Belgien: overtreding – wanbedrijf – misdaad) zugrunde liegt. Die Zuordnung war von der Strafandrohung abhängig:

Zum 01.04.1970 trat in der Bundesrepublik Deutschland anstelle von Zuchthaus, Gefängnis und Haft die einheitliche Freiheitsstrafe. Die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen wird seitdem anhand der Mindeststrafe vorgenommen (siehe unten). Taten für die als Höchststrafe nicht mehr als 6 Wochen Freiheitsstrafe oder 500 DM Geldstrafe angedroht wurden, waren Übertretungen.

Zum 01.05.1975 wurde die Trichotomie der Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland durch eine Dichotomie (Zweiteilung) ersetzt: Seither sind nur noch Verbrechen und Vergehen Straftaten. Die Übertretungen wurden abgeschafft und zum Teil in Vergehen umgewandelt, zum Teil durch Ordnungswidrigkeiten ersetzt oder entkriminalisiert.

Ob diese Zweiteilung beibehalten werden soll, ist unter Strafrechtlern umstritten, da ihre praktische Bedeutung relativ gering ist.

In einigen Rechtssystemen gibt es die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen nicht oder nicht mehr. Beispielsweise existieren in den ebenfalls vom französischen Modell ausgehend entwickelten Strafrechten Italiens, Spaniens und der Niederlande für Bagatellstraftaten zwar weiterhin die Übertretungen (contravvenzioni, faltas bzw. overtredingen), alle anderen Straftaten werden dagegen einheitlich als „Delikte“ oder „Vergehen“ (delitti, delitos bzw. misdrijven) bezeichnet. Trotzdem werden auch hier schwere und weniger schwere Tatbestände entsprechenden Unterkategorien zugeordnet. In den meisten Rechtsordnungen des Common Law gibt es die Unterscheidung zwischen schweren oder „kapitalen“ Verbrechen (felonies) und weniger schweren kriminellen Vergehen (misdemeanors), wobei der Ausdruck „Verbrechen“ (crime) im Englischen als Oberbegriff dient und systematisch eher der „Straftat“ als solcher entspricht.

Nach dem Strafgesetzbuch der DDR von 1968 gab es eine Zweiteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen. Die Grenze verlief bei 2 Jahren Freiheitsstrafe, jedoch nicht abstrakt nach der Strafdrohung, sondern nach der Verhängung im Einzelfall (§§ 2 StGB-DDR). Daneben gab es im Strafrecht für Interessenverletzungen, „bei denen die Auswirkungen der Tat und die Schuld des Täters unbedeutend“ waren, die Kategorie der Verfehlungen (Enumerationsprinzip; z. B. Hausfriedensbruch, Beleidigung/Verleumdung, Eigentumsverfehlungen). Außerhalb des Strafrechts waren die Ordnungswidrigkeiten geregelt (z. B. OWVO). Über Verfehlungen befanden die gesellschaftlichen Gerichte; über aufgeklärte Vergehen und Ordnungswidrigkeiten nur, wenn sie von den Rechtspflegeorganen bzw. Ordnungsstrafbefugten an die gesellschaftlichen Gerichte übergeben wurden.

Quellen[Bearbeiten]

  • Bernd Hecker in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, Rn. 10.