Vietnamkrieg

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Der Vietnamkrieg (Vietnam War, Chiến tranh Việt Nam, seltener auch Kháng chiến chống Mỹ „Vietnamkrieg gegen USA“ oder „Amerikanischer Krieg“) wurde von etwa 1955 bis 1975 in und um Vietnam geführt. Als wesentliche Kriegsparteien standen Nordvietnam und die auch als „Vietcong“ bezeichnete Nationale Front für die Befreiung Südvietnams (englisch National Liberation Front, abgekürzt NLF) den USA und Südvietnam gegenüber. Da der Konflikt unmittelbar auf den Indochinakrieg (1946–1954) zwischen der Französischen Union und der vietnamesischen Unabhängigkeitsbewegung der Việt Minh folgte und sich auf ganz Indochina erstreckte, wird er auch Zweiter Indochinakrieg genannt. Wegen der direkt und indirekt beteiligten Supermächte gilt er als Stellvertreterkonflikt im Kalten Krieg. Es endete mit der Eroberung Südvietnams durch Nordvietnam und der Wiedervereinigung Vietnams.

Nach der Teilung Vietnams im Jahr 1954, politischen Repressalien und hintergangenen freien Wahlen durch den südvietnamesischen Premierminister Ngô Đình Diệm brach von 1955 bis 1964 ein Bürgerkrieg aus: Die Việt Minh, aus denen 1960 die NLF hervorging, wollten die antikommunistische Regierung des Landes stürzen und es mit dem Norden wiedervereinen. Dabei wurde die NLF vom kommunistisch regierten Nordvietnam unter Hồ Chí Minh und Lê Duẩn unterstützt, Südvietnam dagegen in zunehmendem Maß von den USA. Die aufeinander folgenden US-Regierungen unter den Präsidenten Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon fürchteten aufgrund der so genannten Domino-Theorie, dass mit Vietnam ganz Südostasien unter die Kontrolle kommunistischer Regierungen geraten könne.

Nach dem so genannten Tonkin-Zwischenfall von 1964 ließ Präsident Lyndon B. Johnson im Februar 1965 erstmals Nordvietnam direkt bombardieren. Ab März entsandte er immer mehr Bodentruppen zur Bekämpfung der NLF nach Südvietnam. Daraufhin unterstützten die Sowjetunion und die Volksrepublik China Nordvietnam. Sechs Staaten beteiligten sich auf Seiten der USA und Südvietnams mit eigenen Truppenkontingenten an dem Konflikt. Ab 1964 griffen die Kämpfe auch auf Laos, ab 1970 auf Kambodscha über. Nach der Tet-Offensive der NLF stellte Johnson bis November 1968 die Bombardierungen ein. Sein Nachfolger Richard Nixon zog die US-Truppen ab 1969 schrittweise aus Südvietnam ab, weitete den Krieg aber zugleich auf Kambodscha aus. Nach einer erneuten, militärisch ergebnislosen Bombenkampagne schloss seine Regierung im Januar 1973 einen Waffenstillstand mit Nordvietnam. Bis zum 29. März dieses Jahres zogen alle US-Truppen ab, und Nordvietnam entließ alle amerikanischen Kriegsgefangenen. Am 30. April 1975 endete der Krieg mit der Eroberung der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon durch nordvietnamesische Truppen, die nichtkommunistische Regierung scheiterte und brach in Südvietnam zusammen. 1976 wurde Vietnam offiziell unter einer kommunistischen Regierung wiedervereinigt.

Man schätzt die Zahl der vietnamesischen Kriegsopfer auf 1,3 bis über drei Millionen. Zudem starben 58.220 US-Soldaten und 5.264 Soldaten ihrer Verbündeten. Darüber hinaus waren viele dem giftigen Agent Orange ausgesetzt, was laut Rotem Kreuz dazu führte, dass bis zu eine Million Vietnamesen nach dem Krieg Behinderungen erlitten oder gesundheitliche Probleme hatten.

Vorgeschichte

Indochinakrieg

Der vietnamesische Nationalist Hồ Chí Minh hatte 1919 bei der Friedenskonferenz von Versailles gemäß den Prinzipien des 14-Punkte-Programms von US-Präsident Woodrow Wilson ein unabhängiges, geeintes und demokratisches Vietnam vorgeschlagen. Wilson hatte dies abgelehnt. Ho wurde 1920 Anhänger der Imperialismustheorie Lenins, wonach der Kapitalismus in ein weltweites Endstadium getreten und seine Herrschaft durch Volksaufstände in industriell unterentwickelten Ländern am ehesten zu brechen und langfristig zu überwinden sei. Ho wollte diese Theorie in Vietnam unabhängig von sowjetischer oder chinesischer Dominanz verwirklichen.

Seit 1883 stand Vietnam unter französischer Kolonialherrschaft. Im Juni 1940 besiegte das nationalsozialistisch regierte Deutschland Frankreich im Westfeldzug. Ab Juli 1940 unterstand Vietnam während des Zweiten Weltkrieges dem vom NS-Regime geduldeten französischen Vichy-Regime. Dieses gestattete dem mit NS-Deutschland verbündeten Kaiserreich Japan ab Juli 1940, Vietnam mit japanischen Truppen zu besetzen. Gegen diese Doppelherrschaft bildete Ho Chi Minh 1941 eine Koalition antikolonialistischer, nationalistischer und kommunistischer Gruppen, die Vietminh. Sie kämpften mit zunächst etwa 5000 Mann gegen die Besatzer und für Vietnams Unabhängigkeit. Seit März 1945 unterstützten die USA die Vietminh militärisch und logistisch. Diese nutzten die Kapitulation Japans am 15.08.1945 zur Augustrevolution. Danach ließen sie konkurrierende Nationalisten, Trotzkisten, Anhänger oder Partner von Franzosen und religiösen Sekten als „Vaterlandsverräter“ verhaften, vielfach foltern und durch „Tötungskomitees“ ermorden. Am 02.09.1945 rief Ho die unabhängige Demokratische Republik Vietnam (DRV) aus, er wurde ihr Präsident.

Frankreich, das unter Charles de Gaulle seine früheren Kolonien in Indochina wiedererlangen wollte, besetzte bis Ende 1945 Südvietnam und vereinbarte mit Ho im März 1946 eine auf fünf Jahre befristete Übergangsregelung. Der französische Angriff auf Hải Phòng (November 1946) löste den als antikolonialen Guerillakrieg geführten Indochinakrieg der Vietminh gegen Frankreich aus. Um weitere Finanzhilfen der USA für seine Kolonialtruppen zu erhalten, förderte Frankreich einen antikommunistischen Nationalismus in Vietnam. Dazu vereinbarte es 1949 mit dem früheren Kaiser Bảo Đại einen unabhängigen, geeinten „Staat von Vietnam“ (SOV) im Rahmen der überseeischen Union française, bestimmte ihn zum Staatsoberhaupt und verpflichtete sich zum Aufbau einer nationalen Armee und Staatsverwaltung. Als Bao Dai erkannte, dass er einflussloser Repräsentant eines von Frankreich kontrollierten Marionettenstaates sein sollte, verließ er Saigon und ging nach Frankreich.

Während des Indochinakriegs leitete die kommunistische Partei Vietnams eine Agrarreform nach chinesischem Vorbild ein, bei der bis zu 50.000 Bauern und Vietminh der älteren Generation, die man als von den französischen Kolonialherren korrumpiert ansah, ermordet wurden.

Nach der Niederlage der französischen Truppen in der Schlacht um Điện Biên Phủ vereinbarten Kriegsgegner und beteiligte Großmächte auf der Indochinakonferenz in Genf (8. Mai–21.07.1954) einen sofortigen Waffenstillstand, den beidseitigen Truppenrückzug, eine entmilitarisierte Pufferzone entlang des 17. Breitengrades und landesweite, international beaufsichtigte demokratische Wahlen der künftigen Regierung für 1956. Kambodscha, Laos und beide Teile Vietnams sollten unabhängig werden und keinem Militärbündnis angehören. Die Sowjetunion und die Volksrepublik China folgten damit den Forderungen der USA, um deren weiteres Engagement in Indochina zu verhindern. Die Vietminh unterzeichneten mit ihnen sowie mit Frankreich und Großbritannien das Abkommen, da sie mit Hos Wahlsieg rechneten. Die USA und Bao Dai lehnten dieses trotz des Entgegenkommens ab, um keine Vereinigung von ganz Vietnam unter kommunistischer Herrschaft zu begünstigen. Die USA verpflichteten sich aber, die Beschlüsse nicht mit Drohungen und Gewalt zu verändern. Die französischen Kolonialtruppen zogen sich bis Oktober 1954 nach Südvietnam zurück und überließen Hanoi und die Hafenstadt Haiphong den Vietminh. Bei Kriegsende befanden sich rund 100.000 Viet Minh-Kämpfer im Süden und kontrollierten ein Drittel des südlichen Landesteils. Die Führung der Viet Minh plante die Mehrheit in den Norden zu evakuieren und rund 10.000 erfahrene Guerillakämpfer im Süden für den Fall, dass die vereinbarten Wahlen nicht stattfinden würden, zu belassen. Dem Befehl zur Evakuierung in den Norden wurde nur teilweise Folge geleistet, rund 85.000 Kader und Partisanen verblieben im Süden. Ein großer Teil von ihnen kehrte auf eigenen Entschluss ins Zivilleben auf ihren Dörfern zurück.

Die Beschlüsse der Indochinakonferenz, der Waffenstillstand, der Truppenabzug, die Umsiedelung und die Wahlen sollten von der International Control Commission einer Beobachtungsmission bestehend aus polnischen, kanadischen und indischen Truppen überwacht werden.

Indochinapolitik der Großmächte

Die Sowjetunion unter Josef Stalin war nach dem Zweiten Weltkrieg an guten Beziehungen zu ihrem Kriegsalliierten Frankreich interessiert und unterstützte daher Hos Unabhängigkeitsstreben offiziell nicht, trug aber mit Waffenlieferungen zum Sieg der Vietminh im Indochinakrieg bei. Bei der Indochinakonferenz zwang der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow die Vietminh jedoch, dem Rückzug aus Südvietnam zuzustimmen. Bis 1950 erkannte die Sowjetunion die DRV nicht an.

Die 1949 gegründete Volksrepublik China hatte den Unabhängigkeitskampf der Vietminh mit im eigenen Bürgerkrieg erbeuteten Waffen und Trainingslagern entlang der Grenze zu Nordvietnam unterstützt und die DRV 1950 anerkannt. Sie befürwortete auf der Indochinakonferenz jedoch die befristete Teilung des Landes und eine Zweijahresfrist bis zu nationalen Wahlen.

Die USA hatten Ho bis zur Kapitulation Japans (2. September 1945) als Alliierten behandelt. Das Office of Strategic Services half den Vietminh auch danach weiter. US-Präsident Franklin D. Roosevelt unterstützte das Selbstbestimmungsrecht der Völker und wollte Indochina von europäischer Kolonialherrschaft und japanischer Besatzung befreien, es dazu unter internationale Treuhänderschaft stellen und China daran beteiligen. De Gaulle leitete im Oktober 1944 die Provisorische Regierung der Französischen Republik. Aber nachdem Japan die noch dem Vichy-Regime unterstellten französischen Kolonialtruppen in Indochina am 09.03.1945 entmachtet hatte, drängten die europäischen Alliierten Roosevelt, Frankreich am Kampf gegen Japan zu beteiligen. Ob er seinen Treuhänderplan vor seinem Tod am 12.04.1945 fallen gelassen und Frankreich eine Rekolonisierung Indochinas erlaubt hat, ist umstritten.

Sein Nachfolger Harry S. Truman kannte Roosevelts Nachkriegspläne kaum und ließ Indochinas Dekolonisierung fallen. Im Mai 1945 erkannte er Frankreichs Souveränität über Indochina an. Auf der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 vereinbarte er mit den übrigen Alliierten die Teilung Vietnams und Ausdehnung des South East Asia Command (SEAC: das alliierte Truppenkommando in Südostasien) bis zum 16. Breitengrad. Nationalchina unter Chiang Kai-shek besetzte den nördlichen, Großbritannien und Frankreich besetzten bis September 1945 den südlichen Teil Vietnams mit Saigon.

Seit 1947 verfolgte Truman die Containment-Politik, die die kommunistische Expansion weltweit mit allen verfügbaren Mitteln eindämmen sollte. Nach Mao Zedongs Sieg über die Nationalchinesen 1949 warf Joseph McCarthy Truman vor, Chinas „Verlust“ an die Kommunisten verschuldet zu haben. Auch wegen dieses innenpolitischen Drucks wollte Truman den Vormarsch der Vietminh aufhalten. Darum unterstützte er ab Februar 1950 (Sicherheitsmemorandum 142) militärisch Bao Dais Marionettenregime und somit Frankreichs Kolonialherrschaft. Dabei verfolgten die USA auch ökonomische Interessen: Der Markt Indochina sowie Vietnams Exportprodukte Zinn, Gummi und Reis sollten für antikommunistische Staaten Südostasiens, darunter das besiegte Japan, verfügbar bleiben.

Zu Beginn des Koreakriegs im Juni 1950 entsandte Truman gleichzeitig US-Militär nach Südkorea und Indochina, um die Volksrepublik China zu schwächen und Frankreich für den Aufbau der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Westeuropa gegen den Ostblock zu gewinnen. Ho galt in den USA nun als Werkzeug der sowjetischen und chinesischen Kommunisten zur Eroberung ganz Südostasiens. Als die Sowjetunion und die Volksrepublik China die DRV 1950 anerkannten, erkannten die USA im Gegenzug die SOV als einzigen rechtmäßigen Staat Vietnams an und verpflichteten sich, Frankreichs Indochinakrieg und Bao Dais Regime finanziell abzusichern. Dazu schlossen sie mit Südvietnam am 23.12.1950 einen militärischen Beistandsvertrag und am 07.09.1951 einen Vertrag über Wirtschafts- und Technologiehilfen. Zudem wurde eine US-Vertretung in Saigon eingerichtet.

Ab 1952 vertrat Truman die Domino-Theorie, wonach der Kommunismus ideologisch unvermeidbar nach Weltherrschaft strebe, sodass ein kommunistisches Regime eine Kettenreaktion in seinen Nachbarstaaten bewirken würde, die letztlich die USA bedrohe. Die Metapher der fallenden Dominosteine sollte komplexe Vorgänge in entfernten Regionen mit der nationalen Sicherheit der USA verknüpfen. Alle fünf US-Regierungen, die am Vietnamkrieg beteiligt waren, vertraten trotz interner Nuancen die Dominotheorie und eine Eindämmungspolitik. Truman erklärte Indochina zur Schlüsselregion. Würde ein Land dort unter kommunistische Kontrolle geraten, so würden ganz Südostasien und der Mittlere Osten folgen. Das würde die Sicherheit Westeuropas und Interessen der USA in Fernost gefährden. Daher müsse ein Sieg der Vietminh in Indochina auf jeden Fall verhindert werden. Erfolgsaussichten und Folgekosten des US-Engagements wurden nicht hinterfragt.

Von 1952 bis 1954 steigerten die USA ihre Finanz- und Militärhilfen für Frankreich auf 2,76 Milliarden Dollar bzw. von 40 auf 80 % der Gesamtkosten des Indochinakriegs.

Dwight D. Eisenhower, US-Präsident von Januar 1953 bis Januar 1961, vertrat eine Rollback-Politik und gab der Abwehr kommunistischer Expansion in Indochina auch auf Rat seines Außenministers John Foster Dulles sehr großes Gewicht. Anfang 1954 sandte er ohne Zustimmung des US-Kongresses erstmals zehn B-26-Bomber und 200 US-Soldaten, im März zudem Fluggeräte zum Abwurf von Napalm nach Südvietnam, um Frankreichs Kampf gegen die Vietminh zu unterstützen. Zugleich forderte er ein US-Oberkommando für alle künftigen antikolonialen Militäraktionen Frankreichs in Indochina, um sich Handlungsspielraum nach der sich abzeichnenden Niederlage Frankreichs zu verschaffen. Er widerstand der Forderung der Vereinten Stabschefs und des Nationalen Sicherheitsrats, Atomwaffen gegen die Vietminh einzusetzen, um die Schlacht um Điện Biên Phủ zu entscheiden.

Nach Frankreichs Niederlage erreichte die US-Regierung im September 1954 die Gründung der SEATO – mit Australien, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, Pakistan, den Philippinen und Thailand –, welche bei einer „bewaffneten Aggression“ gegen einen Unterzeichnerstaat gegenseitige Konsultationen und gegebenenfalls gemeinsames militärisches Eingreifen vorsah. Laos, Kambodscha und Südvietnam waren keine Bündnismitglieder, wurden in einem Zusatzprotokoll aber als Gebiet definiert, in dem eine bewaffnete Aggression als gegen die Interessen der Unterzeichner gerichteter feindlicher Akt betrachtet würde. Formen und Umstände einer vertragsrelevanten Aggression und die Reaktionen der Mitglieder darauf waren jedoch nicht präzise festgelegt. Der unklare Vertrag diente den USA dazu, spätere Militäraktionen in Indochina mit internationaler Autorität zu versehen

Ab 1960 unterstützte die Volksrepublik China Nordvietnam und die damals neugegründete NLF mit Waffen, Militärberatern und Bautrupps. Ab 1965 tat dies auch die Sowjetunion, mit ebensolchen Mitteln.