Folklore

Aus Twilight-Line Medien

Die Folklore ist der sichtbare Ausdruck des immateriellen kulturellen Erbes einer ethnischen oder religiösen Gemeinschaft. Sie umfasst althergebrachte Traditionen des Volkes (z.B. Materialkultur, Kulte, Riten, Bräuche, Sitten, Musik, Volkskunst, Literatur) und beruht auf generationsübergreifender Überlieferung, die in mündlicher, unter Umständen aber auch schon seit geraumer Zeit schriftlich oder bildlich fixierter Form vorliegen kann. Moderne kulturelle Erscheinungsformen, die ebenfalls Ausdruck einer kulturellen oder subkulturellen Gemeinschaft sein können, werden üblicherweise ebenso wenig zur Folklore gerechnet wie hochkulturelle Leistungen, die zwar ebenfalls landestypisch oder kulturspezifisch sein können, aber keinen volkstümlichen Charakter besitzen.

Wissenschaftlich befasst sich mit Folklore die Disziplin der Folkloristik als Teilgebiet der allgemeinen Volkskunde und der Erzählforschung.

Begriffsgeschichte[Bearbeiten]

Die Vorläufer des Begriffs gehen ins 18. Jahrhundert in den deutschen Sprachraum zurück. Johann Gottfried von Herder verbreitete erstmals Begriffe wie „Volkslied“, „Volksseele“ oder „Volksglaube“ und unternahm 1778/79 mit der Veröffentlichung seiner Sammlung Stimmen der Völker in Liedern den ersten Versuch, Traditionen und Kulturgüter des einfachen Volkes zu dokumentieren und zu archivieren. Erst mit den Gebrüdern Grimm, die 1812 den ersten Band ihrer Kinder- und Hausmärchen herausgaben, erreichte die folkloristische Dokumentationsarbeit wissenschaftliches Niveau.

Das englische Kunstwort „folk-lore“ wurde von dem Kulturhistoriker William John Thoms (1803–1885) geschaffen. Es taucht erstmals als Überschrift eines Artikels in der Londoner Literatur-Wochenzeitschrift The Athenaeum auf, den Thoms im August 1846 unter dem Pseudonym Ambrose Merton veröffentlichte. Das Wort, so erläuterte Thoms, bedeute „Volksüberlieferung“ („the Lore of the people“). Er sah Bedarf für einen neuen englischen Begriff, der die bis dato verwendete Bezeichnung „volkstümliche Altertümer“ (popular antiquities) ersetzte, um das von den Gebrüdern Grimm (insbesondere in Jacob Grimms Deutsche Mythologie ab 1835) veröffentlichte Volksgut besser zuordnen zu können.

Thoms hatte das Wort der angelsächsischen Sprache des 11. Jahrhunderts entnommen, wo der Begriff folklǡr begegnet. Im Altenglischen bedeutete lǡr so viel wie „Wissen, Lehre“. Der Wortbestandteil folk bezeichnet im Englischen das Volk, die Leute – mit einem gewissen sozialen Akzent auf den weniger gebildeten Schichten, aber im Gegensatz zu people und noch deutlicher zum deutschen Wort „Volk“ ohne nationalen Gehalt.

Die neue Bezeichnung setzte sich sehr schnell durch und wurde in weniger als einem Jahr zum gängigen Begriff, obwohl Thoms nie eine genauere Begriffsdefinition lieferte. Auch in die skandinavischen Sprachen und selbst in einige romanische Sprachen drang sie binnen weniger Jahrzehnte ein. Thoms’ Arbeiten regten 1878 die Gründung der englischen „Folk-Lore Society“ an, die er selbst leitete. In Amerika entstand 1888 die „American Folklore Society“ unter ihrem Präsidenten Francis James Child, der um 1856 mit dem Studium englischer und schottischer Folkballaden begonnen hatte. Dagegen stieß der Begriff in der deutschsprachigen Volkskunde als modisches Fremdwort weitgehend auf Ablehnung und konnte nicht heimisch werden. Dabei spielte auch ideologische Abwehr eine Rolle, weil man befürchtete, dass mit dem Wort „Folklore“ der nationale Gehalt der Volkskunde verlorengehen könnte. Eine Ausnahme bildete der 1863 in die USA ausgewanderte Karl Knortz, der dem „1846 zum ersten Male in England gebrauchten und seitdem in allen civilisirten Ländern adoptirten Worte“ durch ein Buch mit dem Titel Folklore, das er 1896 in Dresden herausgab und das auf seinen in New York und Indiana an der Hochschule gehaltenen Vorträgen basierte, Eingang in den deutschen Wissenschaftsdiskurs zu verschaffen suchte. Er verstand unter „Folklore“ die „Quintessenz der Gedankenarbeit eines ganzen, von der Kultur noch unbeleckten Volkes, wozu nun in diesem Falle nicht nur die Aboriginer und altfränkischen Leute, sondern auch alle Kinder der Erde gehören“. Vor allem in Amerika setzte sich die weite Definition des Begriffsumfangs durch. Francis Abernethy definiert Folklore ganz grundsätzlich als das traditionelle Wissen einer Kultur.