Transzendenz

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Transzendenz beschreibt den Bezug auf einen Gegenstandsbereich, der jenseits möglicher Erfahrung bzw. vorfindbarer Wirklichkeit liegt. In Philosophie, Theologie und Religionswissenschaft wird damit auf ein metaphysisches Wesen des Wirklichen an sich selbst Bezug genommen, das sich in der philosophisch-theologischen Tradition mit dem Begriff eines göttlichen, unendlichen Grundes erfahrbarer, endlicher Wirklichkeit verbindet. Der komplementäre Begriff der „Immanenz“ bezeichnet das Bezogensein auf den Gegenstandsbereich des in der Erfahrung Gegebenen bzw. des in der endlichen Dingwelt Vorhandenen.

Das Verhältnis von Immanenz und Transzendenz kann in unterschiedlicher Weise gedeutet werden. Beispielsweise ist in theologischer Tradition strittig, inwiefern das Transzendente als Unendliches und Göttliches als übernatürlich zu begreifen ist und inwiefern die Bezugnahme darauf als Glaube oder als Wissen zu verstehen ist. In der philosophischen Tradition kann das Verhältnis von Immanenz und Transzendenz einerseits ontologisch, andererseits erkenntnistheoretisch bestimmt werden, d. h. einerseits bezogen auf das Verhältnis von endlicher und unendlicher Wirklichkeit, andererseits bezogen auf das Verhältnis des Erfahrbaren zu den ermöglichenden Bedingungen für Erfahrung überhaupt. Nach Letzteren fragt insbesondere die Transzendentalphilosophie nach Immanuel Kant. In der philosophischen Ontologie werden seit dem frühen 13. Jahrhundert mit dem Konzept sogenannter „Transzendentalien“ Prinzipien wie das Gute, das Wahre, das Schöne beschrieben, von denen angenommen wird, dass sie allem Seienden als solchem zukommen. Insofern „überschreiten“ sie die aristotelischen Kategorien. In unterschiedlichsten philosophiegeschichtlichen und religionswissenschaftlich beschreibbaren Zusammenhängen lassen sich vergleichbare Verhältnisbestimmungen ausmachen von Prinzipiaten und Prinzipien, die diese ermöglichen und transzendieren.

Ebenso gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, inwiefern Transzendentes an sich selbst oder mittelbar „erfahrbar“ genannt werden kann. Dies kann als religiös gedeutete Erfahrungen ebenso einschließen wie anderweitige Berichte über visionäre oder außersinnliche Wahrnehmungen.

In unterschiedlichen Kontexten kann sich der Begriff der Transzendenz spezifischer mit etwas verbinden, das transzendiert wird bzw. etwas, woraufhin transzendiert wird. So bezeichnet in der philosophischen Anthropologie, Psychologie und Soziologie der Ausdruck Selbsttranszendenz das Bezogensein einer Person auf anderes als das eigene Selbst, ein Bezug, dessen Einlösung als Voraussetzung für sinnerfüllte Selbstverwirklichung oder als „Gefühl“, sich als Teil von etwas Größerem zu begreifen, gedeutet werden kann (bspw. bei Viktor Frankl). In spezifischerer Wortverwendung kann „Transzendenz“ in theologischer Tradition auch die Selbstüberschreitung des Göttlichen auf die Weltschöpfung hin beschreiben.

Begriffsgeschichte[Bearbeiten]

Das lateinische feminine Substantiv transcendentia ist schon in der Antike bezeugt, allerdings nicht in philosophischem oder religiösem Zusammenhang; es bezeichnet ursprünglich nur eine Überschreitung oder einen Übergang. Das zugehörige Verb transcendere „überschreiten“ wurde in der Antike auch im Sinn von „übertreffen“ verwendet. Der Kirchenvater Augustinus (354–430) gibt griechische Ausdrücke der neuplatonischen Literatur wie anabainein „hinaufsteigen“ lateinisch mit dem Verb transcendere bzw. dessen Partizip transcendens „übersteigend“ wieder. Das transcendere ist für ihn die Bewegung auf einem Erkenntnisweg, auf dem man von einer tieferen Ebene der Wirklichkeit zu einer höheren hinüberschreitet. In anderem Zusammenhang stellt er fest, dass Gott jede veränderliche Kreatur „übersteigt“ (transcendat).

Im Mittelalter war das feminine Substantiv transcendentia nicht gebräuchlich, wohl aber das Partizip transcendens, seit dem 13. Jahrhundert als Neutrum Plural transcendentia „die übersteigenden (Dinge)“. Gemeint sind Bestimmungen, welche die aristotelischen Kategorien „übersteigen“, das heißt: nicht auf eine von ihnen beschränkt sind. Den Kernbestand der transcendentia bildeten nach der Auffassung der Scholastiker die Begriffe „Seiendes“, „Eins“, „Wahres“ und „Gutes“.

Die transcendentia als feminines lateinisches Substantiv mit der Bedeutung „Transzendenz“ (Gottes) im heutigen Sinne ist ab dem frühen 17. Jahrhundert in katholischer und evangelischer theologischer Literatur bezeugt.

Während in religiöser und spiritualistischer Literatur der englische Ausdruck transcendence zweideutig ist und für den Vorgang des (sprachlichen, gedanklichen, humanistischen, religiösen, spirituellen) „Übersteigens“ – zumeist als Sinngebung in einem ganzheitlichen Zusammenhang – sowie gleichzeitig für den „überweltlichen Bereich“ steht, bezeichnet der deutsche Ausdruck Transzendenz streng genommen nur diesen Bereich. Der „Prozess des Übersteigens“ wird mit der Verbform transzendieren benannt. Bezieht sich das transzendieren auf einzelne Individuen, ist damit der geistige „Entwicklungsprozess zu höheren Bewusstseinsebenen“ des Einzelnen gemeint. Häufig wird die Bezeichnung Transzendenz jedoch auch von deutschen Autoren doppeldeutig benutzt.

Seit dem 18. Jahrhundert wird deutlicher zwischen der Transzendenz des Glaubens (bzw. des Objekts des Glaubens) und der Transzendenz des Wahren unterschieden. Während die Glaubenstranszendenz immer stärker in den Bereich der Theologie verwiesen wird, rückt die Frage nach der Erkennbarkeit der Wahrheit (bzw. der Möglichkeit objektiver Erkenntnis überhaupt) seit dem 19. Jahrhundert in den Mittelpunkt erkenntnistheoretischer und wissenschaftstheoretischer Fragestellungen.