Xiongnu

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Xiōngnú (匈奴 Hsiung-nu) ist die chinesische Bezeichnung für einen Stammesverband aus Reiternomaden, der zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem späten 1. Jahrhundert n. Chr. weite Teile des östlichen Zentralasien kontrollierte. Das Reich der Xiongnu war das früheste und gleichzeitig längstlebige Steppenreich.

Die Xiongnu wurden erstmals in chinesischen Quellen im Jahr 215 v. Chr. erwähnt, als der erste Kaiser Shihuangdi eine Offensive gegen sie führen ließ. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich der Begriff Xiongnu in den chinesischen Quellen offenbar nicht auf einen fest umrissenen, homogenen Verbund bezog, sondern es sich vielmehr um einen Sammelbegriff für heterogen zusammengesetzte Gruppen im Steppenbereich der heutigen Mongolei handelt.

Lange Zeit konnten sich die Xiongnu gegen die Han-Dynastie behaupten. Zeitweise versuchten chinesische Kaiser, da militärisches Vorgehen nicht immer erfolgreich war, die Xiongnu durch Zahlungen und Geschenke im Zusammenhang mit Heiratsverträgen zu besänftigen (die sogenannte heqin-Politik). Die Xiongnu benötigten ökonomisch grundsätzlich chinesische Tributleistungen, da ihre eigene Lebensweise keine ausreichende materielle Grundlage darstellte. In diesem Sinne waren die Xiongnu auf die wirtschaftliche Prosperität des Han-Reiches angewiesen.

Es kam schließlich im Inneren des Stammesverbunds zu Auflösungserscheinungen. Der südliche Teil der Xiongnu unterwarf sich Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. den Chinesen und geriet so unter chinesisches Protektorat, der nördliche Teil der Xiongnu geriet Ende des 1. Jahrhunderts unter verstärkten chinesischen Druck und wurde schließlich von den Truppen der Han und ihren Verbündeten vernichtet; die letzten Berichte über sie stammen aus der Mitte des 2. Jahrhunderts. Die auf chinesischem Territorium angesiedelte Gruppe der südlichen Xiongnu erhob sich im frühen 4. Jahrhundert gegen die Jin-Dynastie und errichtete die kurzlebige Han-Zhao-Dynastie sowie die spätere-Zhao-Dynastie.

In Europa wurde für die Xiongnu teilweise der Begriff Hunnen verwendet, da die ältere Forschung von einer Verbindung zwischen diesen beiden Gruppen ausging. Die Ethnizität der Xiongnu ist in der Forschung umstritten. In der neueren historischen und archäologischen Forschung werden Hunnen und Xiongnu in der Regel nicht mehr gleichgesetzt, was auch dadurch begründet wird, dass es sich bei den frühen Nomadenvölkern um Stammeskonföderationen handelte, die sich aus verschiedenen ethnischen und kulturellen Gruppierungen zusammensetzten und sich je nach Situation in rudimentären Herrschaftswesen organisierten, trennten und neu organisierten (vgl. dazu Reichsbildung bei frühen Nomadenvölkern). In diesem Zusammenhang spricht auch die zeitliche Differenz gegen eine Verbindung von Xiongnu und Hunnen, archäologisch fehlen ebenfalls überzeugende Belege.

Anhand der aktuell verfügbaren Befunde ist die ethnische Zuordnung der (wohl heterogen zusammengesetzten) Xiongnu nicht zweifelsfrei zu klären. Neben einer sprachlichen Zuordnung als altaischsprachig (Turksprachen, Mongolisch) oder iranischsprachig wird besonders in der neueren Forschung vermutet, die Xiongnu hätten mehrere Sprachen gesprochen, darunter unter anderem eine jenisseische Sprache (Ketisch) oder eine ausgestorbene Sprache, die keiner der heute bekannten Sprachfamilien Eurasiens angehört.