Hunnen

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Hunnen ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe der zentralasiatischen Reitervölker mit nomadischer, später halbnomadischer Lebensweise. Ihre genaue Herkunft und Ethnizität ist in der modernen Forschung umstritten.

Die wenigen Sprachüberreste erlauben keine präzise Zuordnung: Einige Forscher gehen davon aus, dass die Hunnen eine Turksprache oder eine andere altaische Sprache sprachen. Andere Forscher gehen von einer heute ausgestorbenen Sprache aus bzw. bezweifeln die Möglichkeit einer exakten Zuordnung. In diesem Sinne wurde der Begriff Hunne von einigen oströmischen Geschichtsschreibern als ethnographischer Begriff für ganz verschiedene später auftauchende Reitervölker aus dem eurasischen Steppenraum benutzt.

Fest steht nur, dass die in spätantiken Quellen als „Hunnen“ bezeichneten Stämme um die Mitte des 4. Jahrhunderts im Raum zwischen den Flüssen Don und Wolga lebten und schließlich nach Westen vorstießen, wobei sie nicht unter einheitlicher Führung agierten. Sie fielen ab 375/76 mit dort unbekannter Reiterkampftechnik in Europa ein (siehe Völkerwanderung) und spielten in der spätantiken Geschichte noch bis ins späte 5. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Im frühen 5. Jahrhundert errichteten sie an der Donau ein Steppenreich zwischen West- und Ostrom. Unter Attila erreichte ihre Macht den Höhepunkt, wobei die Hunnen allerdings ökonomisch stets auf erzwungene römische Tributleistungen angewiesen waren. Nach Attilas Tod 453 und dem Zerfall seines Reichs zerstreuten sich die Hunnen wieder weitgehend; hunnische Hilfstruppen in oströmischen Diensten und als hunnisch bezeichnete Gruppen im nördlichen Schwarzmeerraum sind jedoch noch im 6. Jahrhundert belegt.

Namensherkunft und -verwendung[Bearbeiten]

Das Wort Hunne wird in der Regel vom chinesischen Begriff für das Volk der Xiongnu abgeleitet. Die Bezeichnung Hunnen taucht in abgewandelter Form als Ounnoi (lat. Chunni bzw. Hunni) im 2. Jahrhundert n. Chr. in der Geographie des Griechen Ptolemaios auf. Dass damit die um 375 nach Osteuropa vorstoßenden Hunnen gemeint sind, wird in der neueren Forschung aber eher bezweifelt, da eine reine Namensähnlichkeit mit dieser 200 Jahre nach der Erwähnung bei Ptolemaios in Erscheinung tretenden Gruppe kaum aussagekräftig ist. In der neueren Forschung wird eine derartige Kontinuität nur von wenigen Historikern vertreten.

Der Name Hunnen wird in den verschiedenen Quellen oft eher allgemein gebraucht: Er diente wohl als „Prestige- und Übertragungsname“, der verschiedene Gruppen bezeichnen konnte, sodass Hunnen keine genaue ethnische Bezeichnung darstellte. In der spätantiken Geschichtsschreibung bezeichnet der Begriff Hunne denn auch oft, wie zuvor „Skythen“, eine heterogen zusammengesetzte Gruppe, welche aus der gewaltigen Steppenregion Zentralasiens stammte, ohne dass damit eine Aussage über die ethnische Zugehörigkeit verbunden wäre. So bezeichnet Priskos (dessen nur fragmentarisch überliefertes Geschichtswerk eine der wichtigsten Quellen bezüglich der Hunnen ist) die Hunnen unter Attila, an dessen Hof er 449 gereist war, im Rahmen klassizistischer ethnographischer Vorstellungen als „Skythen“. An anderer Stelle in seinem Werk berichtet er aber auch von „kidaritischen Hunnen“, die die Ostgrenze Persiens im 5. Jahrhundert bedrohten.

So kämpften um 350 die persischen Sassaniden gegen Nomaden, die man Chioniten nannte; das mittelpersische Wort Xyon leitet sich wohl vom Begriff „Hunne“ ab und gab den Chioniten wahrscheinlich ihren Namen. Im 5. Jahrhundert folgten dann weitere Gruppen, die als iranische Hunnen bezeichnet werden (siehe auch die Ausführungen im Artikel Spätantike), die aber mit den um 375 nach Westen vordringenden Gruppen nicht identisch sind. Gruppen der iranischen Hunnen (eher die Alchon als die Hephthaliten) unternahmen im 6. Jahrhundert auch eine Invasion Nordindiens. Sie werden in indischen Quellen pauschal als Hunas bezeichnet und waren ein Faktor für den Zusammenbruch des Gupta-Reichs.

Diese Beispiele belegen, dass der Begriff „Hunne“ nicht auf eine feste ethnische Gruppe bezogen werden kann. Étienne de la Vaissière unterstellt jedoch die Wirksamkeit einer starken, im Altai entstandenen, vielleicht von den letzten Xiongnu, die sich dorthin (so zumindest de la Vaissière) zurückgezogen haben sollen, beeinflussten politischen, kulturellen und religiösen Identität. Allerdings ist die Herkunft der Hunnen bis heute in der Forschung umstritten, wobei die meisten Forscher eine direkte Verbindung zwischen den Xiongnu und den Hunnen, die um 375 im Westen erschienen, ablehnen (siehe das folgende Kapitel zur Herkunftsvermutung).

Von der Sprache der 375 nach Westen vorstoßenden „Hunnen“ sind nur einige spärliche Überreste erhalten. Viele Forscher vertreten die Ansicht, dass die Hunnen des 4. und 5. Jahrhunderts eine altaische, möglicherweise eine oghurische, also alttürkische, jedenfalls keine iranische oder jenisseische Sprache gesprochen haben. Andere Forscher vertreten die These, dass es sich um eine andere, inzwischen ausgestorbene Sprache gehandelt habe. Ein wissenschaftlicher Konsens bezüglich der hunnischen Sprache existiert bis heute nicht. Sicher scheint nur, dass sich im Umfeld der hunnischen Elite germanisch sprechende Krieger befanden, die lange an ihren Sprachen bzw. Namen festhielten.

Einige mittelalterliche Autoren benutzten später noch Hunne als anachronistische Bezeichnung für andere Steppenvölker.

Im 19. Jahrhundert wurde über das Nibelungenlied als Nationalepos der Deutschen Hunne zu einem Begriff, der fortan alle vermeintlichen oder realen Bedrohungen aus dem asiatischen Raum kennzeichnen sollte und etwa von Hans Naumann 1933 im Vergleich mit dem Nibelungenlied über den Braunschweiger Löwen als Abwehrfigur bereits auf die Slawen als „wimmelndes, rattengraues Gezücht der leeren Steppe“ übertragen wird.

Aufgrund der sogenannten Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. wird der Begriff Hunne (engl. Hun) im englischen Sprachraum als Schimpfwort für Deutsche benutzt.