Wilhelm II. (Deutsches Reich)

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Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Albert Viktor von Preußen (* 27.01.1859 in Berlin, † 04.06.1941 in Doorn, Niederlande), aus dem Haus Hohenzollern war von 1888 bis 1918 letzter Deutscher Kaiser und König von Preußen. Im sogenannten Dreikaiserjahr folgte der 29-jährige Wilhelm II. seinem nur 99 Tage herrschenden, 56-jährigen Vater Friedrich III. und seinem 90-jährigen Großvater Wilhelm I. auf den Thron Preußens und des Deutschen Reiches. Durch seine Mutter Victoria von Großbritannien und Irland war er Enkel der britischen Königin Victoria.

Aufgrund seiner traditionellen Herrschaftsauffassung zeigte Wilhelm II. wenig Verständnis für das Wesen der konstitutionellen Monarchie und bestand darauf, die Regierungspolitik persönlich zu leiten. Durch sein als undiplomatisch und großspurig empfundenes Auftreten verursachte er mehrfach innen- und außenpolitische Krisen. Der von ihm stark forcierte Ausbau der Kaiserlichen Marine und die damit verbundene sogenannte Weltpolitik wurden zum Markenzeichen der wilhelminischen Ära, trugen aber auch zum Konfliktpotenzial bei, das sich im Ersten Weltkrieg entlud. Erst im Oktober 1918, unter dem Eindruck der unabwendbaren Niederlage Deutschlands und der mit ihm verbündeten Mittelmächte, stimmte Wilhelm der Parlamentarisierung des Reiches zu. Nach den Oktoberreformen war der Reichskanzler nicht mehr ihm, sondern dem Reichstag verantwortlich.

Im Weltkrieg war der Kaiser von der Obersten Heeresleitung unter den Generälen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff weitgehend kaltgestellt und auf repräsentative Aufgaben beschränkt worden. Er verlor zusehends an Ansehen, und angesichts der drohenden Niederlage wurde seine Stellung vollends unhaltbar. Zudem verlangte US-Präsident Woodrow Wilson vor der Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen kaum verklausuliert den Thronverzicht des Kaisers. Als die Novemberrevolution am 09.11.1918 auch Berlin erfasste, gab Reichskanzler Max von Baden die Abdankung Wilhelms ohne dessen Zustimmung bekannt. Wenige Stunden später, am Mittag des 9. November, erfolgte die Ausrufung der Republik in Deutschland.

Am Tag darauf floh der Kaiser vom Großen Hauptquartier im belgischen Spa, wo er sich seit dem 29. Oktober aufgehalten hatte, ins niederländische Exil. Erst dort dankte er am 28.11. formell ab. Königin Wilhelmina und die Regierung der Niederlande gewährten ihm Asyl und lehnten 1919 die von den Entente-Mächten verlangte Auslieferung als Kriegsverbrecher ab. Wilhelm ließ sich in Haus Doorn nieder und bemühte sich erfolglos um eine Restauration der Monarchie in Deutschland. Er starb 1941 im Alter von 82 Jahren, ohne jemals wieder deutschen Boden betreten zu haben.

Leben bis zum Herrschaftsantritt (1859–1888)[Bearbeiten]

Kindheit und Jugend[Bearbeiten]

Familie[Bearbeiten]

Wilhelm wurde am 27.01.1859 als ältester Sohn des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen und dessen Frau Victoria geboren, die 1861 zum Kronprinzenpaar wurden. Wilhelm war der Enkel der britischen Königin Victoria (1819–1901) sowie infolge der Verbindung seiner Großtante Charlotte mit Nikolaus I. von Russland auch ein Onkel dritten Grades von Zar Nikolaus II. Der britische König Georg V. war sein Cousin ersten Grades. Sein Bruder Prinz Albert Wilhelm Heinrich von Preußen war Großadmiral der Kaiserlichen Marine. Zum Zeitpunkt seiner Geburt stand er auf Platz drei der preußischen Thronfolge sowie auf Platz sechs der britischen. Bei seiner Geburt war klar, dass er wohl einmal preußischer König werden würde.

Geburt, Komplikationen und die Folgen[Bearbeiten]

Bei der Geburt des Prinzen im Berliner Kronprinzenpalais waren, wie bei Thronfolgergeburten üblich, hohe Beamte anwesend, um die Geburt zu bezeugen. Er kam als Steißgeburt zur Welt und überlebte nur durch den als ultima Ratio hinzugezogenen Direktor der Entbindungsanstalt im Charité-Krankenhaus Berlin, Eduard Arnold Martin, und durch das couragierte Eingreifen einer Hebamme, die das scheinbar leblose Baby ganz gegen das Protokoll mit einem nassen Handtuch schlug. Martin musste die seit Stunden verschleppte Geburt voranbringen und setzte das dafür neuartige Narkosemittel Chloroform ein.

Er drehte den Thronfolger intrauterin und schaffte es, die Beine voranzubringen, sodass das Gesäß und der Unterleib hervortraten. Der Nabelschnurpuls war fast nicht mehr fühlbar, daher musste der Geburtsvorgang beschleunigt werden. Es gelang Martin noch, den linken Arm zu wenden und parallel zum Torso zu legen, um dann mit kräftigem Zug den Kopf mit dem noch hochgeschlagenen rechten Arm zu entbinden. Infolge der stundenlangen fruchtlosen Wehen und der zügig zu bewerkstelligenden Notentbindung (ein Kaiserschnitt hatte damals häufig den Tod der Mutter zur Folge, was in diesem Falle völlig indiskutabel war) überlebte der Säugling zwar, aber es kam zu einer linksseitigen Armplexus-Lähmung. Einige Tage danach bemerkte man, dass das Kind diesen Arm nicht bewegen konnte. Der Arm blieb fortan in seiner Entwicklung deutlich zurück und war im Erwachsenenalter deutlich kürzer als der rechte und nur eingeschränkt beweglich. Durch die Komplikationen während der Geburt stellte sich bei Wilhelm etwas später eine Torticollis (Schiefhals) heraus. Es ist umstritten, ob Martin dem Kind das Leben rettete oder die Behinderung zu verantworten hatte.

Obwohl Victoria anfangs die „hervorragende“ Leistung von Eduard Arnold Martin mit viel Lob und einem „kostbaren“ Ring belohnte, entwickelte sie, als der Geburtsschaden wenig später bemerkt wurde, einen Hass auf Martin. Sie schrieb ihrer Mutter: „Du weißt, liebe Mama, daß Wilhelms Arm nicht verletzt worden wäre und ich eine solche Tortur nicht durchgemacht hätte, wenn ich in der Obhut eines aufgeklärten englischen Arztes gewesen wäre! Es war Martin, der mich behandelte!“ Wilhelm kam später zu der Überzeugung: „ein englischer Arzt tötete meinen Vater, und ein englischer Arzt verkrüppelte meinen Arm – und das ist die Schuld meiner Mutter, die keine Deutschen um sich duldete!“. Um seine Behinderungen zu beheben, wurden Kuren wie das Einnähen des kranken Armes in ein frisch geschlachtetes Kaninchen oder die Elektrisierung des Arms durchgeführt. Sie verliefen allerdings erfolglos. Der Schiefhals wurde später durch eine Operation behoben.

Wie im Hochadel üblich, traten seine Eltern als unmittelbare Erzieher ganz hinter seinem calvinistischen Lehrer Georg Ernst Hinzpeter zurück, der über die Volljährigkeit Wilhelms hinaus einen sehr großen Einfluss auf ihn hatte. Seine Mutter und Hinzpeter waren sich einig, dass die Erziehung von Wilhelm von sehr strenger Natur sein solle, um ihn auf seinen „Beruf“ vorzubereiten. Friedrich III. war in diese Entscheidung nicht involviert, auch weil er in den Jahren der Reichseinigung anderweitig gebunden war. Er setzte volles Vertrauen in seine Frau und ihr Urteil. Die sehr strenge Erziehung hatte jedoch wenig Erfolg. Hinzpeter klagte 1874 über die Unkonzentriertheit und den „fast krystallinisch hart gefügten Egoismus“, der „den innersten Kern seines Wesens“ bilde.

Als Siebenjähriger erlebte er den Sieg über Österreich 1866 mit der daraus resultierenden Vorherrschaft Preußens in Deutschland. Mit zehn Jahren, im damals üblichen Kadettenalter, trat er beim 1. Garde-Regiment zu Fuß formell als Sekondeleutnant in die preußische Armee ein. Als Zwölfjähriger wurde er mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über Frankreich 1871 auch zweiter Anwärter auf den deutschen Kaiserthron.